Trotz Wirtschaftskrise und Corona-Pandemie
Erdogan baut sich neue Prunk-Paläste

Die Währung ist im Sturzflug, die Arbeitslosigkeit steigt. Dennoch baut der türkische Präsident Erdogan einen Palast nach dem andern – auf Kosten der Steuerzahler.
Publiziert: 08.10.2020 um 15:48 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2021 um 15:45 Uhr
Die Mondsichel ist von weit her zu sehen: Erdogans neuer Palast am Vansee.
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Guido Felder

Über 1000 Zimmer, eine Moschee, atombombensichere Bunker, geheime Tunnels und mit 40’000 Quadratmetern achtmal so gross wie das Weisse Haus in Washington: Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (66) bauen lässt, kleckert er nicht. Über eine halbe Milliarde Franken hat der Bau seines Präsidentenpalasts in Ankara 2014 verschlungen.

Doch der ist ihm offenbar nicht genug. Inzwischen hat Erdogan für sich bereits zwei weitere Prunk-Residenzen erstellen lassen, und dies, obwohl sich das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise befindet. Die Lira hat einen Kurssturz erlitten, die Arbeitslosigkeit ist auf rund 17 Prozent angestiegen. Dazu kommt nun auch noch die Corona-Pandemie, die den Tourismus als wichtige Einnahmequelle flachgelegt hat.

Palast am Vansee

Am Vansee, dem grössten See im Land, wurde im August ein 1071 Quadratmeter grosser Palast fertiggestellt. Die Grösse erinnert an die Schlacht von 1071 bei Manzikert, als die seldschukischen Türken ein Heer der Byzantiner besiegten.

Im Rasen vor dem Gebäude prangt eine von weither sichtbare grosser Mondsichel, das Symbol des konservativ-muslimischen Staates. Laut türkischen Medien soll der Bau 14 Millionen Euro gekostet haben. Wers glaubt.

Der Palast im Osten des Landes ist in zwei Einheiten aufgeteilt: Ein Teil ist für Erdogan und seine Familie reserviert, der andere für Staatspräsidenten, die auf Besuch sind. Einen Baustopp, den ein Gericht 2019 wegen Behinderung des Zugangs zum See verfügt hatte, hat Erdogan mit einer Gesetzesänderung kurzerhand aufgehoben.

50'000 Bäume für Zufahrt gefällt

Auch bei der Mittelmeer-Stadt Marmaris ist Erdogan am Bauen. In einer idyllischen Bucht entsteht eine mehrteilige Residenz mit 300 Zimmern, mit Pools, Personalunterkünften, Helikopter-Landeplatz, Kino und andern Vergnügungsbereichen. Die bescheidene 230 Quadratmeter grosse Villa des ehemaligen Präsidenten Turgut Özal (1927-1993) musste weichen.

Der Eingriff in die Natur ist – nach einer kurzfristigen Zonenplanänderung – massiv. Für eine 17 Kilometer lange Zufahrtsstrasse wurden rund 50’000 Bäume gefällt. Zudem wurde die bestehende Wiese kurzerhand in einen Sandstrand und das bisher natürliche Ufer in einen kreisförmigen, betonierten Hafen für Superyachten umgebaut.

Empörung bei Politikern

Die Kosten für die Prunkbauten sind nicht bekannt. Sicher ist aber, dass Erdogan seine Paläste nicht aus dem eigenen Sack bezahlt, sondern Steuergelder dazu verwendet.

Der Ärger bei Erdogans Gegnern ist daher gross. Gülizar Bicer Karaca (50) von der sozialdemokratischen Partei CHP sagt: «Während Millionen unserer Staatsbürger mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen haben, gönnt sich ein einziger Mann ein Schloss nach dem andern.»

CHP-Politiker Mürsel Alban (50) fordert: «Die Hauptrolle bei der Bekämpfung des Coronavirus spielt das Gesundheitspersonal. Daher sollte der Sommerpalast mit den 300 Zimmern, der von Präsident Erdogan nur eine Woche im Jahr genutzt wird, an Angehörige der Gesundheitsberufe für Ferien mit ihren Familien zur Verfügung gestellt werden.»

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