Elektro-Motorräder: Wo bleiben Honda, Kawasaki, Yamaha und Co?
Diese Töffs gibts schon elektrisch

Immer mehr neue PW-Modelle kommen mit Elektroantrieb. Doch was ist mit den Motorrädern? Die setzen mit wenigen Ausnahmen derzeit noch auf Verbrenner. Aber diese Ausnahmen gibts schon bei uns – inklusive einiger Neuheiten.
Publiziert: 09.08.2023 um 17:38 Uhr
Jürgen Wolff

Bei den PW-Neuheiten schlägt die Elektrifizierung längst voll durch: Über zwei Drittel der Modellneuheiten des Jahres 2023 kommen mit Elektroantrieb – oder als Hybride und Plug-in-Hybride. Doch bei den Zweirädern findet die Elektrifizierung zögerlicher statt. Bei Rollern und Leicht-Töffs für City und Agglomeration ist das Angebot schon recht breit. Aber bei den grossen Töffs (echte Töff-Freaks würden einen Roller nie so bezeichnen) siehts noch dünn aus.

Erste Überraschung: Während sich viele etablierte Anbieter noch sehr bedeckt halten und teils erst Designstudien oder reine Rennsport-Maschinen mit E-Antrieb parat haben, gibts enorm viele Newcomer. Viele kommen ähnlich wie bei den Elektroautos aus China – aber auch aus Italien, Skandinavien oder den USA.

BMW bleibt bei den Rollern

Wie ist der Stand bei den Grossen? BMW zum Beispiel begnügt sich erstmal mit Elektro-Rollern und von den grossen Traditionsmarken schwimmen gerade mal Harley Davidson und KTM im Strom mit. Doch warum diese Zurückhaltung? Die Gründe sind vielfältig und ähnlich wie bei den Autos. Das Thema Reichweite steht ganz vorne. Motorräder sind zwar deutlich leichter als Elektroautos – eine Verge TS etwa wiegt gerade mal 245 Kilogramm, ein Tesla Modell Y knappe zwei Tonnen – und kommen so mit gleicher Akkuleistung deutlich weiter.

Bei den PWs kommen die meisten neuen Modelle nur oder auch mit reinem Elektroantrieb. Und wie siehts bei den Töffs aus?
Foto: Zvg
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Allerdings lassen sich bei den Bikes nur sehr viel kleinere Akkus unterbringen – in einem Auto steht dafür der ganze Unterboden zur Verfügung. Entsprechend haben die aktuellen E-Bikes in der Regel je nach Fahrweise Reichweiten von 100 bis 200 Kilometer. Tourenmotorräder mit Verbrenner liegen dagegen problemlos bei gut 400 Kilometern mit einer Tankfüllung. Eine Harley etwa schafft bei einem Tankvolumen von 23 Litern je nach Fahrweise bis zu 330 Kilometer.

Reichweite und Laden sind entscheidend

Auch beim Laden stehen E-Töffs deutlich länger als die Verbrenner-Maschinen. Wenn überhaupt der Ladeanschluss passt: Einige Hersteller wählen Stecker, die nicht überall passen. Als Standard-Ladestecker hat sich immerhin der Typ 2 etabliert. Kaum verbreitet sind dagegen Combo- und CHAdeMO-Stecker. Immerhin scheint nun langsam Bewegung in die Sache zu kommen. Nachdem Tesla offenbar bereit ist, seine Infrastruktur an Ladesäulen künftig auch für andere Hersteller zu öffnen, kündigte jetzt der finnische E-Bike-Hersteller Verge an, nach dem Marktstart seines Superbikes Ende des Jahres in den USA ebenfalls Teslas 17'000 Ladesäulen dort nutzen zu wollen.

Wichtiger Faktor ist aber auch, dass es für die Branche keinen Druck aus Brüssel gibt. Während die Europäische Union ab 2035 keine Verbrenner-PWs mehr neu zulassen will, bleiben die Motorräder derzeit vom Verbrennerverbot ebenso wie die schweren Lastwagen ausgenommen. Und schliesslich gehts auch um die Preise. Wie schon bei den Elektroautos ist es auch auf zwei Rädern nicht gerade preiswert, lokal CO₂-neutral unterwegs zu sein. Die Preisspanne reicht je nach Leistung von rund 10'000 bis über 55'000 Franken.

Newcomer drängeln auf den Markt

Und was gibts schon im Segment der Elektro-Töffs? Einer der Pioniere in Europa war die Offroad-Marke KTM, die schon seit neun Jahren eine Elektro-Enduro anbietet, die 90 Minuten Gelände mit einer Akkuladung schafft. Harley Davidson hat gleich eine eigene Elektro-Marke gegründet – die Livewire One gibts auch bei uns. Aus Italien kommen von Energica gleich vier Bikes und Italian Volt geht mit einem wohl 40'000 Franken teuren 150-PS-Töff ab Ende Jahr an den Start.

Livewire One: Für seine elektrischen Zweiräder hat Harley Davidson 2021 mit Livewire EV eine eigene Marke kreiert. Seit 2022 in den USA und seit April diesen Jahres auch in Europa...
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Skandinavisch wirds mit Verge mit speziellem E-Motor im Felgenkranz und den schwedischen Elektro-Retrobikes von RGNT. Das grösste Angebot hat allerdings die kalifornische Marke Zero, die schon seit 2006 elektrisch unterwegs ist. Vor allem beim Preis punktet die China-Marke Alrendo – ihre TS Bravo kommt schon ab 11'650 Franken.

Etablierte setzen auch auf E-Fuels

Doch Emissionen und Klimawandel spielen auch bei den übrigen Töff-Marken längst eine Rolle. Yamaha will bis 2050 grösstenteils elektrische Töffs anbieten, dürfte aber zunächst im Roller-Segment in die E-Mobilität starten. Wechselbare Standardakkus sollen dann für mehr Reichweite sorgen. Honda plant bis 2025 mehr als zehn neue Elektro-Zweiräder in allen Leistungsklassen und will ebenfalls 2050 komplett klimaneutral unterwegs sein. Früher dran ist Kawasaki: Schon 2025 wollen die Japaner nur noch Elektromotorräder im Programm haben – hat aber noch kein einziges E-Modell parat. Voraussichtlich im Herbst sollen aber mit der Z EV und der Ninja EV die ersten beiden starten.

Die italienische Kultmarke Ducati schliesslich hat immerhin ein Elektro-Töff für die Strasse in Planung. Erste Erfahrungen mit dem neuen Antrieb sammelt sie als Töff-Lieferant in der Elektroklasse der Moto-GP-WM. Klar ist aber auch: Stand heute wird es noch lange in der Klasse der leistungsstarken Topp-Bikes bei Verbrennern bleiben. Die sollen dann aber mit CO₂-neutralen E-Fuels gefüttert werden.

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