So krempelt Maduro Venezuela um
«Ein diktatorischer Akt»

Venezuelas Staatschef Maduro treibt den befürchteten Umbau des Landes zu einer sozialistischen Diktatur voran. Eine gefährliche Widersacherin wird abgesetzt. Als nächstes dürfte es für Oppositionspolitiker eng werden.
Publiziert: 06.08.2017 um 03:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:40 Uhr
Baut Venezuela nach seinem Gusto um: Staatspräsident Nicolas Maduro.
Foto: Reuters

Nach der Absetzung der kritischen Chefanklägerin Luisa Ortega wächst die Sorge vor einer sozialistischen Diktatur in Venezuela. Dies sei der «erste diktatorische Akt einer illegitimen Verfassungsgebenden Versammlung», sagte Kolumbiens Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos. Die von Staatschef Nicolás Maduro eingesetzte Versammlung hat das bisherige, von der Opposition dominierte Parlament ersetzt. Neben der Arbeit an einer neuen Verfassung hat sie weitreichende Entscheidungsvollmachten.

Die venezolanische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz warnte nach ihrer Absetzung in den Medien, dass in Venezuela ein Putsch gegen die Verfassung im Gange sei.
Foto: KEYSTONE/AP/WIL RIERA

Generalstaatsanwältin Ortega des Amtes enthoben

So setzten die 545 Versammlungsmitglieder in der ersten Arbeitssitzung die Generalstaatsanwältin ab, die Venezuela unter Maduro auf dem Weg zur Diktatur sieht. «Ich stelle fest, dass in Venezuela ein Putsch gegen die Verfassung in vollem Gange ist», teilte Ortega mit. Sie war Anfang 2008 unter dem damaligen Präsidenten Hugo Chávez ins Amt gekommen und hatte dessen Nachfolger Maduro lange unterstützt. Zuletzt stellte sie Maduro wegen ihrer Kritik als «Komplizin» der Opposition dar.

Ortegas Konten wurden eingefroren. Sie darf das Land nicht verlassen. Kurz vor der Absetzung hatten Soldaten sogar ihren Amtssitz abgeriegelt. Zu ihrem Nachfolger wurde ein Vertrauter Maduros, Tarek Willian Saab, ernannt.

Einführung einer «Wahrheitskomission»

Als nächstes kündigte die Präsidentin der sogenannten Volksversammlung, die frühere Aussenministerin Delcy Rodríguez, für Sonntag die Einsetzung einer «Wahrheitskommission» ein. Sie solle alle politischen Verbrechen und Gewalttaten seit Machtübernahme der Sozialisten 1999 aufarbeiten.

Rodríguez machte deutlich, dass «die Rechte in Venezuela» zur Rechenschaft gezogen werden solle. Maduro sprach wiederholt von reservierten Gefängniszellen für Oppositionspolitiker. Die Opposition fürchtet, dass die Immunität von Abgeordneten aufgehoben werden könnte.

Parallelparlament

Die Arbeit der Versammlung an einer neuen Verfassung soll bis zu zwei Jahre dauern, was auch die Ende 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen nach hinten verschieben könnte. Die von Chávez entwickelte Verfassung sieht eine Gewaltenteilung vor.

Von einer «Stunde null» ist nun in Caracas die Rede. In den vergangenen Tagen kamen kaum noch Menschen zu Demonstrationen. Mit Vollzug der Versammlung und Zunahme der Repression könnte der Protesteifer zum Erliegen kommen. Seit Anfang April wird gegen Maduro demonstriert, über 120 Menschen kamen bisher ums Leben.

Eigentlich hätte nur das Parlament Chefanklägerin Ortega absetzen können, aber durch die Schaffung der «Volksversammlung» wurde die zur Feindin vieler Sozialisten gewordene Juristin nun kurzerhand von dem neuen Gremium enthoben. Viele Staaten erkennen das Parallelparlament aber nicht an. Maduro preist das Gremium als Vertretung des Volkes. Darin sitzen aber fast nur Anhänger der Sozialisten, darunter Maduros Frau und sein Sohn.

Die Mitgliedschaft Venezuelas im südamerikanischen Wirtschaftsbund MERCOSUR wurde wegen Verstössen Maduros gegen demokratische Prinzipien dauerhaft auf Eis gelegt. Das teilten die Aussenminister von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay nach einer Sondersitzung in Brasilia mit. Venezuelas Mitgliedschaft war 2016 vorübergehend ausgesetzt worden. MERCOSUR-Mitglieder profitieren von Zoll- und Handelserleichterungen.

Einzug ins Parlament

«Mit heroischem Mut, in den Händen des Volkes, wird die Verfassungsgebende Versammlung den Frieden zurückbringen», sagte Maduro zur Einsetzung des Gremiums. Die 545 Mitglieder waren am Freitag mit Porträts von Staatsgründer Simón Bolívar und Chávez, dem Begründer des Sozialismus-Projekts, in das Parlamentsgebäude eingezogen. Die Porträts waren Anfang 2016 von der Opposition nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl abgehängt worden.

«Nichts und niemand wird die neue Geschichte verhindern. Wir werden siegen», sagte Maduro. Tatsächlich scheint der wochenlange Machtkampf in Caracas vorerst entschieden. Die neue Versammlung war auch von Papst Franziskus kritisiert worden - ein Appell an den Katholiken Maduro verhallte aber wirkungslos, wie alle anderen Mahnungen auch.

Mehrere Staaten drohen mit Sanktionen, die USA etwa halten sich einen Erdöl-Importstopp offen. Venezuela hat über 300 Milliarden Barrel an Erdölreserven der Welt, aber die Wirtschaft liegt brach und es gibt eine schwere Versorgungskrise. (SDA)

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