Hier bricht der Attentäter von Strassburg in eine Apotheke ein
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Chérif Chekatt ist vorbestraft:Hier bricht der Attentäter von Strassburg in eine Apotheke ein

Terrorist von Strassburg war ein Profi-Dieb
So wütete Chérif Chekatt in der Schweiz

Strassburg-Schütze Chérif Chekatt (29) machte Europa jahrelang als Kriminaltourist unsicher. Auch immer wieder in der Schweiz – mindestens neun Mal schlug er zu. Dafür wurde er in Basel auch zu Haft verurteilt.
Publiziert: 12.12.2018 um 21:28 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2018 um 11:26 Uhr
Attentäter Chérif Chekatt ist tot. Sein letztes Bild zeigt ihn liegend vor einer Haustür. Neben ihm ein Revolver.
Foto: Twitter
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Beat Michel, Michael Sahli und Helena Schmid

Chérif Chekatt (29) ist trotz seines jungen Alters eine gescheiterte Existenz. Minimale Schulbildung, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und immer wieder Knast: Das Leben des Terroristen ist geprägt von Misserfolgen. In der Schweiz sind mindestens neun Einbrüche aktenkundig. Seine Schweizer Opfer sind geschockt, dass es ausgerechnet der spätere Strassburg-Attentäter war, der einst bei ihnen einstieg.

Aufgewachsen ist der 29-jährige französische Staatsbürger in einem algerischen Elternhaus am südlichen Stadtrand Strassburgs. Chekatt hat sechs Geschwister. Er ist ein schlechter Schüler, schafft gerade so die obligatorische Schulzeit. Mit 13 wird er zum ersten Mal wegen einer Straftat verurteilt. Eine Lehre absolviert er nie. Stattdessen hat er bei der Gemeinde gejobbt, rutscht aber 2011 endgültig in die Arbeitslosigkeit. Er sei viel gereist, soll der Terrorist immer erzählt haben.

«Es ist unheimlich, dass er bei uns im Lokal stand»

Tatsächlich kommt der Franzose viel herum, wie seine Strafakte eindrücklich belegt. Chekatt sitzt in mindestens drei verschiedenen Ländern im Gefängnis – unter anderem auch in der Schweiz. 2008, im Alter von 19 Jahren, wird er in Frankreich wegen Einbruchs inhaftiert. 2012 macht er sich bei der Zürcher Polizei aktenkundig, ebenfalls wegen Vermögensdelikten. 

Nur ein Jahr darauf wird er in Basel zu einer eineinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt – wegen insgesamt neun Einbrüchen. Er wütete dabei durch die halbe Schweiz: Zahnarztpraxen, Büroräume und Kanzleien in Basel, ein Restaurant in Zug, ein Hotel in Winterthur ZH. Auch bei Privatpersonen ist Chekatt eingestiegen.

Als Erich Barth, Chef vom Restaurant Schiff in Zug, erfährt, wer damals bei ihm eingebrochen ist, fällt er aus allen Wolken. «Ich hatte schon den ganzen Tag so ein seltsames Gefühl», sagt er. Und weiter: «Es ist unheimlich, dass der Terrorist bei uns im Lokal stand.» Das war am 25. März 2012. Barth: «Er ging unglaublich dreist vor. Kletterte über eine Mauer und stieg quasi an den Schlafzimmerfenstern der Nachbarn vorbei bei uns ein.» Fast 5000 Franken Bargeld klaute er aus dem Tresor.

Rentner schlug den Terroristen in die Flucht

Zu Gesicht bekam das Personal des Restaurants den Einbrecher nie: «Er hinterliess nur einen Fussabdruck auf einem Campari-Kalender», erinnert sich Barth. Vor dem Einbruch sei ihm noch jemand aufgefallen, der das Lokal offenbar beobachtete: «Ich kann aber nicht sicher sagen, ob es sich dabei um Chekatt handelte.»

In die Basler Anwaltskanzlei von Stefan Suter ist der Terrorist in der Nacht auf den 1. März 2012 eingestiegen. Der Anwalt sagt: «Ich bin im Rückblick dankbar, dass nichts Schlimmeres passiert ist.» Er sei nämlich auch regelmässig in der Nacht in der Kanzlei: «Wer weiss, was passiert wäre, wenn ich ihn angetroffen hätte?»

Einer, der auf den Terroristen traf, war Hans D.* (†74) aus Gossau SG. Am 24. Juli 2012 schlug der mittlerweile verstorbene Rentner den Terroristen und seinen Komplizen eigenhändig in die Flucht. D. hörte, wie das Einbrecherduo durch das gekippte Badezimmerfenster in die Parterrewohnung einstieg. Als er die beiden ansprach, ergriffen sie die Flucht. Der Schweizer konnte den Komplizen des Attentäters noch fassen. Aber: Chérif Chekatt drehte um, riss seinen Mittäter weg.

«Ich wusste schon damals: Er war kein Amateur»

Das Duo entkam, und Chekatt zog weiter ins rund zehn Kilometer entfernte Uzwil SG. Sein Ziel: das Vier-Sterne-Hotel Uzwil. Der damalige Direktor Roland Rhyner (52) erinnert sich: «Die Nachtschicht rief mich an und erzählte mir von dem Einbruch. Ich fuhr sofort hin.» Im Hotel angekommen zeigte ihm die Polizei den Tatort: Der Terrorist hatte den Tresor leer geräumt – 8844 Franken waren weg.

Die grösste Beute ergaunerte Chekatt im Restaurant Ackermannshof in Basel. Rund 19'283 Franken und 400 Euro Bargeld stahl er in der Nacht auf den 28. April 2012. Dominic Lambelet (55) schloss das Restaurant vor dem Einbruch noch ab. «Als ich am Morgen den Laden sah, wusste ich schon: Das war kein Amateur, sondern ein organisierter Verbrecher. Er hatte kaum Spuren hinterlassen», so Lambelet.

Razzia in seinem Haus, nur Stunden vor dem Attentat

Nach abgesessener Haft in der Schweiz geht Chekatt 2016 der Polizei Singen (D) ins Netz, weil er in eine Zahnarztpraxis und in eine Apotheke eingebrochen ist. Wieder landet der spätere Todesschütze für ein Jahr hinter Gittern. Chekatt wird eine «rücksichtslose Persönlichkeit» attestiert. Im Februar 2017 wird er nach Frankreich ausgeschafft. Das Fazit seiner kriminellen Karriere: insgesamt 27 Verurteilungen, davon 20 in Frankreich.

Laut französischen Behördenangaben radikalisiert sich Chekatt in der Haft immer mehr. Bekommt 2016 eine sogenannte «Fiche S»-Akte und gilt damit als islamistischer Gefährder. Auch andere Familienmitglieder sollen zum islamistischen Spektrum gehören.

Kurz vor dem Anschlag wäre er noch um ein Haar verhaftet worden. Am Dienstagmorgen, nur Stunden vor dem Attentat, stürmen Polizeibeamte seine Wohnung. Von einem geplanten Anschlag wissen die Beamten nichts. Es soll bei der Razzia um versuchte Tötung während eines Raubüberfalls gegangen sein. Einzig: Chekatt ist nicht zu Hause. Stattdessen findet die Polizei Granaten, Munition und Messer – und rückt wieder ab.

Am Abend geht der Terrorist dann an den Weihnachtsmarkt. Und eröffnet das Feuer.

* Name geändert

Die Einbruchstour von Chérif Chekatt
Foto: Blick Grafik
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