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Was wird aus dem Diesel?

Was passiert mit der Dieseltechnik in der Autobranche? Während VW den Selbstzünder weiterentwickelt und plötzlich auch die Amis auf den Dieselgeschmack kommen, drehen andere der Technik langsam den Saft ab.
Publiziert: 05.05.2020 um 01:06 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2021 um 20:48 Uhr
Wolfgang Gomoll

Vor knapp fünf Jahren erschütterte der Dieselskandal die Autobranche. Der Hauptschuldige im Skandal um manipulierte Abgaswerte: der VW-Konzern. Köpfe rollten, selbst der mächtige Konzernchef Martin Winterkorn musste gehen. Jetzt setzen die Wolfsburger alles daran, das nachhaltig beschädigte Image des Dieselmotors aufzupolieren. Denn er kann helfen bei der Einhaltung der CO2-Flottengrenzwerte.

Die Zauberformel dafür: Twindosing. Zwei SCR-Katalysatoren, die den Motor im Vergleich zu konventionellen Dieseln bis zu 80 Prozent weniger Stickoxide ausstossen lassen. Die Idee: Ein SCR-Kat mit Harnstoffeinspritzung beginnt mit seiner Reinigungsarbeit nahe am Motor, der andere arbeitet am Unterboden des Fahrzeugs. Aufgrund des grösseren Abstands zum Motorblick ist die Abgastemperatur vor dem zweiten Kat um bis zu 100 Grad niedriger. Zusatzeffekt: Sowohl beim Kaltstart als auch bei der Reinigung des Dieselpartikelfilters entstehen weniger Schadstoffe.

Wichtig für die Klimaziele

«Der Dieselmotor leistet einen wichtigen Beitrag, um die CO2-Flottenverbrauchsziele und die EU-Klimaziele zu erreichen», sagt Markus Köhne, Leiter Dieselentwicklung beim VW-Konzern. Und ergänzt, dass «die Langstreckentauglichkeit das Alleinstellungsmerkmal des Diesels bleiben wird.» Das sehen die Konsumenten ähnlich – 70 Prozent der weltweit bestellten VW Passat haben beispielsweise einen Dieselmotor. Allerdings hat das Twindosing einen Haken: So gut diese Reinigungstechnologie für die Motoren des VW Passat oder Golf 8 sowie für die leistungsstärkeren Audi-Modelle S4, S5, S6 und S7 passt – unterhalb der Golf-Klasse macht sie keinen Sinn. Im Kleinwagen-Segment werden Dieselmotoren wegen der aufwändigen Abgasnachbehandlung gemessen am Anschaffungspreis viel zu teuer, um noch Kunden finden zu können.

Vor knapp fünf Jahren erschütterte der Dieselskandal die Autobranche. Schuld daran: der VW-Konzern. Köpfe rollten. Auch der mächtige Konzernchef Martin Winterkorn musste gehen.
Foto: Werk
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Die Liebe von einst ist vorbei

Nicht alle Hersteller sehen so viel Zukunft im Dieselmotor. Beispiel BMW: Die Münchner verbauen zwar noch diesen Monat in der 3er-Reihe weiterentwickelte Sechszylinder-Selbstzünder mit einer besseren Abgasnachbehandlung und einer Mildhybridisierung (MHEV). Aber bei den leistungsstarken Modellen ist von der einst propagierten Strategie «Power of Choice» – meint: der Kunde kann sich den Antriebsstrang aussuchen – nicht mehr viel übrig. BMW stampft den bärenstarken Vierfach-Turbo der 50d-Modelle mit seinen 400 PS ersatzlos ein.

Das Angebot wird ausgedünnt

Und damit ist BMW nicht alleine. Auch bei Jaguar und Land Rover wird das Dieselangebot spürbar ausgedünnt. So hat der Achtzylinder-Diesel bei den Briten keine Zukunft mehr und wird beim neuen Range Rover (Start: 2021) durch einen rund 350 PS starken Dreiliter-Sechszylinder-Diesel ersetzt. Ähnliches ist bei Mercedes zu beobachten: Der Top-SUV GLS hat als 400 d 4Matic «nur» noch einen Sechszylinder-Diesel mit 330 PS. Immerhin haben die Schwaben einen Plug-in-Hybrid-Diesel im Angebot. Und dieser wird noch in diesem Jahr durch eine Weiterentwicklung mit 48V-Technologie und leistungsfähiger Energie-Rückgewinnung ergänzt.

In Europa flop, in den USA top

Auch PSA-Boss Carlos Tavares reduzierte für seine Konzernmarken Peugeot, Citroën, DS und Opel das Angebot der Selbstzünder zuletzt deutlich. Sein Credo: Es wird nur noch gebaut, was Geld bringt – und das sind bei Kleinwagen hauptsächlich Benziner mit drei und vier Zylindern, Plug-in- und E-Modelle. Es dürfte damit künftig speziell in Europa schwierig werden für den Dieselmotor.

Anders dagegen in den USA: Das einstige Land der Dieselhasser mutiert immer mehr zum Dieselfreund – viele der Full-Size-Pick-Ups werden inzwischen in Amerika mit einem ebenso drehmomentstarken wie sparsamen Selbstzünder geordert. Vielleicht eine neue Zukunft für moderne Dieselmotoren?

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