«Ich will nicht mehr leben»
Ukrainerin berichtet von Vergewaltigung durch russische Soldaten

Putins Truppen wüten in der Ukraine. Und die Zivilisten leiden darunter. Eine Frau, die von russischen Soldaten vergewaltigt wurde, berichtet über den Horror, den sie erleben musste.
Publiziert: 08.04.2022 um 19:19 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2022 um 15:02 Uhr

Immer wieder versagt Elena T.* die Stimme, dennoch will sie ihre Geschichte erzählen: Wie sie von zwei russischen Soldaten stundenlang vergewaltigt wurde – nur weil ihr Mann ukrainischer Soldat ist. Elenas Bericht bestätigt die Befürchtungen von Menschenrechtsorganisationen, dass Russland Vergewaltigungen bewusst als Waffe im Krieg gegen die Ukraine einsetzt, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet.

Es passierte am Nachmittag des 3. April in der Region Cherson in der Nähe des Schwarzen Meeres. «Gegen drei Uhr Nachmittag ging ich in einen Lebensmittelladen. Während ich in der Schlange stand, kamen russische Soldaten herein und begannen, sich mit Kunden zu unterhalten», berichtet Elena T. «Ich habe nicht verstanden, worum es ging.» Doch dann zeigte ein Mann auf sie und sagte zu den russischen Soldaten: «Das ist die Frau eines Militärs. Wegen solcher Leute ist der Krieg ausgebrochen.»

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Elena verliess den Laden und lief nach Hause, doch die Soldaten verfolgten sie. «Sie kamen hinter mir durch die Tür. Ich hatte keine Zeit, mein Handy herauszuholen und um Hilfe zu rufen», sagt sie. «Ohne ein Wort zu sagen, haben sie mich auf das Bett gestossen, mich mit einem Maschinengewehr niedergedrückt und ausgezogen», schildert Elena T. die Situation und bricht in Tränen aus. «Sie sprachen kaum, nur manchmal beschimpften sie mich oder sagten zueinander, ‹Du bist dran›.»

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«Ich will nur meine Kinder wieder haben»

Erst gegen vier Uhr morgens hätten die Soldaten von ihr abgelassen, weil sie zurück zum Dienst mussten. Bislang hat Elena mit niemandem über die Vergewaltigung gesprochen, weder mit ihrem Mann noch mit einer Ärztin oder Psychologin. «Ich bin Hebamme und habe mir selbst geholfen.»

Nach der Tat verliess Elena ihre Stadt, in der sie als letzte ihrer Familie zurückgeblieben war. Gleich zu Beginn des Krieges hatte sie ihre vier Kinder an einen sicheren Ort gebracht. Ihr Mann, der bereits zwei Jahre lang gegen die prorussischen Separatisten im Donbass gekämpft hatte, wurde an die Front eingezogen.

Mittlerweile ist Elena T. in Saporischschja im Süden des Landes angekommen, wo Tausende Flüchtlinge Zuflucht suchen. Von dort aus will sie weiter nach Winnyzja im Zentrum des Landes, um dort ihre Kinder wiederzusehen. «Ich will nur meine Kinder wiederhaben», sagt Elena T. Bei der Frage, wie es ihr gehe, muss sie erneut weinen. Sie sei voller Ekel, sagt Elena. «Ich will nicht mehr leben.»

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Elena will sich an Vergewaltigern rächen

Elenas traumatisches Erlebnis ist leider bei weitem kein Einzelfall. Bei der Notrufnummer der ukrainischen Frauenrechtsorganisation La Strada meldeten sich bislang sieben vergewaltigte Frauen. Alina Krywuljak, die für La Strada arbeitet, schätzt die tatsächliche Zahl der Opfer jedoch weit höher ein. «Es könnten Hunderte oder Tausende Frauen und Mädchen sein», sagt sie. In einem Kriegsland ist es jedoch schwierig, Beweise dafür zu sammeln.

Elena T. rechnet damit, dass die ukrainischen Soldaten bei der Rückeroberung der besetzten Gebiete «Rache nehmen werden». Auch sie will ihre Vergewaltiger nicht ungeschoren davonkommen lassen. Und auch nicht die Ukrainer, die sie den Russen ausgeliefert haben. «Ich werde mit dem Finger auf sie zeigen», sagt Elena T. «Und meinem Mann von ihnen erzählen.» (obf/AFP)

* Name geändert

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