Hier schreien indische Männer wegen Perioden-Schmerzen
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Experiment mit Simulator:Hier schreien indische Männer wegen Perioden-Schmerzen

Menstruations-Simulator gegen Diskriminierung
Indische Männer schreien vor Periodenschmerzen

In Indien ist Menstruation immer noch ein Tabuthema. Dieses soll nun angegangen werden, indem Männer den Schmerz von Periodenkrämpfen hautnah erleben. Die Idee zeigte bereits Erfolge.
Publiziert: 03.09.2022 um 20:01 Uhr

Mit gezückten Handys und einem etwas verhaltenen und doch amüsierten Grinsen im Gesicht stehen die indischen Frauen im Kreis. Die Männer sitzen in der Mitte auf Stühlen und krümmen sich schreiend vor Schmerzen, die ihnen von dem Menstruationssimulator über zwei Kabel in den Körper geleitet werden.

Wie in vielen Ländern auf der Welt ist auch in Indien die Menstruation – und alles, was dazu gehört – immer noch ein Tabuthema. In vielen Gegenden gelten Frauen noch immer als unrein, wenn sie menstruieren. Sie werden von gesellschaftlichen und religiösen Veranstaltungen, ja sogar von der Küche ferngehalten. Eine neue Kampagne möchte das ändern.

«Ich möchte das nie wieder erleben»

«Das tat wirklich weh. Ich möchte das nie wieder erleben», sagt der Influencer Sharan Nair zur BBC. Er hat den Simulator in einem Einkaufszentrum in Kerala im Südosten des Landes ausprobiert. Während «die Männer, mich eingeschlossen, brüllten und den Laden zum Beben brachten», haben die Frauen «nichts gespürt», erinnert er sich. Einige der jungen Männer schrien sogar, man solle sofort das Gerät ausschalten.

Im indischen Bundesstaat Kerala stehen Menstruationssimulatoren im Einkaufszentrum.
Foto: Screenshot Cup of Life
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Diese Reaktion sei keine Seltenheit – im Gegenteil, sagt Akhil Manuel von der örtlichen Sektion der Indian Medical Association. «Frauen zucken nicht einmal bei Stufe neun zusammen, während es den Männern schwerfällt, über vier hinauszukommen, obwohl der Simulator nur 10 Prozent des tatsächlichen Schmerzes überträgt», erzählt er der BBC.

«Cup of Life» stellt Weltrekord auf

Ins Leben gerufen wurde das Projekt von dem lokalen Kongress-Abgeordneten Hibi Eden (39) und der Indian Medical Association, die Ärzte vertritt. Nun stehen überall im Bundesstaat Kerala Menstruationssimulatoren – ob im Shoppingcenter oder an der Uni.

Die aufgestellten Schmerz-Simulatoren bilden den Gipfel eines Kampagnen-Berges. Bereits vor einigen Monaten startete der Abgeordnete Eden im Rahmen des Projekts «Cup of Life» eine Initiative, bei der Tausende Menstruationstassen an Frauen in dem Dorf Kumbalangi gespendet wurden. Anfang des Jahres erklärte der Gouverneur von Kerala Kumbalangi sogar zum ersten Tampon-freien Dorf Indiens.

Am Mittwoch endete die «Cup of Life»-Kampagne mit der Verteilung von 100'000 Menstruationstassen. Damit wurde sogar ein neuer Weltrekord aufgestellt. Unter ihrem Instagram-Post schrieben die Leiter: «Das ist der Start einer Revolution.»

Ziel ist ein offener Umgang mit Menstruation

Mit dem Schmerz-Simulator bringen die Organisatoren das Thema nun wirklich hautnah unter die Menschen. Der Simulator helfe den Männern zu verstehen, wie lähmend es sei, jahrelang unter solch starken Schmerzen zu leiden, sagt die Rechtsanwältin Sandra Sunny, eine der Frauen hinter der Aktion. «Für die Männer ist es eine Maschine, die sie anhalten können. Aber wir können das nicht.»

Ziel der Kampagne ist es, Hemmungen abzubauen, die ein offenes Gespräch über Menstruation erschweren. Die Menschen hinter der Kampagne wollen eine offene Diskussionen anregen und eine gesunde, fortschrittliche Einstellung zur Menstruation schaffen. Und das sei ihnen bereits gelungen: In den Colleges im Distrikt Ernakulam habe der dortige Simulator grosse offene Diskussionen entflammt, heisst es im Beitrag der BBC.

«Wenn man die Jungs in der Schule direkt fragt, was sie über Menstruationsbeschwerden wissen, reden sie nur ungern darüber», erklärt Anwältin Sunny. Nach der Erfahrung mit dem Simulator seien sie viel offener.

Menstruation ist immer noch ein Tabuthema

So kann eine nachhaltige Verbesserung eingeleitet werden. Bislang ist die Gesundheit von Frauen, besonders im Zusammenhang mit der Menstruation, ein wenig diskutiertes Thema. Obwohl es sich in städtischen Gebieten langsam ändert, fühlen sich viele Frauen immer noch unwohl, mit ihrem Arbeitgeber oder sogar nur schon mit männlichen Familienangehörigen über ihre Periode zu sprechen – auch wenn sie Tag und Nacht von höllischen Krämpfen geplagt werden. Lieber beissen sie die Zähne zusammen.

Einige Unternehmen weltweit haben begonnen, Frauen während ihrer Periode Urlaub zu geben. Doch diese Idee ist sehr umstritten. Die Organisatoren der Kampagne in Kerala sind bereits glücklich, wenn sie einen allgemeinen Mentalitätswandel herbeiführen können. (hei)


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