Knallhart-Massnahme in der Kritik
Lockdowns verhinderten wohl kaum Corona-Tote

Die vom Staat verhängten Lockdowns in der ersten Corona-Welle hatten praktisch keine Auswirkung auf die Corona-Toten. Zu diesem Urteil kommen drei Wissenschaftler der renommierten John Hopkins Universität. Allerdings hat auch diese Meta-Studie einen Haken.
Publiziert: 02.02.2022 um 18:49 Uhr

Mit Corona kam die Knallhart-Massnahme: der Lockdown. Praktisch alles wurde dicht gemacht. Wer konnte, sollte unbedingt zu Hause bleiben. Alles, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen – und Tote zu verhindern. Ein harter Einschnitt für alle.

Nun haben drei Wissenschaftler der renommierten Johns Hopkins Universität diese Massnahme unter die Lupe genommen – beziehungsweise, 24 Lockdown-Studien dazu.

Ihre umfangreiche Analyse dieser Studien kommt zum Schluss: Die staatlich angeordneten Lockdowns in Europa und den USA Anfang Pandemie hätten praktisch keinen Effekt auf die Anzahl an Corona-Toten gehabt.

Mit Corona gingen viele Ländern in den Lockdown. So gut wie alles wurde geschlossen.
Foto: keystone-sda.ch
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«Lockdowns sollten abgeschafft werden»

Staaten, die Corona-Massnahmen einfach beschlossen hatten und aufzwangen, statt sie nur zu empfehlen, konnten im Vergleich die Todesrate lediglich um 0,2 Prozent reduzieren. Allerdings muss erwähnt werden: Hinter der nackten Zahl 0,2 Prozent stecken viele Menschenleben.

Und trotzdem: Die Autoren Jonas Herby, Lars Jonung und Steve H. Hanke stellen den Lockdowns ein schlechtes Zeugnis aus: «Die Wirkung von Lockdowns ist gering bis nicht vorhanden. Abriegelungsmassnahmen sind unbegründet und sollten als pandemiepolitisches Instrument abgeschafft werden.» Insbesondere weil die Kollateralschäden gross seien.

So hätten Lockdowns «die Wirtschaftstätigkeit und die Schuldbildung verringert, für politische Unruhen gesorgt, zu häuslicher Gewalt beigetragen und die liberale Demokratie untergraben», so die Liste der Autoren.

Tragen von Maske beim Arbeitsplatz effektiv

Die Schliessungen der Schulen hätten die Mortalitätsrate um 0,1 Prozent gesenkt, Grenzschliessungen hätten der Studie zufolge gar keinen Effekt gehabt.

Gewisse Massnahmen hätten aber tatsächlich ihre Wirkung gezeigt: So erwies sich das Tragen von Masken am Arbeitsplatz als äusserst effektiv. Dadurch konnten laut der Studie die Corona-Toten um 24 Prozent gesenkt werden. Auch die Schliessung von Clubs zeigte ihre Wirkung. Eine Verringerung von 15 Prozent hatte diese Massnahme zur Folge.

Auch der Virologe Klaus Stöhr (63) schreibt auf Twitter zur Studie: «Lockdowns hatten wenig oder keine Wirkung auf Mortalität.» Gleichzeitig macht er aber auch darauf aufmerksam, dass es schwierig sei, allgemein gültige Schlussfolgerungen aus Meta-Analysen zu ziehen.

Limitationen der Studie

Auch die Autoren selbst machen auf gewisse Einschränkungen der Studie aufmerksam. So spiele der Zeitpunkt, zu dem ein Lockdown in Kraft tritt, eine elementare Rolle. Die meisten Länder wurden von der ersten Corona-Welle überrascht, dementsprechend wurden die Lockdowns zu spät verhängt, um eine grössere Wirksamkeit erzielen zu können.

Des Weiteren merken die Forscher an, dass es schwierig sei, die Wirkung eines Lockdowns von dem Effekt der Vorsicht in der Bevölkerung zu differenzieren. «Der Effekt von Lockdowns kann nicht so leicht von dem Effekt freiwilligen Social Distancings oder dem Gebrauch von Desinfektionsmitteln separiert werden», schreiben die Autoren.

Zudem sind andere Wissenschaftler, die sich mit dem Effekt von Lockdowns befassten, zu einem anderen Schluss gekommen. So konnten laut Wissenschaftlern des Imperial Colleges London mit den Lockdowns in Europa während der ersten Welle bis zu 3,1 Millionen Todesfälle verhindert werden. Die Autoren der neuen Studie stehen diesen Ergebnissen allerdings kritisch gegenüber.

Einbezug von 24 Studien

Die Autoren der Studie haben sich weltweit auf die Suche nach Studien gemacht, die sich mit Lockdowns bis Sommer 2020 und deren Auswirkungen auf die Sterblichkeit beschäftigten. Nach Prüfung von über 1000 Studien haben sie 24 Arbeiten in die Meta-Studie einbezogen.

Das Fazit, dass Empfehlungen praktisch denselben Effekt wie staatlich verhängte Massnahmen haben, solle künftig den Fokus auf die Freiwilligkeit richten, so die Forderung der Autoren. «Es sollte klar sein, dass eine wichtige Aufgabe der Behörden darin besteht, Informationen bereitzustellen, damit die Bürger freiwillig so auf die Pandemie reagieren können, dass ihre Gefährdung verringert wird.» (dzc)

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