Es gibt mehr als nur Elektromobilität
Bringt uns der Motorsport sauberen Sprit?

Die Schaffhauser Weinbaugemeinde Oberhallau zeigt nächstes Wochenende, wie der Motorsport der Zukunft aussehen könnte. Beim traditionellen Bergrennen wird erstmals in der Schweiz synthetischer Treibstoff verwendet.
Publiziert: 21.08.2022 um 11:59 Uhr
|
Aktualisiert: 13.11.2022 um 13:39 Uhr
Blickgruppe_Portrait_30.JPG
Martin A. BartholdiRedaktor Auto & Mobilität

In der Formel 1 hat Ex-Weltmeister Sebastian Vettel (35) dieses Jahr ein weiteres Mal Geschichte geschrieben. Er drehte beim GP von Grossbritannien einige Demo-Runden mit künstlichem und CO₂-neutralem Rennbenzin. Dazu benutzte er den Williams, mit dem Nigel Mansell (69) 1992 Weltmeister wurde.

Nächstes Wochenende findet eine ähnliche Aktion in der Schweiz statt. Beim Bergrennen Oberhallau SH werden die Schweizer Le-Mans-Sieger Neel Jani (38) und Marcel Fässler (46) mit synthetischem Treibstoff starten. Dahinter steht eine Interessengruppe, in der sich auch der renommierte Schweizer F1-Motorenkonstrukteur Mario Illien (73) engagiert.

Dieser CO₂-neutrale Sprit könnte nicht nur den Motorsport klimafreundlicher machen, sondern auch den Strassenverkehr. Deshalb fahren Jani und Fässler mit einem künstlichen Äquivalent zu handelsüblichem Bleifrei-Sprit, der auch in jedem normalen Benziner-Auto eingesetzt werden könnte.

Am nächsten Wochenende findet im Kanton Schaffhausen das Bergrennen Oberhallau statt. Dort wird Motorsport der Zukunft zelebriert.
Foto: Patrick Morueco
1/19
Bergrennen Oberhallau

Immer am letzten August-Wochenende findet in Oberhallau SH das Bergrennen statt. Es ist dieses Jahr der fünfte von sechs Rennläufen zur Schweizer Bergmeisterschaft. Mit 250 angemeldeten Fahrerinnen und Fahrern ist das Rennen vom 27./28. August ausgebucht. Das Dorf Oberhallau verwandelt sich für das Rennen jeweils in ein Fahrerlager. Die Rennwagen warten in den Garagen, Scheunen und Vorplätzen der Einwohner auf ihren Renneinsatz. Die Strecke führt über drei Kilometer und 157 Höhenmeter durch die Weinreben auf den Oberhallauer Berg. Neben dem Renngeschehen sorgen Renntaxifahrten und Helikopterrundflüge für Unterhaltung. Tickets gibts unter bergrennen-oberhallau.ch oder an der Tageskasse.

Verein Bergrennen Oberhallau (VBO)

Immer am letzten August-Wochenende findet in Oberhallau SH das Bergrennen statt. Es ist dieses Jahr der fünfte von sechs Rennläufen zur Schweizer Bergmeisterschaft. Mit 250 angemeldeten Fahrerinnen und Fahrern ist das Rennen vom 27./28. August ausgebucht. Das Dorf Oberhallau verwandelt sich für das Rennen jeweils in ein Fahrerlager. Die Rennwagen warten in den Garagen, Scheunen und Vorplätzen der Einwohner auf ihren Renneinsatz. Die Strecke führt über drei Kilometer und 157 Höhenmeter durch die Weinreben auf den Oberhallauer Berg. Neben dem Renngeschehen sorgen Renntaxifahrten und Helikopterrundflüge für Unterhaltung. Tickets gibts unter bergrennen-oberhallau.ch oder an der Tageskasse.

