Gemeinsame Flucht aus dem Knast?
Häftling und Gefängnis-Direktorin verschwunden

Aufregung im US-Bundesstaat Alabama. Dort sind ein Häftling und die stellvertretende Gefängnis-Direktorin verschwunden. Möglicherweise sind die zwei zusammen geflüchtet.
Publiziert: 02.05.2022 um 17:10 Uhr

Er sitzt wegen Mordes ein – und zwar im Gefängnis von Lauderdale County im US-Bundesstaat Alabama. Sie ist die stellvertretende Leiterin der Anstalt – und hat in den letzten 20 Jahren vorbildliche Arbeit geleistet. Nun fehlt von beiden jede Spur, wie der TV-Sender CNN berichtet.

Casey W.* (38) und Vicky W.* (56) sind seit Freitagmorgen wie vom Erdboden verschluckt. Dabei sah es zu Beginn nach einem Routineauftrag aus. Vicky W. sollte den Gefangenen am Freitag für eine psychologische Untersuchung zum Bezirksgericht bringen.

Doch sie kamen nie am Gerichtsgebäude an. Kurz darauf wurde klar: Es gab niemals einen Termin für den Häftling.

Werden gesucht: Casey W. und Vicky W. werden seit Freitag vermisst.
Foto: Lauderdale County Sheriff's Office
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10'000 Dollar Belohnung für Hinweise

Als die stellvertretende Direktorin das Gefängnis mit Casey W. verliess, gab sie an, dass sie, nachdem sie den Häftling am Gericht abgegeben habe, zu einem Arzt fahre, da sie sich nicht gut fühle. Doch auch dort kam sie niemals an.

Besorgte Kollegen versuchten, Vicky W. auf ihrem Handy zu erreichen. Ohne Erfolg. Bloss die Combox. Nur der Streifenwagen von Vicky W. wurde am Freitag schliesslich entdeckt. Und zwar auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums.

Seither fahndet die Polizei fieberhaft nach den beiden. Für Hinweise wurden in der Zwischenzeit 10'000 Dollar, umgerechnet 9700 Schweizer Franken, Belohnung ausgesetzt.

Befindet sich Vicky W. in Gefahr?

Die Hintergründe über das plötzliche Verschwinden sind bislang unklar. Die Behörden haben mehrere Theorien aufgestellt. Unter anderem könnte die stellvertretende Direktorin von dem 1,90 Meter grossen Casey W. überwältigt und entführt worden sein. Möglich ist aber auch, dass Vicky W. bei der Flucht aktiv geholfen hat.

«Wir wissen nicht, ob sie ihm geholfen hat oder nicht, und wir werden uns damit erst befassen, wenn wir den absoluten Beweis haben, dass das passiert ist», erklärte Sheriff Rick Singleton, wie CNN berichtet. «Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass sie gegen ihren Willen entführt wurde, bis wir das Gegenteil beweisen können. Aber selbst wenn sie ihm geholfen hat, denken wir, dass sie in Gefahr ist.»

Sie hätte nicht allein mit ihm im Wagen sitzen dürfen

Casey W. plante bereits 2020, aus dem Knast auszubrechen. Er wollte damals eine Geisel nehmen und so flüchten. Der Versuch konnte aber vereitelt werden. Daraufhin wurde beschlossen, dass jeweils zwei Personen ihn beaufsichtigen müssen, sobald er seine Zelle verlässt.

Auch für den Transport zum Gerichtsgebäude hätten zwei Sheriffs im Auto sitzen müssen. Wieso nur Vicky W. im Wagen sass, ist unklar.

Die Ermittler sichten derzeit Aufnahmen von Überwachungskameras, um zu rekonstruieren, was passiert ist und wo die Gesuchten abgeblieben sein könnten. «Wir sehen uns weiterhin Videomaterial an, um mögliche Spuren zu finden, aber wir haben nichts gefunden, was einen wesentlichen Einfluss auf die Ermittlungen hat», erklärte Sheriff Rick Singleton, wie CNN berichtet.

Soll Mann mit Messer getötet haben

Da Vicky W. eine Pistole bei sich hatte, als sie gemeinsam mit Casey W. das Gefängnis verliess, gehen die Behörden davon aus, dass der flüchtige Verbrecher wahrscheinlich bewaffnet ist. Er gilt als gefährlich.

Der Amerikaner wurde für mehrere Verbrechen zu 75 Jahren Gefängnis verurteilt. Unter anderem wegen Einbruch, Autodiebstahl und einer Verfolgungsjagd mit der Polizei. Zudem ist er aktuell wegen des Mordes an einem Mann (†58) mit einem Messer angeklagt. Nach Angaben des Bezirksstaatsanwalts gestand er die Tötung im Jahr 2020 und plädierte anschliessend auf nicht schuldig.

Fall erinnert an Angela Magdici und Hassan Kiko

Laut Sheriff Singleton habe Vicky W. letzte Woche ihre Unterlagen für ihre Pensionierung eingereicht. Sie sei eine vorbildliche Kollegin und habe sich in ihrer Karriere nichts zuschulden kommen lassen. Sie habe «eine makellose Bilanz». Vicky W. arbeitet seit etwa zwanzig Jahren in dem Gefängnis. Sie sei verwitwet und habe zwei Kinder, so Singleton weiter.

Der Fall erinnert an Angela Magdici und Hassan Kiko. Die Aufseherin verhalf dem Sträfling im Jahr 2016 zur Flucht. Der Syrer sass als verurteilter Vergewaltiger eine Strafe im Gefängnis Limmattal in Dietikon ZH ab. Doch hinter Gittern lernten sich die beiden kennen und lieben. (jmh)

*Name der Redaktion bekannt


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