CEO Olivier Francois kündigt mehr Stromer, frische Modelle und neues Image an
Jetzt wacht Fiat endlich auf

Fusion mit PSA, neue Stromer – und was wird aus den Brot-und-Butter-Modellen? So plant Fiat-Chef Olivier Francois die Zukunft der italienischen Traditionsmarke.
Publiziert: 31.10.2020 um 14:32 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2021 um 14:41 Uhr
Andreas Faust

Rüstig oder Rentnerin? Schaute man sich zuletzt die schon 121-jährige alte Tante Fiat an, wars klar: eher Rentnerin. Seit Italiens Traditionsmarke und der US-Riese Chrysler 2009 erste Bande knüpften, musste Fiat hinten anstehen. Zuerst die Finanzkrise, dann Schuldentilgung bei Chrysler und hohe Kosten für die Verschmelzung der Unternehmen. Geld gabs nur fürs Make-up der Edel-Töchter Alfa Romeo und Maserati, für die Brot-und-Butter-Marke Fiat blieb nicht einmal Margarine. Geschweige neue Technologie, Elektrifizierung, autonomes Fahren. «Es ist kein Geheimnis: Wir haben ein paar zu ruhige Jahre hinter uns», sagt Fiat-Chef Olivier Francois (59).

Aber jetzt stünde Geld parat, um Fiat wieder gross zu machen. Fiat solle «die Elektromarke für Stadtautos werden» sagt Francois. Klein, bezahlbar, nahe bei den Leuten – und elektrisch: Das sei das Konzept für die Zukunft. «Wer sonst, wenn nicht wir mit italienischem Stil und Kompetenz für kleine Autos?», fragt Francois.

Ein Name, zwei Marken

Natürlich nur rhetorisch: Der Chef hat sein Unternehmen schon konsequent auf Kurs gebracht. Fiat, das sind heute zwei Marken: Fiat und 500 by Fiat. Erstere für die Massenmobilität – vernünftige Autos wie Panda oder der Kompakte Tipo, die gerade beide eine Auffrischung bekommen. Doch Gesicht und Kontostand von Fiat bestimmen längst der 2007 lancierte Cinquecento und seine Van- und SUV-Derivate 500L und 500X. Klappt nie, dachten viele Experten, aber Francois drückte die 500er in ein höheres Preissegment: Endlich Fiat-Modelle jenseits der 30’000 Franken, jubelte er einst bei der Lancierung des 500X.

Jetzt wacht Fiat endlich auf: Mit dem Ur-Cinquecento schaffte der italienische Autobauer einst den Spagat zwischen Glamour und günstigen Preisen.
Foto: Zvg
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Fiats Macher

Olivier Francois wurde 1961 in Paris geboren, studierte Marketing, gründete sein eigenes Musiklabel und ging 1990 in die Autoindustrie. 2005 holt FCA-CEO Sergio Marchionne (1952–2018) den damaligen Italien-Chef von Citroën gleich als Boss zu Lancia für die Mission Neustart der legendären Marke. Deren K. o. ausserhalb Italiens kann Francois nicht verhindern, aber er wird zu Marchionnes Mann für die grossen Probleme: Als Fiat 2009 20 Prozent des in der Finanzkrise angeschlagenen US-Autobauers Chrysler erwirbt, avanciert Francois zum Super-Boss: Er wird Chrysler-CEO, oberster Marketingstratege und managt die Vereinigung der Auto-Riesen zu Fiat Chrysler Automobiles FCA. Seit 2011 leitet er Fiat und verantwortet das Marketing des Konzerns.

Olivier Francois wurde 1961 in Paris geboren, studierte Marketing, gründete sein eigenes Musiklabel und ging 1990 in die Autoindustrie. 2005 holt FCA-CEO Sergio Marchionne (1952–2018) den damaligen Italien-Chef von Citroën gleich als Boss zu Lancia für die Mission Neustart der legendären Marke. Deren K. o. ausserhalb Italiens kann Francois nicht verhindern, aber er wird zu Marchionnes Mann für die grossen Probleme: Als Fiat 2009 20 Prozent des in der Finanzkrise angeschlagenen US-Autobauers Chrysler erwirbt, avanciert Francois zum Super-Boss: Er wird Chrysler-CEO, oberster Marketingstratege und managt die Vereinigung der Auto-Riesen zu Fiat Chrysler Automobiles FCA. Seit 2011 leitet er Fiat und verantwortet das Marketing des Konzerns.

