Starker Polizeischutz für vergifteten Nawalny
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Putin-Kritiker:Hier wird Nawalny ins Spital gebracht

Er liegt bewusstlos im Spital
Putin-Kritiker Nawalny vergiftet!

Der russische Regierungskritiker Alexej Nawalny (44) liegt nach Angaben seiner Sprecherin mit Vergiftungserscheinungen auf der Intensivstation. Sein Zustand ist offenbar kritisch. Eine deutsche Klinik möchte ihn gerne behandeln.
Publiziert: 20.08.2020 um 07:28 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2022 um 16:40 Uhr

Alexej Nawalny ist bewusstlos in ein Spital eingeliefert worden. Der russische Oppositionelle zeigt nach Angaben seiner Sprecherin Kira Jarmysch Vergiftungserscheinungen. Dies teilte sie am Donnerstagmorgen bei Telegram mit. Er sei an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden.

«Wir gehen davon aus, dass Alexej mit etwas vergiftet wurde, das in den Tee gemischt wurde. Es war das Einzige, was er am Morgen getrunken hat. Die Ärzte sagen, dass das Gift durch die heisse Flüssigkeit schneller absorbiert wurde», sagt Jarmysch. Ein Foto, das in den sozialen Netzwerken verbreitet wird, zeigt den bewusstlosen Kremlkritiker offenbar auf dem Weg ins Spital.

Das Gesundheitsministerium der Region Omsk (Sibiren) bestätigte den Vorfall. «Er befindet sich in einem ernsten Zustand», bestätigte der Chefarzt des Krankenhauses der Agentur Tass. Sicherheitskräfte sind laut mehreren Berichten vor Ort.

Nawalny ist der führende Kopf der liberalen Opposition.
Foto: AFP
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Immer wieder Ziel von Attacken

Ein Flugzeug mit dem 44-Jährigen an Bord sei in der sibirischen Grossstadt Omsk zwischengelandet, dann sei Nawalny ins Krankenhaus gebracht worden, hiess es nach Angaben von Nawalnys Team. Auf den prominenten Anti-Korruptions-Kämpfer hatte es in der Vergangenheit immer wieder Anschläge gegeben.

«Dieser Zwischenfall ist der schwerste bisher», teilte Jarmysch der Deutschen Presse-Agentur mit. Es sei der inzwischen vierte Fall. Zweimal habe es Farbanschläge gegeben – einmal mit Problemen für sein Auge und Erblindungsgefahr. Im vorigen Jahr sei er in Haft vergiftet worden und dann in ein Krankenhaus gekommen.

War der Tee vergiftet?

Nawalny war nach Angaben seiner Sprecherin Jarmysch in Sibirien auf einer politischen Rundreise und hatte am Donnerstag die Rückreise nach Moskau angetreten. Ihren Angaben zufolge hat er womöglich einen vergiften Tee getrunken. Er habe ihr während eines Fluges auf dem Weg von Tomsk nach Moskau gesagt, dass er sich nicht wohl fühle. Sie habe versucht, sich um ihn zu kümmern und ihn zu beruhigen. Er habe dann noch an Bord das Bewusstsein verloren. Das Flugzeug sei dann in Omsk wegen des Notfalls gelandet. Tee sei das einzige gewesen, was er zu sich genommen habe.

Nawalny ist der führende Kopf der liberalen Opposition. Er musste vor einem Jahr während seiner Haftstrafe in einem Krankenhaus angeblich wegen eines Allergieschocks behandelt werden. Nawalny betonte damals, dass er vergiftet worden sein könnte. In Russland waren mutmassliche Vergiftungen im politischen Milieu in der Vergangenheit immer wieder ein Thema.

Nawalny könnte am Freitag in Deutschland landen

Die Berliner Charité, eine der grössten Universitätskliniken Europas, würde Nawalny gerne helfen. «Wenn es gewünscht ist, haben wir in Deutschland die Möglichkeit, bei der Behandlung zu helfen», sagte der deutsche Politiker Paul Ziemiak der «Bild». Die Zeitung will erfahren haben, dass daran gearbeitet wird, Nawalny nach Deutschland zu transportieren. «Wir haben aus humanitären Gründen auf Bitte von Pjotr Wersilow ein Flugzeug mit allem medizinischen Equipment organisiert, mit dem Nawalny nach Deutschland gebracht werden kann», heisst es. Zitiert wird hier Jaka Bizilj, der 2018 half, den ebenfalls vergifteten Putin-Kritiker Pjotr Wersilow nach Deutschland zu bringen. Anschliessend wurde Wersilow in der Berliner Charité behandelt.

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Auch Lukaschenko als Feind

Nawalny hat viele Feinde im Machtapparat. Nawalny wirft mit seinem Team der Regierung und Oligarchen regelmässig Korruption und Machtmissbrauch vor. Dazu veröffentlicht er detaillierte Recherchen in den sozialen Netzwerken, wo er ein Millionenpublikum hat. Zuletzt hatte ihm auch der autoritäre Staatschef von Belarus (Weissrussland), Alexander Lukaschenko, vorgeworfen, hinter den Oppositionsprotesten in seinem Land zu stehen.

Nawalny organisierte in den vergangenen Jahren in Russland auch immer wieder landesweite Proteste. Seinem Aufruf folgten dabei Zehntausende – vor allem junge Menschen.

Razzien in Büros, Parallelen zu Pussy Riot

Der Oppositionelle werde dabei von den Behörden an seiner Arbeit gehindert, betonte er regelmässig. Immer wieder gibt es Razzien in seinen Büros. 2017 wurde der Oppositionelle bei einer Farb-Attacke schwer am Auge verletzt. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht und später in Spanien operiert.

Auch der Aktivist Pjotr Wersilow, Mitglied der russischen Polit-Punk-Gruppe Pussy Riot, verdächtigte den russischen Geheimdienst, ihn 2018 in Moskau vergiftet zu haben. Er wurde in Berlin behandelt. Pussy Riot ist mit spektakulären Aktionen gegen Justizwillkür und Korruption weltweit bekannt geworden. (SDA/kin/vof)

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