Chipkrise freut Gebrauchtwagenhändler
Occasionen werden teurer

Wegen der Chipkrise sind Neuwagen im Moment Mangelware. Das hat auch Folgen für den Occasionsmarkt: Das Angebot wird kleiner – und die Preise steigen.
Publiziert: 02.10.2021 um 01:23 Uhr
Martin A. Bartholdi

Dieses Jahr können weltweit 7,7 Millionen Neuwagen nicht gebaut werden. Der Grund dafür sind fehlende Computerchips für die bis zu 100 Steuergeräte, die sich in einem modernen Auto befinden (lesen Sie hier mehr über die Chipkrise). Die Folgen sind für die Autohersteller verheerend. Praktisch alle mussten dieses Jahr ihre Produktion drosseln oder vorübergehend unterbrechen. Opel schliesst sein Werk in Eisenach (D) gar bis Ende Jahr komplett – also für drei Monate!

Dass deshalb beim Bestellen eines Neuwagens die gewünschte Ausstattung oder eine Motorisierung vorübergehend nicht zur Verfügung steht, ist längst nicht mehr aussergewöhnlich. Aktuell können aber ganze Modellreihen nicht mehr bestellt werden. Das bedeutet für Neuwagen-Kunden noch deutlich weniger Auswahl und vor allem viel längere Lieferfristen.

Verknappung bei Occasionen

Nicht alle können oder wollen so lange warten und schauen sich deshalb auf dem Gebrauchtwagenmarkt um. Dennoch verzeichnet das Onlineportal Autoscout24 keinen signifikanten Anstieg der Besucherzahlen und Suchanfragen. «Die Nachfrage ist schon das ganze Jahr über konstant hoch», erklärt Direktor Pierre-Alain Regali (54). «Im Schnitt verzeichnen wir rund 500 Suchanfragen pro Minute.» Ein Grund dafür ist, dass Autoscout24 schon länger auch Neuwagen anbietet.

Die durchschnittlichen Occasionspreise auf Autoscout24 sind in den letzten fünf Monaten um 1000 Franken angestiegen.
Foto: Keystone
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Beim Neuwagen-Angebot verzeichnet das grösste Online-Autoportal der Schweiz seit Anfang Jahr allerdings einen Rückgang von über zehn Prozent. Für Regali ist klar: «Aufgrund des Mikrochip-Mangels kam es zum Produktionsengpässen und es sind weniger Fahrzeuge verfügbar. Deshalb sank auch bei uns das Angebot an Neuwagen und jungen Occasionen.»

1000 Franken teurer in 5 Monaten

Eine konstant hohe Nachfrage bei einem kleineren Angebot sorgt für eine Verknappung. Die Folge daraus sind steigende Preise. Im März betrugen die durchschnittlichen Occasionpreise auf Autoscout24 noch 26'157 Franken. Seither sind sie leicht angestiegen und lagen im August bei durchschnittlich 27'138 Franken. Tendenz steigend. «Junge Occasionen mit wenig gefahrenen Kilometern sind besonders gefragt», so Regali. Entsprechend steigen dort die Preise stärker als bei älteren Gebrauchtwagen mit mehr Kilometern.

Verkäufer am längeren Hebel

Für Private (und auch Händler), die ihr Auto verkaufen, ist das von Vorteil, weiss Pierre-Alain Regali. «Diese können ihre Occasionen einfacher und schneller verkaufen und dies oft zu einem etwas besseren Preis.»

Für die Käufer heisst es hingegen, dass sie mehr Geduld brauchen, um ein Schnäppchen zu finden und dann schnell zu greifen müssen. Denn die Autos werden schneller verkauft als noch vor einem Jahr, und die Inserate sind entsprechend kürzer auf Autoscout24 aufgeschaltet. Zudem sind die Verkäufer weniger bereit für Preisverhandlungen und halten an ihrem festgelegten Preis fest.

Erholung erst in zwei Jahren?

Vorerst dürften die Verkäufer am längeren Hebel bleiben. Die Chipkrise wird die Autoindustrie noch länger ausbremsen. Optimistische Schätzungen gehen zwar davon aus, dass sich die Situation schon Anfang nächsten Jahres entspannen könnte. Doch im ungünstigsten Fall dauert es bis 2024, ehe sich die Lage auf dem Neuwagenmarkt wieder normalisiert.

Und der Gebrauchtwagenmarkt wird erst verzögert auf diese positive Entwicklung reagieren. Pierre-Alain Regali: «Weniger Neuwagen heute heisst weniger Occasionen morgen.»

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