Alexander Lukaschenko reagiert impulsiv im Interview
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Machthaber dreht durch:Alexander Lukaschenko reagiert impulsiv im Interview

Lukaschenko dreht im BBC-Interview durch
«Wir werden all die Bastarde niedermetzeln, die ihr finanziert habt!»

Alexander Lukaschenko hat der BBC ein Interview gegeben. Dabei zeigt sich der belarussische Präsident von seiner äusserst impulsiven Seite und wittert überall eine westliche Verschwörung.
Publiziert: 24.11.2021 um 16:56 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2021 um 21:31 Uhr

Belarus' Machthaber Alexander Lukaschenko (67) steht mit dem Westen auf Kriegsfuss. Das gibt der letzte Diktator Europas in einem seltenen Interview dem britischen TV-Sender BBC deutlich zu verstehen. Dabei wirft er mit Beschimpfungen und Verschwörungstheorien um sich und droht damit, das Gespräch abzubrechen.

Der Korrespondent Steve Rosenberg (53) versucht, mit Lukaschenko über die Migrationskrise, Wahlmanipulation und Verhaftungen zu sprechen. Ein gar nicht so einfaches Unterfangen, wie sich schnell zeigt.

«Wir haben, im Gegensatz zu euch, Ordnung und Gesetze!»

Lukaschenko schaltet direkt auf Konfrontationskurs, streitet ab, die Flüchtlinge gezielt eingeflogen zu haben, um sie dann über die Grenze zu schleusen, und wälzt die Schuld auf andere ab. Dabei benutzt er immer wieder das Pronomen «euch», wenn er den Westen meint. Der Reporter will wissen, ob Lukaschenko den Migranten auch erlauben würde, in Belarus zu bleiben, wenn sie dies wollten.

Steve Rosenberg von der BBC hat Alexander Lukaschenko interviewt. Dabei warf der Machthaber von Belarus immer wieder mit Behauptungen und Verschwörungstheorien um sich.
Foto: Screenshot Youtube/BBC
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«Wir haben, im Gegensatz zu euch, Ordnung und Gesetze! Wir haben noch keine Anträge gestellt bekommen, dass jemand hierbleiben möchte. Wenn ein solcher kommt, dann werden wir ihn prüfen – in Übereinstimmung mit dem Gesetz und sehr schnell, im Gegensatz zu euch!», lautet Lukaschenkos trotzige Antwort.

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«Es ist mir scheissegal, was man in der EU über mich denkt»

Vergangene Woche hatte Lukaschenko in einem Telefonat mit Angela Merkel (67) über die Lage an der Grenze zu Polen gesprochen. Der BBC-Journalist will wissen, wie ihn die deutsche Kanzlerin angesprochen habe. Schliesslich haben die EU-Staaten das Wahlergebnis in Belarus im Sommer 2020 nicht anerkannt.

«Wieso kümmert Sie das?», fragt Lukaschenko genervt zurück. «Herr Präsident ist in Belarus Herr Lukaschenko!» Dann wird er laut: «Es ist mir scheissegal, was man in der EU über den Präsidenten von Belarus denkt. Nicht die EU hat mich gewählt. Und ihr anerkennt mich bereits seit einem Vierteljahrhundert nicht an!» Belarus würde auch ohne den Westen Verbündete finden, betont er. «Wir werden nicht sterben – so wie ihr es wollt!»

Doch nicht nur die EU kritisierte die Wahlen, auch im eigenen Land kam es im August 2020 zu zahlreichen Protesten. Obwohl sich der Diktator selbst mit 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt hatte. «Warum sind so viele Menschen auf die Strassen gegangen? Und zwar nicht, um Ihnen zum Sieg zu gratulieren, sondern um Sie zu beschuldigen, dass Sie den Wahlsieg gestohlen haben. Da stimmt doch was nicht?», will der Reporter wissen.

Lukaschenko wird erneut ausfällig. «Bei Ihnen im Kopf stimmt etwas nicht, Steve. Bei Ihnen und Ihren Chefs.» Die 80 Prozent seien ein Fakt, so der Machthaber. Dass es zu den Protesten kam, scheint ihn nicht zu interessieren. «Seit 25 Jahren gehen eure Unterstützer nach den Wahlen auf die Strassen. Immer.»

Lukaschenko wittert eine westliche Verschwörung. Die deutschen, britischen und US-Stiftungen würden hinter den Demonstrationen stecken, sagt er. Rosenberg will nachhaken. «Wenn Sie mir nicht zuhören wollen, ist das Gespräch beendet», droht Lukaschenko.

Tierrechte seien «nur Tarnung gewesen»

Der Journalist weist Lukaschenko darauf hin, dass bei den friedlichen Protesten zahlreiche Menschen von den Polizisten brutal verprügelt und verhaftet wurden. Als Beweis will er dem Präsidenten die Videos auf seinem Handy zeigen. «Nein, nein, müssen Sie nicht! Ich gebe es zu!»

Rosenberg fragt erstaunt nach: «Sie geben es zu?» Doch Lukaschenko lenkt umgehend ab: «Ja, die Menschen haben was abbekommen. Aber über die Polizisten, die auch verprügelt wurden, habt ihr nicht berichtet!» Dann legt er nach: «Was wäre, wenn ein Polizist in den USA oder in Grossbritannien attackiert worden wäre? Der Angreifer hätte sofort eine Kugel kassiert! Wir haben dagegen auf niemanden geschossen!»

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Lukaschenko ist richtig in Rage. Als Rosenberg über die 270 NGOs reden möchte, die zum Schweigen gebracht wurden, lässt ihn der Belarusse gar nicht aussprechen. «Wir werden alle Bastarde niedermetzeln, die ihr finanziert habt! Aha, jetzt seid ihr besorgt, dass wir eure Struktürchen vernichtet haben! Wenn wir bis jetzt noch jemanden nicht ausgelöscht haben, dann werden wir das in naher Zukunft tun», droht er.

Zu den 270 NGOs gehören laut Rosenberg auch Organisationen, die sich für Tierrechte und Menschen mit Behinderungen eingesetzt hatten. Lukaschenko aber will auf kritische Fragen gar nicht antworten und verstrickt sich weiter in kruden Verschwörungstheorien. «Ich bin mir sicher, dass das nur eine Tarnung war und sie in Wirklichkeit das Geld bekommen haben, um eine Revolution hier anzuzetteln.»

Unionsstaat mit Russland

Angesprochen auf seine Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin (69) und die Pläne für einen russisch-belarussischen Unionsstaat, sagt er: «Ihr kreiert eine Union mit den USA und ich kreiere eine mit Russland!» Der Reporter entgegnet, dass Grossbritannien keine Union mit den USA aufbaue. Lukaschenko wirft weiter mit haltlosen Behauptungen um sich. «Das werden Sie noch! Sie haben sogar mehr als einen Unionsstaat. Die Amerikaner haben euch gesagt, ihr sollt die EU verlassen, und ihr habt es gemacht!»

Überhaupt – davon ist Lukaschenko überzeugt – würde der Westen sich in Belarus einmischen, um einen «neuen Krieg» anzuzetteln. Er lehnt sich mit dem Oberkörper nach vorne, stemmt die Hände in seine Oberschenkel und ruft: «Ihr habt letztes Jahr die Aufstände hier finanziert! Ihr habt von Polen aus hier alles geführt! Und hinter euch standen die Amerikaner.» Kurz darauf steht er auf. Während er sich das Mikrofon entfernt, ist zu hören, wie er dem Reporter sagt: «Seien Sie nicht beleidigt! Dieses Gespräch war Ihre Idee!» (man)

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