So fährt der Mega-Alfa
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Rücksitze raus, 540 PS rein:So fährt der Mega-Alfa

Neuer Alfa Romeo Giulia GTAm: Rücksitze raus, 540 PS rein
So fährt der Mega-Alfa

Von der Mittelklasse-Limousine zum Rennboliden: Alfa Romeo injiziert seinem Viertürer Giulia als GTAm eine gute Portion Wahnsinn. Und greift preislich in die Vollen.
Publiziert: 20.05.2021 um 01:40 Uhr
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Aktualisiert: 20.05.2021 um 14:31 Uhr
Andreas Faust

Vor 14 Jahren hat Alfa Romeo schon einmal über die Stränge geschlagen. Im Jahr 2007 startete der 8C Competizione. Damals der erste Über-Alfa seit gefühlt Jahrzehnten, auch wegen seines von Ferrari gebauten Maserati-Achtzylinders – deshalb 8C, für «otto cilindri». Alles verpackt in eine hinreissend gerundete Zweisitzer-Karosserie zum Preis von rund 237'000 Franken. Sammler weinten, wenn sie keines der nur 500 Exemplare abbekamen, die vom Alfa-Händler gleich vor die Haustüre geliefert wurden.

Und jetzt? Baut Alfa eine kindersitztaugliche Mittelklasse-Limousine mit 480 Litern Ladevolumen, die alles besser kann als der Supersportwagen von einst. Wem die bisherige 510 PS starke Giulia Quadrifoglio Verde (QV) nicht reicht, der kann jetzt die Giulia GTA bestellen. Oder gleich die Rennstrecken-Version namens GTAm. Und damit wohl alle je gebauten Serien-Alfas in Grund und Boden fahren.

Bolide statt Familienauto

Am besten auf einer abgesperrten Piste wie dem Stellantis-Testzentrum im italienischen Balocco. Eine erratische Strecke, die Geraden, Schikanen und enge 180-Grad-Kehren irgendwie aneinanderreiht. Nach der ersten Runde hat man sie einigermassen drauf – und dann beginnt der Irrsinn. Weil sich die Giulia GTAm so narrensicher anfühlt, dass man immer denkt: Da geht noch mehr. Mit 540 PS reissts uns in 3,8 Sekunden auf Tempo 100 und immer weiter – hat man aber schon schneller gesehen. Und auf die 300 km/h Höchstgeschwindigkeit kommt man selbst hier auf der Piste nie. Also alles im Griff.

So fährt der Mega-Alfa: Mit der Giulia GTA und GTAm setzt Alfa Romeo seiner Mittelklasse-Reihe die Krone auf.
Foto: Zvg
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Denkt man aber auch nur. Bis man doch mal zu schnell auf die Kurve zufliegt, voll auf die Bremse steigt und dann das Heck ansatzlos ins Tänzeln kommt. Der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist bei der GTAm fadendünn, und im enthemmten Race-Modus mag man sich keine typischen Mittelklasse-Limousinenkäufer hinter dem Steuer vorstellen. Was für eine irre Verwandlung.

Wichtig ist das Weglassen

Die Kunst liegt im Weglassen. Zunächst flog im GTAm die Rückbank raus. Vorteil: So wirds auch niemandem hinten mehr schlecht. Raus auch mit Türgriffen, den gerade neu eingeführten Assistenzsystemen und raus mit einigen weiteren Kilo Blech und Glas – Kunststoff-Heckklappe und -fenster tun es ja auch. Um insgesamt 115 Kilo wurde gegenüber der Giulia QV erleichtert. Neu montiert wurden dann Sechspunkt-Gurten wie im Motorsport und 20-Zoll-Räder mit Zentralverschluss, die sich wie im Motorsport «ritsch-ritsch» motorisch lösen lassen. Dazu eine Carbon-Front und -Anbauteile, die von Saubers Formel-1-Team im Windkanal zurechtgeschliffen wurden, breitere Spur und aktive Lufteinlässe. Und damit man auf jeden Fall auffällt, ragt ein mechanisch verstellbarer Heckspoiler auf dem Heckdeckel auf.

Motorisch holen bei GTA und GTAm ein neuer Ölkühler, mehr Drehzahl beim Turbolader und ein extraböse klingender Titan-Auspuff 30 Mehr-PS aus dem von Ferrari entwickelten 2,9-Liter-V6 heraus. Und damit man jemals wieder zum Stehen kommt, wird jetzt per Carbon-Keramikscheiben gebremst. Zum Schluss mussten noch die Alfa-Sauber-Werksfahrer Kimi Räikkönen und Antonio Giovinazzi das Fahrwerk abstimmen – fertig.

Alfa Romeo Giulia GTAm

Antrieb: 2.9-l-V6-Turbobenziner, 540 PS (397 kW), 600 Nm@2500/min, 8-Stufen-Automat, Hinterradantrieb
Fahrleistungen: 0–100 km/h 3,6 s, Spitze 300 km/h
Masse: Länge/Breite/Höhe 4,67/1,92/1,45 m, Gewicht 1580 kg, Kofferraum 480 l
Verbrauch: Werk 10,8 l/100 km = 244 g/km CO2, Energie G
Preise: ab 193'000 Fr., Basisversion GTA ab 188'000 Fr.

Antrieb: 2.9-l-V6-Turbobenziner, 540 PS (397 kW), 600 Nm@2500/min, 8-Stufen-Automat, Hinterradantrieb
Fahrleistungen: 0–100 km/h 3,6 s, Spitze 300 km/h
Masse: Länge/Breite/Höhe 4,67/1,92/1,45 m, Gewicht 1580 kg, Kofferraum 480 l
Verbrauch: Werk 10,8 l/100 km = 244 g/km CO2, Energie G
Preise: ab 193'000 Fr., Basisversion GTA ab 188'000 Fr.

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Bei gleicher Leistung fühlt sich die Giulia GTA mit Rückbank und weniger martialischem Auftritt zwar zahmer an. Aber auch bei ihr ist alles, was mit der Verbindung von Mensch und Maschine zu tun hat, perfekt: Die Sitzposition in den minimal verstellbaren Sportsitzen, Lenkung, Übersicht, die extralangen Alu-Schaltpaddle am Lenkrad, bei denen man nicht danebengreifen kann. Federn und Dämpfer sind gefühlt selbst im Sportmodus weicher als jene der Giulia QV – und so viel geschmeidiger. All das täuscht dann darüber hinweg, dass die Materialien noch ein wenig hochwertiger, die Rückfahrkamera schärfer, der Radioempfang motivierter sein könnten. Und auch das nur zugekaufte Navi ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

Günstig ist anders

Also – wer braucht diese Mega-Giulias? Sicher nicht der junge Familienvater, der im Ferrari den Nachwuchs nicht mehr unterbringen könnte. Diese Giulias sind was für jene Alfisti, die das Kleingeld haben, um sich mal wieder einen Alfa zu gönnen, der an glorreiche Zeiten erinnert. Kleingeld? Satte 188'000 Franken und damit rund 90'000 mehr als die 30 PS schwächere Giulia QV kostet die GTA. Und nochmals 5000 Franken mehr die GTAm, obwohl ihr so viel fehlt. Und das ist dann fast das irrste an diesen Alfas.

Aber es ist wie damals beim 8C Competizione: Wieder werden nur 500 gebaut, und wieder werden die Sammler zuschlagen. Und die Familienväter fahren weiterhin normale Giulias.

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