8 Umwelt-Mythen im Fakten-Check
Klimakiller E-Auto-Batterie?

Für Hersteller und Expertinnen sind sie ein Segen fürs Klima, für manche aber auch schädlicher als jeder Verbrenner: Elektroautos. Im Fokus der Kritik stehen ihre Batterien und deren Ökobilanz. Doch welche Aussagen über das Herzstück jedes E-Autos stimmen, welche nicht?
Publiziert: 22.05.2024 um 13:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2024 um 13:25 Uhr
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Neue Techniken haben es oft schwer, Akzeptanz zu finden. So war es schon mit den ersten Autos anno 1900. «Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube an das Pferd», soll der deutsche Kaiser Wilhelm II. die damals omnipräsenten Pferdekutschen verteidigt haben. Ein riesiger Trugschluss, wie wir heute wissen.

Ähnlich verhielt es sich lange Zeit mit Elektroautos. Selbst als Tesla 2012 das erste massentaugliche Model S präsentierte, lachten die Damen und Herren in den Chefetagen der grossen Autokonzerne in Detroit, Wolfsburg oder Tokio. Nie würden sich E-Autos durchsetzen, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Heute ist in der Schweiz schon fast jeder fünfte verkaufte Neuwagen ein reiner Stromer – und auch Rest-Europa strebt einem Ende der fossilen Mobilität entgegen: Im März hat das EU-Parlament nach langem Hin und Her mit Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing (52) nun endgültig ein Verkaufsverbot von Autos mit Verbrenner ab 2035 beschlossen. Höchste Zeit, den gängigsten Mythen rund um die E-Mobilität auf den Grund zu gehen:

Mythos 1: Die Batterie macht die Ökobilanz jedes E-Autos zunichte

Foto: Getty Images

Richtig ist: Wegen der Batterie schleppt ein E-Auto zu Beginn einen grösseren «CO₂-Rucksack» als ein vergleichbarer Verbrenner. Beispiel Opel Corsa: Während für die Produktion des Benziners (1,2 l, 101 PS) laut Paul-Scherrer-Institut umgerechnet 9,2 Tonnen CO₂ aufgewendet werden müssen, sind es beim Corsa-e (136 PS) 15,9 Tonnen CO₂. Doch im Betrieb holt der Stromer rasch auf: Verbraucht der Benziner laut Norm 5,8 l/100 km, sind es beim Corsa-e 17,3 Kilowattstunden (kWh) Strom, was einer Energiemenge von 1,9 l/100 km entspricht. Bereits nach rund 40’000 Kilometern hat der Stromer den Benziner in der Klimabilanz überholt. Bei 200’000 Kilometern Laufleistung (inkl. Herstellung, Betrieb, Entsorgung) belaufen sich die Emissionen beim Benziner auf 47,1 Tonnen CO₂, beim Corsa-e auf nur 23,7 Tonnen CO₂.

Das Herz jedes Elektroautos: Batterien sind hinsichtlich ihrer Öko- und Klimabilanz deutlich besser als ihr Ruf.
Foto: Zvg

Mythos 2: Batterien sind zu teuer und E-Autos nur etwas für Besserverdiener

Foto: Mercedes-Benz AG

Das teuerste Bauteil an einem E-Auto ist die Batterie. Eine Kilowattstunde (kWh) kostet heute noch rund 150 Franken, ein 50-kWh-Akku dementsprechend um die 7500 Franken. Wegen der hohen Kosten begann deshalb die Elektrifizierung im Luxus-Segment. Jedoch ist die Bandbreite in den letzten Jahren enorm gewachsen: Die günstigsten Stromer gehen heute bereits ab rund 20’000 Franken los. Experten gehen davon aus, dass spätestens ab 2026 E-Autos günstiger sind als gleich grosse Verbrenner. Im Betrieb sind E-Autos wegen tieferer Energie- und Servicekosten ohnehin günstiger.

Mythos 3: Die Rohstoffgewinnung zerstört die Umwelt

Foto: Bloomberg via Getty Images

Grundsätzlich gilt: Jedes Auto – egal ob Elektro oder Verbrenner – verschlingt Unmengen an Rohstoffen und fördert Umwelt-Ausbeutung. Bei Stromern immer wieder in der Kritik: Lithium aus Salzwüsten in Südamerika. Dort wird lithiumhaltiges Salzwasser aus unterirdischen Seen an die Oberfläche befördert und in Becken verdunstet. Übrig bleibt letztlich weisses Carbonat, das für die Akkus gebraucht wird. Zwar wird für die Gewinnung selbst kein Trinkwasser benötigt, jedoch könnte die Entnahme grosser Mengen an Salzwasser laut Experten zum Nachströmen von Süsswasser führen, wodurch der Grundwasserspiegel abfällt. Viele Hersteller setzen deshalb auf Lithium aus Bergbau-Minen in Australien – dem weltweit grössten Lithium-Abbauland.