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Warum? «Wir müssen für unsere Autos gerechtfertigt mehr verlangen können, um die nötigen technischen Entwicklungen vorantreiben zu können», sagt er. Das sei auch die Strategie für die Zukunft. Aber Fiat steht traditionell für Vernunftautos zum Budgetpreis – wie passt das zusammen? «500 by Fiat bringt die neue Technik, das italienische Design. Fiat profitiert von der Technik und bleibt deshalb günstig», sagt Francois. Fiat sei die einzige Marke, bei der beides unter einem Namen funktioniere. «Sozusagen Renault und Dacia in einem», grinst Francois.

Neue Stromer, neue Varianten

Den Start in die Fiat-Zukunft markiert der neue 500e: Optisch ein typischer 500er, innen deutlich grösser, mit 118 Elektro-PS und auf dem Papier bis zu 320 Kilometer Reichweite soll sich der Stromer pro Jahr 80'000 Mal verkaufen. Mehr als bei Teslas Bestseller Model 3. «Ab 2021 soll der 500e Benchmark unter den kleinen Stromern sein», sagt Francois. Varianten werden derzeit diskutiert und sicher kommen; mit dem 500e 3+1 wurde kürzlich schon eine Version mit kleiner Schlupftür präsentiert. «Zwei richtige hintere Türen hätten die Proportionen des Autos zerstört. Aber die 500er-Kunden forderten einfachere Kindersitzmontage», erklärt Francois. Da habe man sich halt was neues ausgedacht.

Der bisherige 500er wird weiterverkauft. Wirds schwerer für ihn? Nur ein wenig: Francois rechnet beim 500e mit 95 Prozent Neukunden statt nur Umsteigern. Und wie gehts weiter mit den Stromern? Reiner Elektroantrieb mache Sinn für Stadtautos und Sportwagen; die übrigen sollen elektrifiziert werden, erklärt der Fiat-Chef: Als Plug-in-Hybride mit Verbrenner und E-Motor zum Nachladen an der Steckdose bei der Schwestermarke Jeep oder als Mildhybride, wie sie schon für Panda und 500er lanciert wurden. Anders seien die CO2-Grenzwerte nicht zu schaffen, sagt Francois. Derzeit wird Fiats CO2-Wert gemeinsam mit dem des US-Elektropioniers Tesla berechnet – gegen Zahlung von rund zwei Milliarden Franken pro Jahr. Wieviel Fiat dank des 500e künftig wird weniger überweisen müssen – dazu mag Francois nichts sagen.

Der 500e kann auch Verbrenner

Ausserdem bestätigt er: Der neue 500e könnte auch Verbrenner und Hybrid. «Wir wollen ihn so lang wie möglich rein elektrisch halten. Bis zu einem gewissen Punkt, ab dem dann auch andere Antriebe kommen werden.» Der dürfte erreicht sein, wenn der aktuelle, schon 13-jährige Cinquecento endgültig in Rente gehen muss. Und der Rest der Palette? Der Tipo ist wohl der beste Fiat-Kompakte der letzten 20 Jahre, aber ziemlich langweilig. Und der Panda braucht bald einen Nachfolger. «Den Tipo überarbeiten wir jetzt und bringen eine Cross-Version mit mehr Bodenfreiheit und robuster Optik.» Und der Panda? Francois weicht aus und übergibt an den Produktmanager: Der Panda werde ein tolles Jahr 2021 haben, sagt der.

Was kommt nach der Fusion mit PSA?

Was Francois eben auch weiss: Sobald die derzeit noch in Abklärungen steckende Fusion von FCA mit dem französischen Konkurrenten PSA (Citroën, DS, Opel und Peugeot) fix ist, könnte seine Strategie schon wieder von gestern sein. Fiats Elektroplattform ist fertig, aber auch PSA lanciert gerade Stromer bei allen Marken – da macht kostenmässig die PSA-Technik wohl mehr Sinn. PSA muss schon Kleinwagen von vier Marken sauber voneinander abgrenzen – das wird mit Fiat als fünfter Marke nicht leichter. Ausserdem hat FCA-Boss Michael Manley längst bestätigt: Für den Panda wird es keinen Nachfolger geben, so wie auch PSA seine kleinsten Modelle wohl auslaufen lassen wird – zu wenig Verdienstspanne. Fiat will eben höher hinaus bei Technik und Preisniveau.

Welche Rolle wird Fiat im neuen Konzern namens Stellantis spielen? «Noch arbeiten wir allein», sagt Francois. Noch gäbe es keine Absprachen oder gemeinsamen Projekte mit PSA. Im Konzern werde jede Marke künftig wie ein Familienmitglied sein: «Fiat ist die hübsche, stilvolle italienische Tochter. Mit so gut gemachter Technik, dass nicht nur Nerds sie bedienen können.»

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