Mannheim-Anschlag hat Auswirkungen auf Europawahl
Nach der Messerattacke auf Triumphmarsch?

Nach der tödlichen Messerattacke in Mannheim wird die AfD bei den EU-Wahlen punkten – die Frage ist allerdings wie stark. Zwei Deutschland-Experten sagen voraus, wie sich die AfD im Endspurt entwickeln dürfte.
Publiziert: 04.06.2024 um 17:33 Uhr
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Aktualisiert: 05.06.2024 um 11:10 Uhr
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Guido FelderAusland-Redaktor

Eine Woche vor den EU-Wahlen sticht in Mannheim (D) der 25-jährige Afghane Sulaiman A. bei einer Standaktion der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa mehrere Menschen nieder. Ein Polizist stirbt. Es könnte die Stunde der AfD werden, um am Wochenende mit Wutstimmen triumphal ins EU-Parlament einzumarschieren.

Die beiden AfD-Chefs Alice Weidel (45) und Tino Chrupalla (49) teilen gegen die Regierung aus: «Die Zuwanderung aus Afghanistan muss beendet und Rückführungen dorthin in Angriff genommen werden.» Um diese Anstrengung zu ermöglichen, müsse die Bundesregierung «endlich in diplomatischen Austausch mit der afghanischen Regierung» treten. In Afghanistan sind seit August 2021 die islamistischen Taliban an der Macht.

Von hinten stach der Angreifer auf einen Polizisten ein, der den schweren Verletzungen erlag.
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Jonathan B. Slapin (44), Professor für politische Institutionen und europäische Politik an der Uni Zürich, sagt gegenüber Blick zum Attentat: «Der Angriff dürfte als Scheitern der Politik der Mitte angesehen werden und die Anti-Immigrantenpartei AfD stärken.» Die Europawahlen seien vor allem eine Gelegenheit, gegen Mitte-links oder Mitte-rechts zu stimmen.

In Mannheim hat ein Afghane bei einer Standaktion von Pax Europa mehrere Personen angegriffen.
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Erstaunliches Umfrage-Ergebnis

Wie gross der Siegeszug der AfD wird, ist allerdings noch nicht klar. Alexander Marguier (54), Chefredaktor des deutschen Politmagazins Cicero, sagt gegenüber Blick: «Ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass die AfD in der ersten Umfrage seit dem Attentat am Freitag einen Prozentpunkt verloren hat.»

Diese Umfrage des Instituts Insa wurde bei 1001 Wahlberechtigten am Tag des Attentats sowie am Vortag durchgeführt. Der Messerangriff war zur Zeit der Umfrage also nicht allen Befragten bekannt, auch starb der Polizist erst nach Abschluss der Befragung.

Skandale hallen nach

Marguier schätzt, dass die AfD wegen der Messerattacke bis zu den Wahlen wieder zulegen könnte – allerdings mit «etwa einem Punkt» nur leicht. Laut Marguier haben die Skandale bei der AfD Auswirkungen auf das Verhalten der Wählerinnen und Wähler. Zu diesen Skandalen gehören die Verbindung zu einem angeblichen Geheimtreffen über Rückführungen, der Spionageverdacht gegen einen Mitarbeiter von EU-Politiker Maximilian Krah (47) sowie der Prozess gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke (52) wegen der Verwendung von Nazi-Parolen.

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Zudem dürfte seit kurzem ein weiterer Punkt mitspielen: Seit die EU-Fraktion Identität und Demokratie (ID) die AfD wegen eben dieser Skandale ausgeschlossen hat und sogar die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen (55) ihre Zusammenarbeit verweigert, sehen sich potenzielle AfD-Wähler in Brüssel nicht mehr vertreten. Marguier: «Ihre Stimme für die AfD ist ja dann gewissermassen verloren, weil die AfD in keiner Fraktion mehr vertreten ist.»

Zulauf dank Abkehr vom Merkel-Kurs

Die Umfragen zur Europawahl zeigen auf, wohin bisherige AfD-Unterstützer wohl abwandern. Da ist einerseits das neue Bündnis Sahra Wagenknecht, das ebenfalls eine strikte Migrationspolitik verfolgt und auf 7 Punkte angestiegen ist.

Da ist aber auch die Union von CDU und CSU, die seit Juli 2023 von 26 auf 29 Punkte zulegen konnte. Marguier: «Einige zur AfD abgewanderte Wähler dürften sich da inzwischen wieder besser vertreten fühlen, weil es CDU-Chef Friedrich Merz geschafft hat, sich sanft, aber doch deutlich vom alten Merkel-Kurs abzuwenden.»

Wirklich ein «Musterbeispiel»?

Bei der Messerattacke am Freitag hatte ein Afghane mehrere Menschen bei einer Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) angegriffen. Ein Polizist wurde getötet, fünf Personen wurden verletzt.

Der Täter soll sich seit 2013 in Deutschland aufhalten. Trotz abgelehnten Asylantrags durfte er wohl wegen seines jugendlichen Alters nicht ausgeschafft werden. Untypisch: Anders als viele islamistische Attentäter hatte Sulaiman A. keine Vorstrafen, engagierte sich dafür freiwillig und wäre, wie der Spiegel schreibt, bis vor der Bluttat noch als «Musterbeispiel» für eine gelungene Integration durchgegangen.

Wegen der Schwere des Falles hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.

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