Hier gibts alle getesteten Modelle im Video
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Über 60 Jahre GTS:Hier gibts alle getesteten Modelle im Video

Das steckt hinter Porsches Sportlabel
Schärfer, schneller, GTS

Emotional, kraftvoll, alltagstauglich: Die Idee hinter Porsches Sportlabel Gran Turismo Sport GTS ist schon über 60 Jahre alt. Heute beinhaltet jede Modellreihe einen GTS – Blick durfte sie über die italienische Rennstrecke Vallelunga jagen. Eine Bilanz.
Publiziert: 24.04.2022 um 11:08 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2022 um 12:14 Uhr
Andreas Engel

Eben noch cruise ich im Panamera GTS tiefenentspannt am Ufer des idyllischen Lago di Bracciano in der Nähe von Rom entlang: Scheiben runter, Soundsystem rauf, das Wummern des V8-Biturbos weit entfernt. Dolce Vita – so lässts sichs aushalten. 30 Minuten später: Die Tachonadel rast der 200-km/h-Markierung entgegen. Porsches Doppelkupplungsgetriebe PDK haut den nächsten Gang rein, untermalt vom satten Dröhnen aus den vier Endrohren. 480 PS schieben die über zwei Tonnen schwere Luxuslimousine brachial über den Asphalt, bis die Sportbremsen vor der nächsten Kurve auf der Rennstrecke Vallelunga bissig zupacken.

«Jeder Porsche ist renntauglich!», sagte schon Ferdinand Alexander Porsche (1935–2012), Enkel von Porsche-Gründer Ferdinand Porsche (1875–1951) und Cousin des einstigen VW-Patrons Ferdinand Piëch (1937–2019), als er vor über 60 Jahren das Mittelmotor-Coupé 904 Carrera GTS konzipierte. Bei dessen Erscheinung im 1964 war der puristische Zweiplätzer nicht nur der erste Porsche mit Kunststoff-Karosserie, sondern der allererste Gran Turismo Sport, kurz GTS, überhaupt. Porsches Idee: Im Kern war der 904er für die Rennstrecke gebaut, durfte aber auch auf öffentlichen Strassen bewegt werden. So konnte der Rennwagen zugleich für die Anreise zur Piste genutzt werden.

Die goldene Lücke

Eigentlich ein geniales Konzept. Trotzdem dauert es bis 2007 (mit Ausnahme des 924 Carrera GTS 1980 und dem 928 GTS 1992), bis Porsche das Potenzial des GTS-Signets so richtig erkennt. Der an der Frankfurter IAA ausgestellte SUV Cayenne steht mit den drei Zusatz-Buchstaben für die neue Philosophie: GTS-Modelle sollen fortan die Lücke zwischen den schwächeren S- und den teureren GT- und Turbovarianten schliessen. Sie sollen besonders fahraktiv und optisch emotionaler sein, ohne ein gewisses Mass an Alltagstauglichkeit und Komfort vermissen zu lassen.

1964 kam der allererste Porsche mit dem Zusatz GTS auf den Markt. Das Mittelmotor-Coupé 904 Carrera GTS beim Renneinsatz an der Targa Florio auf Sizilien (I).
Foto: zVg
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Nachdem letzten Herbst der Sportstromer Taycan als GTS vorgestellt wurde, ist nun jeder Porsche mit dem Sportlabel erhältlich. So gross die Unterschiede der einzelnen Modelle – einige Elemente sind bei jedem GTS gleich: Alle besitzen speziell modifizierte Anbauteile, abgedunkelte Scheinwerfer und rote Bremssättel. Innen haben alle Sportsitze, sind mit Alcantara ausgestattet und mit speziellen GTS-Instrumenten versehen. Und auch bei der Power heben sie sich deutlich von den S-Modellen ab: Sie haben serienmässig mehr Leistung, ein Sportfahrwerk samt Tieferlegung, eine Sportabgasanlage und verfügen alle (ausser der Cayenne) über das Sport-Chrono-Paket.

Viel Power, viel Gewicht

Zurück auf die Rennstrecke. Den Panamera habe ich inzwischen in der Boxengasse abgestellt und mich ans Steuer des elektrischen Taycan gesetzt. Statt V8-Biturbo-Wumms jetzt also Power aus zwei Elektroherzen – und wie! Ansatzlos stürmt der Sportstromer los und hat nach 3,7 Sekunden die 100er-Marke geknackt – das ist ein Wimpernschlag zügiger als im definitiv nicht untermotorisierten Panamera. Die 598 PS Overboost-Leistung und das enorme Drehmoment von 850 Nm, die vom speziell für den GTS komponierten Elektro-Sportsound untermalt werden, lassen mich kurz vergessen, dass ich gerade fast 2,4 Tonnen über den italienischen Asphalt dirigiere. Zumindest bis zur nächsten Kurve, in der der Taycan sein Gewicht so gut es eben geht zu kaschieren versucht. Beeindruckend ist das allemal, das müssen auch Petrolheads zugeben.

Ganz grosses Rennkino

Geht es aber nicht nur um die von Porsche ausgegebene Renntauglichkeit, sondern um den Kern der Sportwagen-Philosophie, führt kein Weg am Cayman GTS vorbei. Als letzter Porsche setzt er noch auf einen «echten» Sechszylinder-Boxer-Saugmotor, der unverwechselbar und herrlich röchelnd seine bis zu 400 PS an die hinteren 20-Zöller abgibt. Die lineare Kraftentfaltung (0–100 km/h in 4,0 s) wirkt in Zeiten allgegenwärtiger Turbo-Power fast schon entschleunigend auf den Piloten am Sportlenkrad. Durch Kurven gehts wie auf Schienen, der Cayman schiebt nie ungewollt Richtung Kiesbett – dem mageren Kampfgewicht von 1,4 Tonnen sei Dank. Ganz grosses Rennkino, was Porsches Kleinster bietet.

Getoppt wird das nur noch vom König selbst, dem 911er, als GTS auf 480 PS erstarkt – unser letzter Ritt durch die zehn anspruchsvollen Kurven von Vallelunga. Jeder Elfer ist ein Highlight, und der GTS ganz besonders. Er macht alles perfekt, beschleunigt von allen gefahrenen GTS am schnellsten (0–100 km/h in 3,4 s), besitzt das Talent eines perfekten Kurvenjägers, ohne so rau wie die Sportmaschine Cayman zu wirken. Über 60 Jahre ist Ferdinand Alexander Porsches Idee des Gran Turismo Sport jetzt alt – und wird vom 911 wohl am idealsten im Geiste des Erfinders in die Neuzeit transferiert.

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