Elektro-Schulbusse für Amerika
Ja, auch das ist ein Mercedes

Ja, das ist ein Elektro-Mercedes. Naja, fast – nennen wir es Elektro-Daimler: Bei uns unbekannt, baut Daimler-Tochter Thomas Built Buses in Amerika die typischen US-Schulbusse. Dies jetzt neu in einer Elektroversion.
Publiziert: 04.05.2022 um 10:47 Uhr
Wolfgang Gomoll

So werden Kindheitsträume wahr: Einmal einen in «School Bus Yellow» lackierten US-Schulbus fahren – dank «Jouley» wird es wahr. «Jouley» ist Zukunft. Ab 1869 wurde in den USA der Transport von Schülerinnen und Schülern zur staatlichen Aufgabe. Jetzt wird er auch elektrisch.

Schulbusse fahren zu festgelegten Zeiten kurze Strecken. Ein ideales Elektro-Feld also, ähnlich wie Lieferdienste im Mercedes eSprinter und Co. – mit dem «Jouley» um die Ecke verwandt ist. Denn «Jouley» heisst offiziell Thomas Built Buses Saf-T-Liner C2 Electric Bus – und Thomas Built Buses gehört wie Freightliner oder Western Star in den USA oder natürlich Mercedes zum weltgrössten Nutzfahrzeug-Hersteller Daimler.

Wenig Design, genug «Pfupf»

Ein verkappter Mercedes aus dem Autoland Amerika quasi. Aussen sieht «Jouley» aus wie jeder Schulbus – samt Features wie den ausfahrenden gelben Stangen, die Kids daran hindern, blind die Strasse zu queren. Und samt roter Blinkleuchten. Blinken die und stoppen Autos nicht in beiden Richtungen, kostet das je mehrere Hundert US-Dollar Strafe.

Abgasfrei: Der Thomas Built Buses Saf-T-Liner C2 Electric Bus ist einer der immer mehr elektrischen US-Schulbusse.
Foto: Thomas Built Buses
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Der Antrieb stammt aus einer Kooperation mit Proterra. Diese Firma aus Kalifornien rüstet seit acht Jahren Busse um. Im Schulbus stecken zwei Akkus (220 kWh) für 138 Meilen (222 km) Reichweite, also typische Strecken. Geladen wird mit 90 kW, nach über zwei Stunden ist er voll.

Probefahrt mit 295 E-Pferden

Wir schwingen uns hinter das Lenkrad des zwölf Meter langen Gefährts. Hinter uns keine lärmenden Kids, die 81 Sitzplätze hinten sind leer. Anders als sonst kein Handbremshebel, nur ein Knopf. Der Hebel zum Türöffnen, statt der Tankuhr eine Ladestand-Anzeige. Also los. Per Druck auf den «D»-Knopf legen wir die erste zweier Stufen des Automaten ein.

Mühelos setzen 295 PS (217 kW) den Bus in Bewegung, nur das übliche Nageln des Diesels fehlt. Oder fehlt nicht: Leise ist besser. Wir kurbeln am grossen Lenkrad, haben mit den monströsen Spiegeln alles im Blick, fühlen uns wie Trucker. Allerdings geht wider Erwarten alles ganz leicht: Die Lenkung ist extra easy, eine 360-Grad-Kamera sorgt für Sicherheit.

Die Umstellung dürfte dauern

Damit der Bus gehört wird, macht er ein Langsamfahr-Geräusch – das als nostalgischer Gag so tönt wie das Pfeifen eines Zuges, der in den Bahnhof einfährt. Schnell fühlen wir uns wohl am Steuer. Eile kommt nicht auf, schon weil der «Jouley» eine Wuchtbrumme bleibt. Bei 105 km/h ist Schluss. Letzte Abzweigung: Ist man gefühlt bereits zu weit zum Abbiegen, ist man erst gerade richtig, um um diese Ecke zu kommen.

Bereits befördern 50 «Jouleys» im US-Bundesstaat Virginia Schülerinnen und Schüler. Verläuft der Testbetrieb positiv, will Virginia weitere 1000 Stück ordern. Bis die US-Schulbus-Flotte komplett elektrisiert ist, dürfte es aber noch dauern: In den USA laufen geschätzt 500'000 Schulbusse.

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