Mythos 4: Die E-Auto-Hersteller fördern Kinderarbeit

Foto: Getty Images

In Lithium-Batterien kommt tatsächlich oftmals Kobalt zum Einsatz, das häufig aus der Sub-Sahara, etwa dem Kongo, stammt, wo Kinderarbeit alltäglich ist. Deshalb wird bereits an kobaltfreien Batterien geforscht. Was die Sache nicht besser macht, von Kritikern aber oft unterschlagen wird: Auch für konventionelle Motoren ist Kinderarbeit bei der Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen gang und gäbe – ebenso wie bei Kleidung, Smartphones oder Laptops. Professor Volker Quaschning von der HTW Berlin, Experte für regenerative Energiesysteme: «Es ist erfreulich, dass dank der E-Mobilität die Problematik der Kinderarbeit wieder breiter diskutiert wird».

Mythos 5: Mehr E-Autos bedeuten mehr AKW

Foto: Keystone

Der Strombedarf durch E-Autos wird überschätzt. Energie-Experte Dr. Gil Georges von der ETH Zürich: «Wenn wir weit in die Zukunft blicken und sagen, wir elektrifizieren die 4,5 Millionen Autos auf unseren Strassen, reden wir von 12 bis 14 Terawattstunden zusätzlichem Strombedarf. Das entspräche am heutigen Verbrauch der Schweiz gemessen 15 bis 25 Prozent.» Zum Vergleich: Industrie und Gewerbe brauchen 60 Prozent des Gesamtstroms. Technisch und ökonomisch ist der Mehrbedarf also relativ problemlos zu leisten.

Mythos 6: Die Lebensdauer einer Batterie ist viel zu gering

Foto: Keystone

Die meisten Autohersteller geben heute eine Garantie von acht Jahren oder 160’000 Kilometer. Und auch dann sollen die Akkus immer noch eine Kapazität von mindestens 70 Prozent des ursprünglichen Wertes aufweisen. Langzeittests kommen oft auf deutlich höhere Werte. Und auch danach wird die Batterie keinesfalls wertlos. Sie kann im sogenannten Second Life noch mehr als 10 Jahre weiterverwendet werden, etwa als Speicher von Solarenergie in Gebäuden oder als Puffer für den Ausgleich von Lastspitzen in Schnellladestationen.

Mythos 7: E-Auto-Batterien können nicht recycelt werden

Die in einer modernen Lithium-Ionen-Batterie enthaltenen Rohstoffe sind viel zu wertvoll, um sie ungenutzt zu lassen. Neben grossen Mengen an Alu, Stahl und Kunststoffen befinden sich in einer Batterie auch kritische Rohstoffe wie Lithium, Mangan, Kobalt oder Nickel (siehe Grafik). Schon heute können über 90 Prozent der Bestandteile einer E-Auto-Batterie zurückgewonnen werden. Allerdings ist die Rückgewinnung bis aufs letzte Gramm aktuell noch sehr teuer, in wenigen Jahren aber Realität. Grund: Momentan gibts schlicht noch zu wenig E-Auto-Akkus, die zum Recyceln fällig werden.

Mythos 8: Es wird nie nachhaltige Batterien geben

Weltweit werden Milliarden für Forschung und Entwicklung neuer Batterietypen ausgegeben. Besonders zwei Konzepte versprechen Erfolg: Feststoff- und Natrium-Ionen-Batterien. Erstere sind leichter und für 30 bis 40 Prozent mehr Reichweite gut, weil die Ladung nicht durch flüssiges, sondern festes Elektrolyt transportiert wird. Sie weisen eine deutlich bessere Umweltbilanz als Lithium-Ionen-Akkus auf, enthalten kaum kritische Rohstoffe, sind unentflammbar und tiefenentladefest. Bereits Mitte des Jahrzehnts könnten sie in Serie gehen. Grosse Zukunftschancen haben auch Natrium-Ionen-Batterien aus China – angekündigt bereits für 2023. Vorteile der Akkus ohne Lithium, Nickel und Kobalt sind neben den Kosten und der Nachhaltigkeit die thermische Stabilität bei Minusgraden und das schnellere Laden.

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