Merkels Ex-Berater schlägt Alarm – So konkret ist der Ukraine-Einmarsch
«Putin strebt die Wiederherstellung eines russischen Reiches an»

Eine russische Truppe mit über 100'000 Soldaten steht an der Grenze zur Ukraine. Für Merkels ehemaligen Berater ist klar: Putin will expandieren. Russland-Kenner Thomas Jäger schätzt für Blick die Gefahr ein.
Publiziert: 28.12.2021 um 20:22 Uhr
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Aktualisiert: 11.01.2022 um 14:38 Uhr
Guido Felder

An der ukrainische-russischen Grenze brennts – und wie. Der russische Präsident Wladimir Putin (69) hat seine Armee in Stellung gebracht. Die Truppen sind offenbar über 100'000 Mann stark. Die Ukrainer befürchten deswegen, dass Putin in ihr Land einmarschieren und den Osten besetzen könnte.

Und die Bedrohung scheint real. Russland hat am Dienstag einen Krieg nicht ausgeschlossen. «In der letzten Zeit ist die Allianz zu einer Praxis direkter Provokationen übergegangen, die ein hohes Risiko darstellen, sich zu einer bewaffneten Konfrontation auszuweiten», sagte der stellvertretende russische Verteidigungsminister Alexander Fomin (62) vor Diplomaten in Moskau mit Blick auf die Nato.

Und genau deswegen schlägt Christoph Heusgen (66), langjähriger Berater der ehemaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel (67) und zukünftiger Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, im «Spiegel» Alarm: «Putin strebt eine Wiederherstellung eines russischen Reiches an, das an die Sowjetunion erinnert.» Putin sehe die USA und Europa durch die Regierungswechsel und wegen des Afghanistan-Desasters als geschwächt an und suche nach einem Anlass, in die Ukraine einzumarschieren.

Die Russen haben ihre Geschütze aktiviert, wie hier der Mehrfachraketenwerfer TOS-1.
Foto: keystone-sda.ch
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Er fordert vom Westen eine harte Haltung gegenüber Putins Expansionsgelüsten. Dazu zählt er etwa Sanktionen wie den Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem Swift sowie eine Blockade der Pipeline Nord Stream 2, in der russisches Gas nach Europa transportiert wird.

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Anlass für militärische Massnahmen

Wie wahrscheinlich ist der Einmarsch? Eine Prognose über Putins Pläne ist schwierig. «Es ist keine Entwicklung auszuschliessen. Wenn Präsident Putins Forderung nach einer de-facto russischen Einflusszone in Osteuropa nicht erfüllt wird, könnte dies als Anlass für militärische Massnahmen herangezogen werden», sagt Thomas Jäger (61) vom Lehrstuhl für Internationale Politik und Aussenpolitik an der Universität zu Köln zu Blick.

Aber auch ein weiterer Grund könnte zu einem Krieg führen. Jäger: «Ganz auszuschliessen sind auch Fehlhandlungen nicht, da an der russisch-ukrainischen Grenze nun viel Militär stationiert ist.»

Verschärfte Bedrohungslage der osteuropäischen Staaten

Einem Einmarsch würden wohl hybride Massnahmen vorausgehen, um in Russland und Teilen der Ukraine die öffentliche Meinung zu gewinnen. Der Einmarsch selber würde anfänglich wohl am ehesten aus einem Vorrücken im Osten, begleitet von Landgewinnen im Süden bestehen, meint Jäger.

Dabei komme es darauf an, wie effektiv der Widerstand der ukrainischen Streitkräfte sein werde. Jäger: «Das ist für die Entscheidung Russlands kurzfristig die wichtigste Frage.» Dass weitere Staaten involviert würden, glaubt er nicht. Allerdings würde sich die Bedrohungslage der osteuropäischen Staaten umgehend verschärfen.

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Hoffnungen auf den 10. Januar

Dass die Nato-Staaten Russland eine Einflusszone in Osteuropa zugestehen und, wie von Moskau verlangt, auf die Aufnahme weiterer Staaten im Osten verzichten würde, hält Jäger für ausgeschlossen. Allerdings könnte eine Verschärfung des amerikanisch-chinesischen Konflikts mittelfristig dazu führen, dass man «einen Ausgleich mit Russland» dennoch als notwendig erachten werde.

Grosse Hoffnungen werden nun auf den 10. Januar 2022 gesetzt. Dann treffen sich die russische und amerikanische Führung in Genf. Auch über das Genfer Treffen hinaus werden die diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation im Januar deutlich Fahrt aufnehmen. Die Nato plant für den 12. Januar Gespräche mit Russland, die Moskau aber noch nicht bestätigt hat. Laut US-Regierung soll es am 13. Januar ausserdem ein Treffen des ständigen Rats der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geben.

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