Renault-Chef Luce de Meo spricht Klartext
«Jeder muss akzeptieren, dass Autos teurer werden!»

Die Autoindustrie steckt im Umbruch – Elektrifizierung, Vernetzung und die Digitalisierung verändern alle Hersteller von Grund auf. Das bleibt laut Renault-CEO Luca de Meo auch für die Kunden nicht ohne Folgen.
Publiziert: 09.09.2021 um 01:17 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2021 um 13:19 Uhr
Andreas Faust

An der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München kochen viele Hersteller auf Sparflamme oder bleiben gleich ganz weg. Nicht so der französische Autobauer Renault. Nachdem sich der Konzern aus der Krise des letzten Jahres mit Milliardenverlusten befreien konnte, zeigt er an der Messe, wie er in die Zukunft fahren will: Mit einer komplett neuen Elektro-Plattform und dem ersten Modell namens Mégane E-Tech Electric, einer eigenen Tochter für Mobilitätsservices und mit neuen Elektromodellen, die coole Autos der Markenvergangenheit wieder aufgreifen.

Weils viel zu berichten gibt, war für Renault-Chef Luca de Meo (54) immer klar: «Natürlich müssen wir an der IAA vertreten sein!» Er habe mit «Oliver» (Zipse, BMW-CEO), «Ola» (Källenius, Daimler-Chef) und «Herbert», dem VW-Boss Herbert Diess, im Vorfeld telefoniert, um ihnen zu versichern, dass seine Marke im Gegensatz zu vielen anderen in München sein werde. «Und im nächsten Jahr werde ich sie wieder anrufen, damit sie mit ihren Marken an die Paris Motorshow kommen. Eine Million Besucher – das kann man nicht ignorieren.» Digitale Präsentationen seien einfach zu wenig: «Ich will Menschen treffen, die Reaktionen spüren», sagt de Meo.

Keine SUVs, zu wenig Stromer

Acht Milliarden Euro hat Renault im letzten Jahr verloren – warum? «Renault hat den SUV-Trend vor vielen Jahren schon verschlafen. Das erklärt unsere Krise.» Und auch bei der Elektromobilität sei man nicht so gut gestartet, wie es möglich gewesen wäre. «Warum haben alle Hersteller zunächst so unansehnliche Elektroautos lanciert? Wir wollten doch den Umstieg, die Kunden überzeugen.» Renaults eigener Twizy, ein Elektro-Quad für maximal zwei, sei ein gutes Konzept – aber es sei schlecht umgesetzt worden. Danach habe sich Renault zudem eine Pause bei der Elektromobilität gegönnt, statt direkt mit neuen Modellen nachzusetzen. De Meo will nun für mehr Kontinuität bei den Innovationen sorgen.

Viva la Renaulution: Unter diesem Slogan kündigte Renault-CEO Luca de Meo (54) im letzten Jahr seine neue Strategie für den französischen Autobauer an.
Foto: OLIVIER MARTIN GAMBIER omg.omg@wanadoo.fr
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Doch derzeit bremst seinen Konzern der Mangel an Halbleiterbauteilen aus: «Ich bin überrascht, dass wir überhaupt noch Autos produzieren können», sagt der Renault-Chef. Vielleicht werde sich die Situation ab November bis Ende Jahr bessern, aber es werde Monate brauchen, um wieder zur Normalität zurück zu kehren. Der Kern des Problems habe aber wenig mit der Corona-Krise zu tun – er sei ein strukturelles Problem der Abhängigkeit von wenigen Chipherstellern. Die Pandemie und ihre Folgen hätten diese Abhängigkeit nur aufgedeckt.

Günstig? Dafür gibts Dacia

VW hat unerwartet mit dem ID.Life an der IAA einen Ausblick auf sein kommendes kleines E-Modell gegeben – beunruhigt ihn das im Hinblick auf seine geplanten Modelle? «Nö – unser R5 kommt ein Jahr früher», grinst de Meo. Und wird ernst. Kleine Elektroautos würden nicht zwingend günstiger, im Gegenteil: «Jeder muss akzeptieren, dass Autos teurer werden!» Wenn Kunden statt des Tasten-Handys à la Nokia lieber ein Smartphone wollen, bezahlten sie schliesslich auch dafür. Vernetzung und Elektrifizierung bedeuteten einen grossen Technikschritt, den sich die Autohersteller bezahlen lassen müssten. Und auch die schärferen Regularien für Sicherheit und Emissionen würden die Kosten weiter nach oben treiben. Wer es günstig wolle, solle eine Occasion kaufen. «Oder einen Dacia», sagt de Meo. Die rumänische Tochter sei Renaults Antwort auf die technisch oft veralteten Modelle auf dem Gebrauchtmarkt.

Persönlich: Luca de Meo

Seit Juli 2020 ist der 54-jährige Mailänder Chef von Renault. Eine Rückkehr: Der studierte und promovierte Betriebswirt startete einst beim französischen Autobauer seine Karriere und wechselte dann über Toyota und den Fiat-Konzern zu Volkswagen. Dort war er zuletzt seit 2015 CEO von Seat und einer der Architekten der neuen Marke Cupra.

Seit Juli 2020 ist der 54-jährige Mailänder Chef von Renault. Eine Rückkehr: Der studierte und promovierte Betriebswirt startete einst beim französischen Autobauer seine Karriere und wechselte dann über Toyota und den Fiat-Konzern zu Volkswagen. Dort war er zuletzt seit 2015 CEO von Seat und einer der Architekten der neuen Marke Cupra.

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Um die Kosten zu zähmen, will de Meo mit Kooperationspartner Nissan die Zahl der Gleichteile erhöhen. Derzeit teilen sich beide Marken 80 Prozent der Komponenten; künftig sollen es deutlich mehr werden. Aber: «Aus Tomatensauce macht man kein Sushi.» Mit den gleichen Teilen Modelle unterschiedlicher Marken zu bauen, die klar unterschiedliche Images und Kundenkreise haben, funktioniere nicht. Grösse kille Individualität, dass habe er bei seinem früheren Arbeitgeber (dem VW-Konzern) ja erlebt. Einzigartigkeit sei wichtiger als gleiche Komponenten.

Mégane bleibt Mégane

Die Elektromobilität ist in den letzten zwei Jahren ans Laufen gekommen – was wird der nächste Megatrend der Autobranche? «Die Integration des Autos ins Internet der Dinge», ist de Meo überzeugt. Dieser Prozess sei schwierig, schwieriger als die Umstellung auf Strom statt Sprit, weil er neues Denken der Mitarbeitenden erfordere. Dort lasse sich mit Services auch Geld verdienen, ganz im Gegensatz zum autonomen Fahren, wie de Meo erklärt: «Ich frage immer zuerst: Wo ist das Geld, wo ist der Business-Case? Für Uber macht autonomes Fahren Sinn, weil es den Kostenfaktor Fahrer aus der Kalkulation kürzt. Aber wir verkaufen bloss – Autos. Wenn autonomes Fahren die Produktivität unserer Kunden erhöhen kann, ihnen mehr Zeit bringt – erst dann wird es für mich interessant.»

Letzte Frage: Warum heisst der elektrische Mégane genau wie sein Vorgänger? «Wir haben nicht hunderte von Millionen Euro ausgegeben, um diesen Namen in den letzten 25 Jahren aufzubauen – und werfen ihn dann einfach weg», sagt de Meo. Zumal der Mégane mit Verbrenner bald auslaufe. Dem Elektromodell gehöre die Zukunft.

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