Russland droht dem Westen mal wieder mit Atomschlägen – das steckt dahinter
«Putin will die Kriegsmüdigkeit des Westens ausnutzen»

Russland hat seine Nuklear-Doktrin überarbeitet und festgelegt, wann Moskau seine Atomwaffen benutzen würde. Das alles wirkt wie eine perfide Drohung. Eine Drohung, die man aber ernst nehmen muss, sagt Russland-Expertin Gulnaz Partschefeld. Das sind die Gründe.
Publiziert: 26.09.2024 um 20:11 Uhr
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Aktualisiert: 27.09.2024 um 11:04 Uhr

Auf einen Blick

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Putin hat seine atomaren Drohungen gegen den Westen verschärft.
Foto: IMAGO/SNA
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Rote Linien liegen voll im Trend. Nicht in der Herbstmode, sondern in der Geopolitik. Wladimir Putin (71) hat gerade wieder ein paar neue gezogen und sie im typisch bedrohlichen Bariton der Weltöffentlichkeit verkündet. Ein ukrainischer Angriff auf Russland mit Waffen, die von einer Nuklearmacht geliefert worden seien, würde Moskau als Angriff ebendieser Nuklearmacht deuten. Und entsprechend sühnen!

Das hält die neue russische Nuklear-Doktrin fest. Im Klartext heisst das: Wenn Washington, Paris oder London auf die Idee kämen, der Ukraine grünes Licht für die Verwendung ihrer Langstreckenwaffen auf russisches Territorium zu geben, dann hätte das einen atomaren Gegenschlag zur Folge. Doch auch wenn der nukleare Weltuntergang weiter unwahrscheinlich bleibt: Putins neue Drohung hat einen unheimlichen Nebeneffekt.

Putins Trick mit der Kriegsmüdigkeit

«Russland will damit den Westen destabilisieren», sagt Gulnaz Partschefeld (43). Die Propaganda-Expertin hat bis 2006 als Nachrichtensprecherin für den russischen Staatssender gearbeitet und lehrt heute an der Universität St. Gallen russische Kulturgeschichte. «Putin will die Kriegsmüdigkeit des Westens ausnutzen.» Der russische Präsident treibe immer erfolgreicher einen Keil zwischen jene Staaten, die der Ukraine die Stange halten wollen, und jene, die endlich ein Ende des Gemetzels fordern – was immer das für die Ukraine auch bedeuten würde.

Aber gleich mit Atomkrieg drohen, wenn die Ukraine ihre vom Westen gelieferten Waffen einsetzt? «Putin muss den Grad der Drohung steigern und die Eskalation vorantreiben, um seine Macht in den Augen des russischen Volkes zu rechtfertigen. Und natürlich will er die Diskussionen um westliche Waffenlieferungen an die Ukraine beeinflussen», sagt Partschefeld zu Blick.

Dass ihm dies gelingt, zeigt sich dieser Tage etwa rund um die Uno-Vollversammlung in New York. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) wirkt zusehends einsam mit seiner Forderung, sich erst dann mit Russland an den Verhandlungstisch zu setzen, wenn die russischen Truppen wieder aus der Ukraine vertrieben worden seien. Jetzt schon zu verhandeln, käme einer ukrainischen Kapitulation gleich, betont Selenski.

Selenski warnt vor neuen Angriffsplänen

Trotzdem: Putins rote Linien treffen bislang ins Schwarze. Deutschland hat bereits abgewunken und hält daran fest, dass die Ukraine keine deutschen Langstreckenwaffen für Angriffe auf russisches Territorium nutzen dürfe. Die USA und Grossbritannien halten sich bedeckt. Einzig die baltischen Staaten sagen: «Feuer frei!»

Putin, so scheint es, hat mit seiner Taktik zusehends Erfolg. Sollte Selenskis Warnung vom Mittwoch stimmen und sollte Russland tatsächlich Angriffe auf nicht weniger als drei ukrainische Atomkraftwerke planen, dann droht seinem Land (und je nach Wetter- und Windverhältnissen weiten Teilen Europas) sowieso bald ein nukleares Schreckens-Szenario. Ohne, dass die Ukraine nach Russland zurückschiessen darf.

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