Rechtsmedizinerin sagt vor Gericht aus
Toter Wildcamper in Jestetten hätte gerettet werden können

Der Prozess um den am Rhein getöteten St. Galler geht in die nächste Runde. Dabei sagt die Medizinerin aus, die den Toten obduziert hat. Laut ihr hätte das Opfer überleben können.
Publiziert: 17.01.2024 um 17:49 Uhr

Es ist der sechste Verhandlungstag vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen gegen einen 39-jährigen Letten. Dieser soll am 8. Juni 2023 den 31-jährigen Wildcamper aus St. Gallen mit einem massiven Holzstück erschlagen haben.

Als die Rechtsmedizinerin Vanessa Thoma an diesem Tag gegen Abend in Jestetten (D) eintrifft, findet sie eine Leiche, die mit einer kleinen Plane abgedeckt ist. Völlig entkleidet, halb im Wasser, halb an Land. Passanten hatten den Leichnam einige Stunden zuvor entdeckt.

Jetzt sagte die Freiburger Medizinerin vor Gericht aus, wie der «Südkurier» berichtet. Bereits am Fundort der Leiche seien Thoma Verletzungen an Kopf und Extremitäten aufgefallen, die nicht auf einen einfachen Sturz hindeuteten.

Der getötete St. Galler Wildcamper hätte noch gerettet werden können.
Foto: keystone-sda.ch
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«Der Mann hätte gerettet werden können»

Einen Tag später führte sie eine Obduktion durch. Verletzungen an Beinen und Rücken, Wunden am Schädel und Abwehrverletzungen an den Händen. «Da fehlt sogar ein Stück Ohr», zitiert die deutsche Zeitung den Vorsitzenden Richter der Schwurgerichtskammer.

Die Todesursache: stumpfe Hirn-Traumata durch mindestens sechs heftige Schläge mit einem Gegenstand gegen den Kopf. Kleine Fragmente, vermutlich von einem Holzstück, übergab die Medizinerin einer Kriminalbeamtin. Welche Verletzungen zuerst entstanden sind, lässt sich laut Thoma nicht mehr feststellen. Aber: «Das Gesamtbild spricht klar für eine Tötung».

Trotz der vielen Verletzungen sagte die Rechtsmedizinerin vor Gericht: «Der Mann hätte gerettet werden können.» Denn die Kopfverletzungen seien nicht so schwer gewesen – erstaunlicherweise sei die harte Hirnhaut unter der Schädeldecke unversehrt geblieben.

Urteilsverkündung am 25. Januar

Unklar bleibt, ob der Getötete von hinten oder von vorne angegriffen wurde. Laut Thoma könne der Kopf aus verschiedenen Positionen und Winkeln gut getroffen werden. Offen ist auch, ob sich der 31-Jährige nach der Attacke selbst ins Wasser gezogen hat. Dagegen sprechen jedoch Hämatome an den Achseln, die auf ein Greifen hindeuten. Der vom Gericht vermutete Todeszeitpunkt wird laut «Südkurier» von der Gerichtsmedizinerin bestätigt.

Am 18. Januar findet der nächste Prozesstag statt, an dem noch der psychologische Sachverständige zu Wort kommt. Danach beginnt der erste Vertreter der Nebenklage mit seinem Plädoyer. Da Staatsanwältin Rahel Diers und Verteidiger Urs Gronenberg aufgrund der Komplexität des Indizienprozesses mehr Vorbereitungszeit für ihre Plädoyers erbaten, ist die Urteilsverkündung für den 25. Januar vorgesehen. (gs)

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