Erste Mitfahrt im Piëch GT
So fährt sich der Schweizer Elektro-Sportwagen

Vor zwei Jahren zeigte das Zürcher Auto-Start-up Piëch seine Pläne für einen Elektro-Sportwagen. Jetzt fährt er! Blick durfte eine Runde im ersten Prototypen mitfahren und staunt: Der Papiertiger ist nun zum richtig coolen Granturismo geworden.
Publiziert: 06.10.2021 um 14:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2021 um 14:01 Uhr
Timothy Pfannkuchen

«Das waren jetzt 120 km/h – wenn es nicht regnen würde, ginge das auch mit 170 km/h», sagt Klaus Schmidt (65) und strahlt: Schmidt, zuvor Chefingenieur in der BMW-M-Sportabteilung, ist Entwicklungschef der Zürcher Piëch Automotive und chauffiert uns im Prototyp Piëch GT durch die fiese Schikane im Handling-Kurs des Testzentrums Memmingen (D). Wow, fühlt sich satt, sicher und geschmeidig an.

Dann ein Systemabsturz. «Die Übergabe von den hinteren E-Motoren zu dem vorderen, wenn Schlupf auftritt, klappt noch nicht so», sagt Schmidt trocken, «es ist halt noch ein Prototyp.» Sprichts, stoppt, startet neu, gibt Starkstrom: Sssst – ja, der geht ab! Dreimal 204 PS (150 kW), also total 612 PS (450 kW), sollen in unter drei Sekunden auf 100 und weiter bis 250 Sachen sausen.

«Er fährt und er lädt»

Was vor zweieinhalb Jahren noch die reine Designstudie namens Mark Zero war, fühlt sich tatsächlich verblüffend serienfertig an. Sonst knarzen und quietschen Prototypen, aber bis auf den Systemabsturz wirkt der hier so solide (und gar komfortabel), dass man sich beim Blick über die lange Haube vorstellen kann, wie der 4,43-Meter-GT ab wohl etwa 215'000 Franken ab 2024 los summt.

Da saust er: Aus der Schweizer Designstudie Piëch Mark Zero von 2019 ist der fahrfähige Prototyp des Piëch GT geworden.
Foto: Piëch Automotive
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«Er fährt und er lädt und er sieht gut aus», bringt Firmengründer Anton «Toni» Piëch – Schweizer Sohn von VW-Patriarch Ferdinand Piëch (1937–2019) – auf den Punkt, was das zwei Dutzend Leute kleine, prominent besetzte Kernteam des Start-ups in Zürich (Firmensitz) und Memmingen (Entwicklung) mit rund 200 Entwicklern der Zulieferer geschafft hat: Der Papiertiger ist zum Auto geworden.

Optisch nachgeschärft

Jetzt sollen 15 Prototypen entstehen, ehe der Serienanlauf kommt – dann wohl bei zwei der üblichen Verdächtigen (Namen noch offen, aber denkbar sind Hersteller wie Magna oder Valmet). Starten nach dem Coupé noch SUV und Limousine, sollen 10'000 Piëch im Jahr entstehen. Nicht nur wegen potenzieller Käufer ist der Prototyp ein wichtiger Schritt: Auch die Investoren – geschätzte 400 bis 500 Millionen Franken sind nötig – sollen sehen: Piëch liegt auf Kurs.

Optisch unterscheidet sich der Piëch GT in kleinen, aber feinen Änderungen von der Studie. Den Grill hat Designer Rea Stark Rajčić (38) filigraner, die Leuchten harmonischer gemacht. Weil sogar die Blinker in die Leuchten integriert sind, ist alles klar und puristisch. Die Linie bleibt ganz klassischer Granturismo. Toll finden wir das neue Heck. Das Leuchtenband ist cool, zwischen ihm sowie dem Nummernschild verstecken sich perfekt integriert die beiden GT-Ladeklappen.

Aufladen in fünf Minuten

An der einen lädt der GT am Schnelllader mit satten 350 kW, (20–80 % in ca. 8 min). An der anderen mit dem optionalen Piëch-Heim-Lader mit fettem Akku mit 450 kW oder mehr: in unter fünf Minuten 80 Prozent! Das klappt beim Test problemlos: Statt wie andere E-Autos früh die Ladeleistung zu drosseln, knickt sie im GT erst bei 80 Prozent ein. Hm, wieso machen das nicht alle so? «Die grossen Autohersteller entwickeln auf Energiegehalt. Wir wollten aber schnelle Leistungsaufnahme und -abgabe und tiefes Gewicht», sagt Schmidt, «und ich bin überzeugt, das andere uns da folgen werden.» Der Prototyp wiege trotz 75-kWh-Akku keine 1,7 Tonnen, das Serienauto soll unter 1800 Kilo bleiben.

Im Prototyp stammen die Akkuzellen noch aus China, im Serienauto kommen sie dann aber wie der Rest des Autos aus Europa – und der Akku ist nicht ins Chassis integriert, sondern von unten eingehängt. Wieso? Der Piëch GT ist modular aufgebaut (z.B. ist ein Modul die Vorderachse mit E-Motor), um auf gleicher Basis andere Radstände und so per anderer, nichttragender Karosserie viele Varianten bauen zu können. Ausser Elektro sind sogar Brennstoffzellen und Hybrid-Module bereits mitgedacht, falls erforderlich.

Der dürfte Spass machen

Ach so: Wie sieht der Piëch GT eigentlich innen aus? Davon gibts – vor Ort durften wir keine eigenen Fotos machen, vieles ist noch geheim – keine Bilder, aber auf der Testfahrt finden wir: Gut sieht er aus! Natürlich sind die Materialien noch sehr provisorisch. Das einsame grosse Digital-Rundinstrument vor dem Fahrerplatz aber ist schon mal sehr retro-stimmig und die kleinen Touchscreens in der Querleiste ebenso.

Und unter der Hecklappe des Zweiplätzers findet das Gepäck für ein Weekend Platz (zudem wird es vorne ein kleines Fach geben). Irgendwie sind wir im Gedanken schon fast unterwegs. Zum Beispiel vom Piëch-Store in Zürich über den Klausenpass ins Wochenende. Der GT trägt hinten ja 60 Prozent seines Gewichts und zwei seiner drei Motoren – das dürfte also Laune machen.

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