Auto fährt in falscher Richtung durch Rettungsgasse
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Überwachungsaufnahmen zeigen:Auto fährt in falscher Richtung durch Rettungsgasse

Geisterfahrer in Rettungsgasse auf der A1
Gilt ein Video als Beweis?

Viele Autofahrende nutzen inzwischen Dashcams. Vielleicht landete so auch der Rettungsgassen-Geisterfahrer von Uzwil SG auf einem Video. Doch sind Dashcam-Videos überhaupt als Beweis zugelassen? Kommt ganz darauf an.
Publiziert: 20.03.2024 um 06:01 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2024 um 07:47 Uhr
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Dreist, extrem gefährlich und unentschuldbar: So lauteten am Montagmorgen (18. März 2024) die Reaktionen von Polizei, Experten und dem Touring Club Schweiz (TCS) auf den Rettungsgassen-Geisterfahrer von Uzwil SG. Ein Unfall mit sechs Fahrzeugen hatte am Morgen zu einer Sperrung der A1 Richtung St. Gallen zwischen Wil SG und Uzwil geführt. Rund 2,5 Stunden lang ging nichts, der Verkehr staute sich.

Vorbildlich: Zwischen den beiden linken Spuren lassen Autofahrerinnen und Autofahrer eine Rettungsgasse frei. Rücksichtslos und gefährlich: Ein Stau-Geisterfahrer nutzt sie, um sich gegen die Fahrtrichtung aus dem Stau davonzumachen. Ein Video einer Verkehrskamera zeigt, wie das Auto zurück Richtung Wil rollt – ohne Rücksicht auf mögliche herannahende Rettungsfahrzeuge, ohne Ausweichmöglichkeit. Die Polizei sucht nun Zeugen und fahndet nach dem Geisterfahrer. Die Frage stellt sich: Kann ein Video als gerichtsfähiger Beweis gelten – entweder von einer Verkehrskamera oder von der Dashcam eines im Stau stehenden Autos?

Öffentlichkeit will Dashcams

Blick-Userinnen und -User merken in Leserbriefen und Kommentaren häufig an, dass mit Dashcams Raser und Rowdys überführt werden könnten und so die Sicherheit auf der Strasse erhöht würde. Bei den Polizeikorps landen ungefragt Aufzeichnungen von Regelverletzungen im Strassenverkehr, mit Dashcams gefilmt. In einer Studie des Online-Vergleichsportals Comparis gaben 70 Prozent der Befragten an, die Verwendung von Dashcam-Aufnahmen vor Gericht zu befürworten. Mehr als die Hälfte glaubte laut Studie, dass die Minikameras zu einem korrekten Fahrverhalten beitragen könnten.

Dashcams im Auto sind weder explizit verboten noch explizit erlaubt. Nicht die Kamera als solche ist problematisch, ...
Foto: Shutterstock
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So einfach ist das in der Schweiz aber nicht, auch wenn Dashcams nicht ausdrücklich verboten sind. Aus Datenschutz-Gründen ist die Verwendung der Aufnahmen heikel. Möglicherweise zulässig wären die Aufnahmen, würden bereits beim Filmen Gesichter und Kennzeichen verpixelt – aber dann wären sie wiederum nutzlos. Autos mit Dashcam sind nicht gekennzeichnet, und sie nehmen alles und jeden auf und machen Nummernschilder, Gesichter, Ort und oft Zeit identifizierbar. Damit werden die Persönlichkeitsrechte verletzt, denn jeder Mensch hat das Recht, über Aufnahmen von sich selbst zu bestimmen.

Mit Dashcam droht Fahrverbot

Eine Dashcam soll mit ihren Aufnahmen etwa nach einem Crash entlasten. Was oft vergessen wird: Die Dashcam selbst kann eine Verzeigung bringen. Nicht, weil sie verboten wäre – sondern wenn sie falsch montiert ist. Wie ein Mobil-Navi oder als Navi genutztes Smartphones darf die Kamera das Sichtfeld Lenkender keinesfalls einschränken. Ansonsten drohen bis zu 500 Franken Busse plus saftige Gebühren (schnell weitere 300 Franken). Dies variiert nach Kanton und Fall – in manchen Fällen droht da teils sogar ein Ausweisentzug!