Mehr

So funktionierts

Grundsätzlich brauchts für künstlichen Treibstoff (auch als E-Fuels, Synfuel, Biofuel etc. bezeichnet) nur Wasser (H₂O) und Kohlenstoffdioxid (CO₂). Das Wasser wird durch Strom in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Letzterer reagiert mit dem aus der Umgebungsluft entnommenen CO₂ zu einem benzinähnlichen Kohlenwasserstoff, auch Synthesegas genannt. Daraus lässt sich auch Diesel oder Kerosin für Flugzeuge herstellen.

Daran wird gearbeitet

Ziemlich genau diesen Weg verfolgt Porsche in Chile. Der Sportwagenbauer investierte in die chilenische Holding HIF Global LLC, die weltweit Produktionsanlagen für synthetische Kraftstoffe plant. Entscheidend ist, dass der Strom für den energieintensiven Prozess aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Deshalb steht die Pilotanlage, die schon dieses Jahr ersten Treibstoff liefern soll, im windigen Patagonien. Dort lässt sich der künstliche Sprit ganzjährig mit Windenergie herstellen.

Das Schweizer Start-up Synhelion setzt dagegen auf einen mit Hitze betriebenen Reaktor. Die Hitze dafür wird via Spiegel gebündeltes Sonnenlicht gewonnen.

Eine dritte Variante ist die Nutzung von Bioabfällen, die ähnlich wie in Biomassekraftwerken vergoren werden. Bioethanol geriet vor 15 Jahren in Verruf, weil damals Nahrungspflanzen für die Produktion genutzt wurden. Deshalb wird heute von der zweiten Generation gesprochen, die ohne Nahrungspflanzen auskommt. Toyota beteiligt sich an entsprechenden Forschungen.

Die Vorteile

Synthetische Treibstoffe können erneuerbare Energie in flüssiger Form speichern. Damit sind sie einfach zu transportieren. Das ist wichtig, weil in den Wüsten weltweit genügend Sonnenenergie dazu vorhanden wäre. Bisher sind dabei aber vor allem die Lagerung und der Transport eine Herausforderung.

Weiter könnten alle aktuell im Verkehr befindlichen Benzin- und Dieselfahrzeuge ab sofort lokal CO₂-neutral betrieben werden. Eine Umrüstung der Motoren ist nicht nötig, und das vorhandene Tankstellennetz könnte weiter genutzt werden. Das spart nicht nur Kosten, sondern auch Ressourcen, da keine neue Infrastruktur wie Ladesäulen oder Wasserstofftankstellen gebaut werden müssen.

Die Nachteile

Ein Nachteil der synthetischen Treibstoffe ist ihre Ineffizienz. Es ist energetisch sinnvoller, den Naturstrom direkt im Elektroauto zu nutzen. Deshalb soll künstlicher Treibstoff eine Ergänzung zur Elektromobilität sein. Im Moment kann auch nicht genug davon produziert werden, um die globale Fahrzeugflotte klimaneutral zu betreiben. Hier kann der Motorsport einspringen und als Versuchslabor dienen, um herauszufinden, welche Produktionsmethode die beste Kombination aus Kosten, Produktionsvolumen und Nachhaltigkeit ist.

Was viele nicht wissen: Seit dieser Saison besteht der F1-Sprit zu zehn Prozent aus Bioethanol. Der Anteil soll in den kommenden Jahren erhöht werden. Auch die Rallye-WM setzt bereits auf nachhaltigen Sprit. Dazu kommen in der Langstrecken-WM und im Porsche Super Cup synthetische Treibstoffe aus Bioabfällen zum Einsatz, die zu 65 Prozent CO₂-neutral sind. Ein ähnlicher Treibstoff kommt jetzt in Oberhallau zum Einsatz. Laut der Interessengruppe soll er aber schon zu 85 Prozent CO₂-neutral sein.

Es scheint also, als würde der Rennsport wieder mal seinem Ruf als Technologielabor für die Grossserie gerecht.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?