Jury «Car of the Year» testet die Autoneuheiten des Jahres
Fast wie im Ferienlager

Einmal im Jahr trifft sich die europäische Jury «Car of the Year» an der Nordspitze Dänemarks zum Tannistest mit vielen Autoneuheiten des Jahres. Für 2025 dürfte die Entscheidung besonders schwierig werden.
Publiziert: 29.09.2024 um 08:58 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Tannistest: Sand, Autos und Trends an der Nordsee
  • Elchtest zeigt deutliche Unterschiede in Fahrstabilität
  • 31 Modelle, 80 Exemplare – so viele Unterschiede
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Einmal im Jahr trifft sich die Jury «Car of the Year» zum sogenannten Tannistest: Eine ganze Woche können die Autoneuheiten des Jahres gefahren werden.
Foto: Car of the Year/
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Sand, überall Sand. In den Fussmatten, im Kofferraum, auf den Kameraobjektiven – gefühlt sogar zwischen den Zähnen. Staubfein und frisch von einer steifen Brise aus den nahen Dünen über Autos und Jurymitglieder verteilt. Als sässe man in einem riesigen Sandkasten.

Jedes Jahr organisieren die skandinavischen Mitglieder der europäischen Jury «Car of the Year» den Tannistest: Eine Testwoche im Hotel Tannishus in Tversted (Dänemark), direkt an der Nordsee gelegen zwischen Hirtshals und Skagen. Mit nichts als plattem Land drumherum und mehr kurvigen Strassen, als man erwarten würde. Ideales Terrain, um die neuen Automodelle des Jahres intensiv zu fahren und zu vergleichen, bevor es dann Ende November in den Wahlprozess geht. Und ein echtes Gemeinschaftserlebnis: Wie einst das Strand-Ferienlager mit der Jugendgruppe – nur mit Erwachsenen und Autos.

So viele Testwagen wie noch nie

Von Alfa Romeo Junior bis Volvo EX90: Insgesamt 31 Modelle in 80 Exemplaren standen vom 21. bis 26. September bereit und damit so viele wie noch nie. Neben dem freien Fahren über schmale und oft schlaglochübersäte Strassen wird auch akribisch gemessen – beim traditionellen Elchtest, einem Ausweichmanöver um ein fiktives Hindernis auf dem Flugfeld Sindal. Genau hier kippten von 27 Jahren schwedische Autojournalisten beim Elchtest die Mercedes A-Klasse auf die Seite – danach begann der Siegeszug der Elektronischen Stabilitätskontrolle, die genau das verhindern soll. Erstaunlich: Wie unterschiedlich noch heute viele Modelle bei diesem Fahrmanöver abschneiden. Wenige halten selbst beim Ausweichen mit 78 km/h locker die Spur, andere rutschen schon bei 60 km/h in die Hütchen, die die Linie vorgeben.

Ausserdem bietet der Tannistest den perfekten Überblick über die aktuellen Trends der Branche. Wichtigste Erkenntnis: Endlich kommen kleine Stromer wie Citroën ë-C3, Hyundai Inster, Renault R5 E-Tech und der allerdings etwas grössere Kia EV3. Aber auch XXL-Elektro-SUVs wie Nio EL8 oder Volvo EX90 mit drei Sitzreihen, die künftig als Chauffeursautos sogar den Luxuslimousinen den Rang ablaufen könnten.

Wer wählt das «Car of the Year» 2025?

Die europäische Jury «Car of the Year» wählt seit 1964 jedes Jahr ihren Favoriten aus den Autoneuheiten des aktuellen Modelljahrgangs. Erster Gewinner war der Rover 2000; im vergangenen Jahr holte der Renault Scenic den Titel.

Die aktuell stimmberechtigten 61 Juroren kommen entsprechend der Grösse der jeweiligen Automärkte aus 22 Ländern und urteilen unabhängig. Die Schweiz stellt drei Mitglieder. Finanziell getragen und organisiert wird die Wahl von neun europäischen Automagazinen; für die Schweiz gehört die «Automobil Revue» dazu. Die Wahl geniesst keine finanziellen Zuwendungen aus der Automobilindustrie, was ihre Unabhängigkeit sichert.

Zur Wahl stehen jeweils jene neu lancierten Automodelle, die

  • komplett neu oder in den wichtigsten Bestandteilen neu entwickelt wurden,
  • im vorherigen Kalenderjahr bereits für Testfahrten verfügbar waren
  • und bis 31. Dezember des vorherigen Jahres in fünf Ländern Europas bereits am Markt eingeführt waren.