Deshalb gelten beim Anbringen von Dashcams die gleichen Empfehlungen wie bei Navis und Smartphones. Sie sollte ganz am (idealerweise unteren) Rand der Frontscheibe montiert werden. Auf keinen Fall sollte die Kamera mittig in der Scheibe platziert sein. Das Sichtfeld muss aber auf jeden Fall frei bleiben.

Eine Dashcam soll mit ihren Aufnahmen etwa nach einem Crash entlasten. Was oft vergessen wird: Die Dashcam selbst kann eine Verzeigung bringen. Nicht, weil sie verboten wäre – sondern wenn sie falsch montiert ist. Wie ein Mobil-Navi oder als Navi genutztes Smartphones darf die Kamera das Sichtfeld Lenkender keinesfalls einschränken. Ansonsten drohen bis zu 500 Franken Busse plus saftige Gebühren (schnell weitere 300 Franken). Dies variiert nach Kanton und Fall – in manchen Fällen droht da teils sogar ein Ausweisentzug!

Deshalb gelten beim Anbringen von Dashcams die gleichen Empfehlungen wie bei Navis und Smartphones. Sie sollte ganz am (idealerweise unteren) Rand der Frontscheibe montiert werden. Auf keinen Fall sollte die Kamera mittig in der Scheibe platziert sein. Das Sichtfeld muss aber auf jeden Fall frei bleiben.

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Aufnahmen sind an sich illegal

Deshalb hat das Bundesgericht im Grundsatzentscheid festgehalten, dass Dashcam-Aufnahmen von Privaten in der Regel nicht als Beweis zulässig sind. Der Persönlichkeitsschutz der anderen Verkehrsteilnehmer sei höher zu gewichten. Es könne allerdings Ausnahmen geben: Das Bundesgericht stuft die Dashcam-Aufnahmen gleich ein wie Beweise, die die Polizei illegal erlangt hat.

Solche an sich illegalen Aufnahmen können als Beweismittel verwertet werden, wenn die Schwere des Falls es rechtfertigt – bei schweren Straftaten. Und als Straftat gilt im Verkehrsrecht, was zu drei oder mehr Monaten Führerausweisentzug führt. Davon wäre im Fall des Rettungsgassen-Geisterfahrers aufgrund des Gefahrenpotenzials seiner Aktion wohl auszugehen. Allein das Fahren gegen die Fahrtrichtung könnte im Extremfall drei Jahre Haft oder Geldstrafe und einen langen Führerausweisentzug zur Folge haben, wie Verkehrsrechtsexperte Patrik Mauchle bei TV Ostschweiz erklärt.

Und öffentliche Kameras?

Anders sieht es bei von öffentlichen Organen – also etwa Behörden – genutzten Kameras aus, wie der Leitfaden «Videoüberwachung durch öffentliche Organe (ohne Strafverfolgungsbehörden)» der Datenschutzbeauftragten des Kantons Zürich vom Oktober 2022 zeigt. Laut Absatz 3.6 ist die Weitergabe von Videodaten an öffentliche Organe auf Gemeinde, Kantons- oder Bundesebene für straf- oder zivilrechtliche Verfahren möglich. Im Gegensatz zu privaten Dashcams wird offenbar davon ausgegangen, dass solche Kameras der öffentlichen Hand datenschutz- und persönlichkeitsrechtlich konform betrieben werden.

Damit dürfte das Video der Verkehrskamera vor Gericht definitiv Relevanz haben. Das Bundesamt für Strassen nutzt rund 60 solcher Kameras in der Nordostschweiz, um den Verkehrsfluss zu überwachen und gegebenenfalls eingreifen zu können. Allerdings: Bei der Fahndung dürfte das Video kaum helfen – dazu ist die Auflösung zu gering.

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