Hier wird das Auto ins Meer gespült
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Griechenland im Wetterchaos:Hier wird das Auto ins Meer gespült

Hunderte Menschen sassen seit letzter Nacht fest
Fähre in Griechenland kann nach schweren Unwettern endlich anlegen

In wenigen Tagen fällt in Griechenland so viel Regen wie in manchen Regionen in einem Jahr. Die Unwetter führten dazu, dass eine Fähre mit Hunderten Menschen an Bord stundenlang am Hafen in Volos nicht anlegen konnte.
Publiziert: 06.09.2023 um 09:48 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2023 um 15:39 Uhr

Wegen der schweren Unwetter in Mittelgriechenland haben Hunderte Menschen die Nacht auf Mittwoch auf der Fähre Superstar im Meer vor der Hafenstadt Volos verbracht. Am Mittwochmorgen lag das Schiff der Reederei Seajets noch mehrere Seemeilen vom Hafen entfernt, wie auf der Seefahrts-Plattform Marinetraffic zu sehen war. Medienberichten zufolge hatte die Hafenpolizei von Volos das Anlegen der Fähre untersagt, weil der Hafen zuvor unter Wasser stand und auch die Verkehrssituation in der Stadt so schwierig sei. Erst am Nachmittag konnte das Schiff offenbar anlegen, wie Marinetraffic zeigt.

Auch der Flughafen der Sporaden-Insel Skiathos blieb stark beeinträchtigt, dort mussten laut Flughafensprecher Savvas Karagiannis ebenfalls mehrere Hundert Menschen übernachten. Er könne nicht sagen, wann der Flughafen den Betrieb wieder vollständig aufnehmen werde. «Es sind unglaubliche Wassermengen heruntergekommen, die Zufahrtsstrassen sind gesperrt.» Die Menschen würden mit Essen und Wasser versorgt. 

In Mittelmeerländern wie Griechenland und Spanien machen extremer Stark- und Dauerregen sowie Unwetter den Menschen zu schaffen. Auch in der Nacht auf Mittwoch haben die schweren Unwetter weiter angehalten. «Innerhalb von zwei bis drei Tagen kommt es dort punktuell zu so viel Niederschlag wie in manchen Regionen Deutschlands im ganzen Jahr», erklärte Meteorologe Felix Dietzsch vom Deutschen Wetterdienst (DWD) der Deutschen Presse-Agentur. «Die Situation ähnelt der im Ahrtal 2021, nur mit einem Vielfachen der Regenmenge.» 

In Griechenland sassen Hunderte Menschen auf einer Fähre fest.
Foto: MARINETRAFFIC
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«Regenmengen haben Seltenheitswert»

Was ist der Grund für die Extrem-Niederschläge? Laut Dietzsch ist es «ein zufälliges Zusammenspiel mehrerer Faktoren». Aktuell herrsche eine angespannte Grosswetterlage in Europa, eine sogenannte Omega-Wetterlage. Über Deutschland gibt es demnach ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet, um das die Luft sozusagen herum fliesst. «An der südwestlichen und südöstlichen Flanke dieses Hochdruckgebiets bilden sich Tiefdruckgebiete aus. Diese treffen derzeit auf Spanien und Griechenland und sind dort sehr ortsfest» – sie blieben also lange.

In Kombination mit einer sehr feuchten, warmen und instabilen Luftmasse führe das zu langanhaltendem Starkregen in Verbindung mit Gewittern. Zudem stosse diese Verbindung auf Gebirge, die zum Abregnen zwingen. «Die Regenmengen haben auch in unseren bekannten Statistiken ausserordentlichen Seltenheitswert. Das ist wirklich extrem», so Dietzsch.

Wegen der schweren Unwetter und sintflutartigen Regenfälle in Mittelgriechenland sind die Menschen in den besonders stark betroffenen Städten und Regionen am Dienstagabend aufgefordert worden, ihre Wohnungen und Häuser nicht zu verlassen. Die gewaltigen Wassermassen haben bereits ein Menschenleben gefordert und in der Region Thessalien samt der griechischen Hafenstadt Volos zu grossen Schäden geführt. 

«Noch nie gesehen»

Solche sintflutartigen Regenfälle gibt es sonst nicht einmal in den regenreicheren Wintermonaten. Meteorologen betonen, so etwas «noch nie gesehen» zu haben. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis besuchte am Dienstag den Zivilschutz, um sich über die Lage zu informieren.

Dort sollen ihm die Wetterexperten gesagt haben, es handele sich möglicherweise bereits um die stärksten Regenfälle in Griechenland seit Beginn der Aufzeichnung – dabei soll es noch bis Donnerstag so weitergehen. Der staatliche Wetterdienst Meteo meldete am Dienstagabend einen Regenrekord. In der Ortschaft Zagora nordöstlich von Volos wurde eine Niederschlagsmenge von 754 Litern pro Quadratmeter gemessen. Zum Vergleich: Bei der Ahrtal-Flut im Juli 2021 lagen die Niederschlagsmengen zwischen 100 und 200 Litern pro Quadratmeter.

In den Morgenstunden des Mittwochs hat Sturmtief «Daniel» wieder an Fahrt aufgenommen. Während sich die Situation auf den Inseln Skiathos, Skopelos und Alonnisos zwischenzeitlich leicht entspannte, wütete das Sturmtief weiterhin in der Region Thessalien. Der Zivilschutz warnte erneut vor den Auswirkungen und verhängte für die dortigen Gemeinden der Städte Farsala und Karditsa Fahrverbote, damit die Rettungsfahrzeuge freie Fahrt haben. Unterdessen erhöhte sich die Opferzahl nach Unwettern nahe der griechischen Grenze auf vier. In der Provinz Kirklareli war es am Dienstagnachmittag ebenfalls zu Überschwemmungen aufgrund von Starkregen gekommen.

Auch Bulgarien und Türkei betroffen

Starkregen und schwere Gewitter gab es auch in Bulgarien und im Westen der Türkei. In Bulgarien kamen seit Dienstag an der südlichen Schwarzmeerküste drei Menschen ums Leben, weitere drei wurden vermisst. Für die Todesopfer des Hochwassers wurde in der südöstlichen Gemeinde Zarewo am Mittwoch ein Trauertag ausgerufen. In anderen bulgarischen Städten fielen aus Solidarität zahlreiche Feierlichkeiten aus, die für den landesweiten Festtag am Mittwoch anlässlich der Wiedervereinigung Bulgariens geplant waren.

Auch in der Türkei gab es zwei Tote und vier Vermisste. Mehrere Menschen seien im Raum Istanbul verletzt worden, sagte der türkische Innenminister Ali Yerlikaya (54) am Mittwochmorgen. Die Behörden warnten vor weiteren Unwettern im Westen und Südwesten des Landes. Es könne zu Sturzfluten, Blitzeinschlägen und Sturm kommen. Die starken Regenfälle folgen auf einen trockenen Sommer mit Hitzerekorden in der Türkei. Die Wasserreservoirs der 16-Millionen-Metropole Istanbul befinden sich auf dem niedrigsten Stand seit dem Vergleichszeitraum in 2014.

Ein Einzelereignis lässt sich kaum auf den Klimawandel zurückführen. Klar ist laut Experten aber, dass die aufgeheizte Luft und die hohen Wassertemperaturen im Mittelmeer zu mehr Wasserverdampfung führen. An anderer Stelle regnet dieses Wasser wieder ab. Generell führt der menschengemachte Klimawandel zu häufiger auftretenden Extremwetterphänomenen. (ene/neo/SDA)

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