Aus der Longlist mit allen zugelassenen Modellen wählt die Jury sieben Modelle, die an einem Jurytesttag nochmals getestet und verglichen werden. Für die Wahl des «Car of the Year» aus dieser Shortlist verfügt jede Jurorin über 25 Stimmen, die auf mindestens fünf Modelle aufgeteilt werden müssen. Die von der Jury vergebenen Punkte und die Begründungen für ihre Entscheidung werden veröffentlicht.

Die europäische Jury «Car of the Year» wählt seit 1964 jedes Jahr ihren Favoriten aus den Autoneuheiten des aktuellen Modelljahrgangs. Erster Gewinner war der Rover 2000; im vergangenen Jahr holte der Renault Scenic den Titel.

Die aktuell stimmberechtigten 61 Juroren kommen entsprechend der Grösse der jeweiligen Automärkte aus 22 Ländern und urteilen unabhängig. Die Schweiz stellt drei Mitglieder. Finanziell getragen und organisiert wird die Wahl von neun europäischen Automagazinen; für die Schweiz gehört die «Automobil Revue» dazu. Die Wahl geniesst keine finanziellen Zuwendungen aus der Automobilindustrie, was ihre Unabhängigkeit sichert.

Zur Wahl stehen jeweils jene neu lancierten Automodelle, die

  • komplett neu oder in den wichtigsten Bestandteilen neu entwickelt wurden,
  • im vorherigen Kalenderjahr bereits für Testfahrten verfügbar waren
  • und bis 31. Dezember des vorherigen Jahres in fünf Ländern Europas bereits am Markt eingeführt waren.

Aus der Longlist mit allen zugelassenen Modellen wählt die Jury sieben Modelle, die an einem Jurytesttag nochmals getestet und verglichen werden. Für die Wahl des «Car of the Year» aus dieser Shortlist verfügt jede Jurorin über 25 Stimmen, die auf mindestens fünf Modelle aufgeteilt werden müssen. Die von der Jury vergebenen Punkte und die Begründungen für ihre Entscheidung werden veröffentlicht.

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Unübersichtliche Bedienung

Zweiter Trend: Selbst innerhalb eines Modelljahrgangs gibts zahllose Technik-Zwillinge – die aber dennoch eigenständiger daherkommen als erwartet. Cupra Terramar und Skoda Kodiaq oder Audi Q6 und Porsche Macan – jeweils gleiche Antriebe, vollkommen unterschiedlich verpackt. In neuen Modellen von Alfa Romeo, Citroën oder Opel mögen die gleichen Fahrrichtungsschalter stecken, aber die Unterschiede in Raumgefühl und Fahreigenschaften sind dennoch riesig.

Und schliesslich wirds bei den Bedienkonzepten immer unübersichtlicher. Hyundai und Kia zum Beispiel rudern zurück und bieten wieder mehr Tasten, statt alle Funktionen in Touchscreens zu verstecken. Bei Lotus, Polestar und Volvo steckt dagegen jede Einstellmöglichkeit in den Tiefen des Screens. Aber obwohl alle drei Marken Teil des chinesischen Geely-Konzerns sind – und im Hintergrund die gleiche Technologie arbeitet – fallen die Bedienlogiken völlig unterschiedlich aus: Im Lotus Emeya klappt alles intuitiv, in den beiden übrigen Modellen sucht man immer wieder ratlos herum, obwohl sogar die gleichen Piktogramme verwendet werden.

Die Gratis-Automesse

Innovationen, Antrieb und Verbrauch, Bedienung und Alltagstauglichkeit – neben dem Preis-Leistungsverhältnis sind all das Entscheidungskriterien bei der Wahl des «Car of the Year». Entschieden ist indes noch nichts. Erst im November wählen die Jurymitglieder aus allen Modellneuheiten je sieben Favoriten. Die insgesamt sieben bestplatzierten Modelle kommen dann auf die Shortlist und werden an zwei Testtagen auf dem Prüfgelände Mortefontaine nahe Paris im Februar 2025 nochmals im Vergleich gefahren. Dann erst steht der Sieger der Wahl fest.

Eigentlich sollten die Jurorinnen und Juroren vorher noch mit ihrer Meinung in der Öffentlichkeit hinter dem Berg halten. Aber immer wieder wird man von freundlichen Dänen beim Testwagen-Wechsel angesprochen: «Und, wie fährt der so?» Denn der Tannistest fungiert für die Einheimischen auch gleich noch als Gratis-Automesse.

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