Da kommen Audi und BMW nicht mit!
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Erste Fahrt Mercedes S-Klasse:Da kommen Audi und BMW nicht mit!

Neue Mercedes S-Klasse: 31 Lautsprecher und 19 Motoren nur im Sitz
Luxus bis zum Abwinken

Das neue Mercedes-Flaggschiff kann 100 Kilometer weit stromern, klingt wie ein Konzertsaal und hat mehr Massageprogramme als ein Physiotherapeut. Aber manchmal ist die S-Klasse so zuvorkommend, dass es nervt.
Publiziert: 28.10.2020 um 03:17 Uhr
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Aktualisiert: 06.01.2021 um 07:56 Uhr
Andreas Faust

Bescheiden waren sie bei Mercedes ja noch nie mit dem Slogan «Das Beste oder nichts». Aber auch Schweizer Autokäufer sagen: Wenn Luxus, dann Benz. Bis Ende September wurden 2020 noch 149 alte S-Klassen eingelöst, obwohl der Nachfolger schon in den Startlöchern steht. Auch wenn auch einige wenige zweitürige Coupés darunter waren: Audi A8, BMW 7er oder Porsche Panamera kamen da kaum mit.

Im Dezember rollt jetzt die neue Generation zu den Händlern – und Mercedes fährt auf, was an Technik und Ausstattung gut und teuer ist. Die Limousine wird zum rollenden Rechenzentrum, kann ein wenig selbst fahren, flüsterleise stromern und bettet uns in tiefe Polster. Sogar auf den Kopfstützen stecken daunenweiche Kissen.

Die Hightech steckt im Interieur

Aussen staatstragend, innen «wow!»: Auf einem riesigen Hochformat-Touchscreen à la Tesla spielt die Musik, lotst das Navi und können bis zu 800 Einstellungen gewählt werden. Je 19 Motoren verstellen die Sitze, das Top-Soundsystem vom Nobel-Töner Burmester kommt mit 1750 Watt und 31 Lautsprechern und lässt die Sitzlehnen mitvibrieren. Zehn Massageprogramme können in 27 Sprachen gestartet werden, 250 LEDs strahlen aus den Verkleidungen und vieles lässt sich auch per Tablet von hinten bedienen. Gibts neue Funktionen, werden die ein- bis zweimal pro Jahr per Mobilfunk ins Auto geladen. Und gegen Aufpreis fängt in der Langversion der weltweit erste Frontairbag für die Rücksitze die Passagiere bei einem Unfall auf.

Luxus bis zum Abwinken: Im Dezember rollt die neue Generation der Mercedes S-Klasse zu den Händlern.
Foto: Mercedes-Benz AG – Global Communications Mercedes-Benz Cars & Vans
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Alle Kameras und Sensoren im und am Auto sind miteinander vernetzt. Absurder Aufwand? Nö, die neue S-Klasse ist ein Ausblick darauf, was in den kommenden Jahren auch viele günstigere Benz-Modelle haben werden. Etwa eine Innenkamera, die uns beobachtet: Blick nach hinten, schon öffnet das Heckscheibenrollo. Ein Winken, und das Radio wird leiser. Ausserdem meldet sie, wenn wir unaufmerksam werden, und startet dann das «Hallo-wach»-Programm mit kühler Luft, Duft und lauter Musik. Oder wiegt müde Passagiere per Massage in den Schlaf.

Dieser Benz denkt mit

Manchmal wirds fast zu viel: Die digitalen Instrumente können zum Beispiel 3D. Deshalb nervt die S-Klasse vor dem Start, unsere Sitzposition sei falsch und die Kamera könne unsere Augenposition fürs 3D-Bild nicht berechnen. Gehts noch? Wir sitzen bequem und bleiben so. Der Touchscreen kann alles, aber sitzt recht tief, um ihn während der Fahrt sicher zu bedienen. Und dann mischt sich die S-Klasse auch noch ins Fahren ein.

Denn das Navi denkt mit. Ist eine Route eingestellt und sind alle Fahrassistenten inklusive Spurhalter und Tempomat scharf, bremst der Vierplätzer automatisch vor Kreiseln oder vor dem Abbiegen, nimmt in Kurven Gas weg und tritt drauf, wenns Tempolimit aufgehoben wird. Das braucht Vertrauen – weiss das Auto, wie schmal die Strasse ist und dass 80 km/h für die Kurve ein bisschen viel sein könnten? Coole Funktion für Vielfahrer und Berufschauffeure, aber uns stresst es noch auf der ersten Testrunde. Pluspunkt: Statt wie bisher per nerviger Panikbremsung das Auto in die Spur zu ziehen, lenkt der Spurhalter jetzt sanft zurück.

Antriebe bis 510 PS

Man kann natürlich auch einfach selbst fahren – wie schwebend und dank Hinterachslenkung so flink, als sässe man in einer Mittelklasselimousine. Geheimtipp ist, ja doch, der Turbodiesel – ein Reihensechser mit 286 (350 d) oder 330 PS (400 d), seidenweichem Lauf, vergleichsweise wenig Verbrauch und üppigem Drehmoment. Zum Start gibts ausserdem zwei Dreiliter-Turbobenziner (367 oder 435 PS) mit zusätzlichem E-Motor mit 22 PS und 48-Volt-System zur Bremsenergierückgewinnung – alle mit Allrad bis auf den Basisdiesel. Standesgemässe acht Zylinder folgen ebenso später wie das Topmodell 580 e.

Dessen Plug-in-Hybrid spannt 150-PS-Elektromotor und 435-PS-Benziner zusammen für 510 PS Systemleistung, schafft dank einer 28,6 Kilowattstunden (kWh) grossen Batterie bis zu 100 Kilometer elektrisch und ist am Schnelllader in 30 Minuten wieder voll. Fährt sich auf der Testrunde wie ein Stromer – und solange er Saft hat, weigert er sich, den Benziner zuzuschalten. Das klappt erst bei Brachialbeschleunigung auf der deutschen Autobahn. Wer immer brav einstöpselt, sieht mit dieser S-Klasse den Tankwart nur auf Langstrecken.

Und was kostet die ganze Hightech? Mindestens 123'100 Franken für die 5,18-Meter-Version und 130'800 Franken für die mit 5,29 Metern Länge. Bloss sind dann viele Spielereien eben noch nicht an Bord. Aber die üppige Optionenliste wird Schweizer Kunden wohl kaum abschrecken.

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