Mega-Tsunami in Grönland – seismische Signale waren tagelang auch in der Schweiz messbar
200 Meter hohe Wellen blieben lange unbemerkt

Ein riesiger Tsunami verwüstete im September 2023 einen abgelegenen Fjord in Grönland – und fast niemand bemerkte es. Erst die weltweiten seismischen Signale enthüllten das ganze Ausmass der Naturgewalt.
Publiziert: 13.09.2024 um 21:41 Uhr
|
Aktualisiert: 16.09.2024 um 10:41 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Gigantischer Tsunami zerstört Forschungsstation in Grönland
  • Der Tsunami war 200 Meter hoch und dauerte neun Tage
  • Seismisches Signal wurde noch in 5000 Kilometern Entfernung gemessen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Christina_Benz_Praktikantin News–Desk_Ringier AG_3-Bearbeitet.jpg
Christina BenzPraktikantin News

Am 16. September 2023 kam es in einem abgelegenen Fjord an der Ostküste Grönlands zu einem gigantischen Tsunami. Dabei wurde eine Forschungsstation zerstört. Die Station lag in einer der entlegensten Regionen der Welt. Zum Glück war niemand vor Ort, als die Flutwelle die Station verwüstete und Schiffscontainer und Ausrüstung ins Meer riss.

Aber wie kam es zu dem Mega-Tsunami? Eine aktuelle Studie von Angela Carrillo Ponce und ihrem Team, die im Fachmagazin «The Seismic Record» veröffentlicht wurde, erklärt es. «Als wir die Messdaten das erste Mal sahen, wussten wir sofort: Hier ist etwas komplett Verrücktes passiert», erzählt die Forscherin.

Ausgelöst durch einen Felssturz

Ausgelöst wurde das Ganze durch einen riesigen Felssturz im engen Dickson-Fjord. 200 Meter hohe Wellen entstanden – fast so hoch wie das höchste Gebäude der Schweiz (Roche Tower 2, Basel: 205 Meter).

Ein 200 Meter hoher Tsunami zerstörte im September 2023 eine Forschungsstation an der Küste Grönlands und liess die Erde neun Tage lang vibrieren.
Foto: Dänische Armee
1/5

Ein etwa 0,025 Kubikkilometer grosser Fels – etwa so gross wie ein Würfel mit 300 Meter langen Kanten – stürzte aus 300 bis 400 Metern Höhe in den Fjord. Als der Fels mit voller Wucht ins Meer stürzte, erhoben sich riesige Wassermassen, die dann durch den engen Fjord zurückgeworfen wurden. Dieses Hin- und Herschwappen des Wassers erzeugte eine sogenannte stehende Welle. Zunächst ganze 200 Meter hoch, verlor sie immer mehr an Intensität. Ganze sieben Tage ging es, bis die Welle verschwunden war. 

Der Mega-Tsunami liess die Erde neun Tage lang vibrieren. Das seismische Signal konnte noch in 5000 Kilometern Entfernung gemessen werden – also auch in der Schweiz. 

Besonders beeindruckend ist, dass die Forscher diesen Tsunami präzise rekonstruieren konnten. Mithilfe von Satellitenbildern und seismischen Daten verfolgten sie den gesamten Verlauf des Felssturzes – vom ersten Abrutschen des Felsens bis zum Aufprall ins Meer.

Gefahr durch Klimawandel wächst

Für die Forschenden steht fest: Solche Mega-Tsunamis könnten in Zukunft häufiger vorkommen. Durch den Klimawandel schmilzt der Permafrost, der bisher viele Berghänge in der Region stabil gehalten hat. Dadurch steigt das Risiko für weitere Felsstürze und damit auch für Tsunamis in dieser abgelegenen, aber geologisch aktiven Region.

Nicht nur die Auswirkungen eines einzelnen Felssturzes zeigen, wie instabil der Permafrost in der Region geworden ist. Eine andere, Anfang August veröffentlichte Studie in der Fachzeitschrift «Pnas» zeigt, dass die Eisdecke nicht so stabil ist, wie bisher angenommen. Forscher fanden Fossilien drei Kilometer tief unter dem Schelfeis im Nordwesten Grönlands. Dies zeigt, dass die Region vor rund 400'000 Jahren eisfrei war. 

«Wir verzeichnen einen Anstieg von 50 Prozent mehr Kohlendioxid, weshalb wir die Hitzerekorde brechen. Es ist, als würde man eine Decke über die Erde werfen. Es wird wärmer. Der riesige Eiswürfel schmilzt», sagt Paul Bierman, Professor für Umweltwissenschaften an der Universität Vermont.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?