Richtige Antriebswahl
So fahren wir optimal in die Zukunft

Die Zukunft der Mobilität wird elektrisch sein. Noch können, wollen oder sollten aber nicht alle umsteigen. Da das Angebot an Antriebskonzepten noch nie grösser war, kann jeder nach seinen Bedürfnissen nachhaltig unterwegs sein.
Publiziert: 06.11.2021 um 15:07 Uhr
Martin A. Bartholdi

Sich heute für das richtige Auto zu entscheiden, ist kompliziert. Denn zu den zahlreichen verschiedenen Marken und Modellen stehen auch unterschiedliche Antriebssysteme zur Wahl. Nur Benziner und Diesel? Das war vorgestern.

Auch wenn die Mobilität der Zukunft mit grosser Wahrscheinlichkeit elektrisch sein wird, haben alle Antriebssysteme heute noch ihre Berechtigung. Denn so individuell unsere Lebensentwürfe, so sehr unterscheiden sich unsere Wünsche ans Auto.

Das Elektro-Aber

Die Elektromobilität erlebt derzeit einen Boom – aber wer in der Etagenwohnung oder als Laternenparker keine heimische Lademöglichkeit hat, wird sich dennoch für einen anderen Antrieb entscheiden. Und für Langstreckenfahrten beispielsweise dürfte auch heute noch der Dieselmotor die ökologischste und ökonomischste Antriebsvariante sein.

1985«Zurück in die Zukunft»: Mit Atomantrieb reist der DeLorean in die Zukunft, zurück kommt er per Kompostantrieb. Kompogas hat diese Filmvision in der Schweiz wahr gemacht.
Foto: Universal Archive
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Entscheidend sind die Häufigkeit der Autonutzung, das Fahrprofil im Alltag, das zur Verfügung stehende Budget, aber auch die Wohnsituation und die lokale Infrastruktur. Wir bringen Licht in den Antriebsdschungel und zeigen, wie Sie heute ihre ideale Antriebstechnologie finden können.

Die klassische Technik

Benzin- und Dieselmotoren sind seit Jahrzehnten die Pfeiler unserer Mobilität. Trotz aufkommender Elektromobilität werden sie das auch noch viele Jahre bleiben. Schon weil es nicht nachhaltig ist, ein tadelloses Verbrennerauto ohne Not durch ein Elektroauto zu ersetzen.

Für viele bleiben Benziner (z.B. Mazda MX-5) und Diesel (z.B. BMW X5) die erschwinglichsten Autos. Wegen der vergleichsweise einfachen Technik sind sie bei den Anschaffungskosten im Vorteil. Der Diesel ist wegen zusätzlicher Abgasbehandlung etwas teurer als ein vergleichbarer Benziner. Moderne Modelle kommen zwar oft über 1000 Kilometer weit mit einer Tankfüllung und stossen weniger CO2 aus, dafür entstehen Schadstoffe wie Stickoxide (NOx). Wegen des geringen Verbrauchs ist der Diesel für Lang- und Vielfahrer günstiger als ein E-Auto, da die Schnellladung unterwegs noch eher teuer ist. Benziner sind für Wenig- und Kurzstreckenfahrer eine gute Wahl. Dank gutem Tankstellennetz bieten Verbrenner hohe Flexibilität.

Des Verbrenners Zukunft?

Alternativ bietet sich ein Erdgasauto (z.B. Seat Arona TGI) an – wenn sich eine Gas-Tankstelle in der Nähe befindet. Bei der Verbrennung von Naturgas entstehen bis zu 30 Prozent weniger CO2 und bis zu 95 Prozent weniger NOx. Dazu ist Erdgas günstiger als Benzin und Diesel und je nach Zusammensetzung bei 100 Prozent Biogasanteil sogar CO2-neutral und damit steuerbefreit. Dem stehen weniger Laderaum, eine geringe Reichweite trotz Benzin-Zusatztanks und das dünne Tankstellennetz gegenüber.

Dank synthetischer Treibstoffe könnten Verbrenner doch eine Zukunft haben. Sogenannte E-Fuels können industriell produziert und über bestehende Tankstellen ohne Umbau auch in Verbrenner-Occasionen genutzt werden. Per Ökostrom produzierter Wasserstoff und CO2 werden zu dann CO2-neutralem Benzin oder Diesel synthetisiert. Noch steckt die Technologie im Versuchsstadium; der Literpreis wäre zudem derzeit nicht konkurrenzfähig.

Die Übergangs-Technologie

Der Hybrid-Antrieb kombiniert die Verbrennervergangenheit mit der Elektrozukunft. Es gibt Mild-, Voll- und Plug-in-Hybride: Schon jetzt sind sie weit verbreitet, und mittelfristig dürften bei uns alle Benzin- und Dieselautos ab der Kompaktklasse mit milder Hybridisierung (z.B. Mercedes E-Klasse) ausgerüstet werden: Ein elektrischer Starter-Generator startet den Motor, der Generator schiebt zudem beim Beschleunigen mit an und rekuperiert beim Bremsen Energie in eine eher kleine Batterie. Damit wird auch das spritsparende «Segeln» möglich, das Ausnutzen des Schwungs bei abgestelltem Motor.

Beim Vollhybrid (z.B. Toyota Prius) ist die Batterie deutlich grösser und an einen stärkeren Elektromotor gekoppelt. Er unterstützt den Benziner vor allem beim Anfahren und Rollen bei geringem Tempo. Dadurch kann er gerade im Stadtverkehr den Verbrauch senken. Die Batterie wird beim Bremsen oder vom Verbrenner geladen, wodurch es zu Hause keine Ladestation braucht. Vollhybride können, wenn überhaupt, nur kurze Strecken rein elektrisch fahren.

Auch mit Stecker

Dafür gibts die Plug-in-Hybride (z.B. Mitsubishi Outlander). Dank grösseren Batterien schaffen die meisten heute 50 Kilometer und mehr mit einer Akkuladung – einige schon bis zu 100 Kilometer. Wer den Schritt zum Elektroauto noch nicht wagt, kann sich so ans elektrische Fahren herantasten. Für längere Strecken bietet ein Plug-in-Hybrid die Reichweiten-Sicherheit eines Verbrenners, auf kurzen kann rein elektrisch gefahren werden. Dazu sollte die Batterie wenn immer möglich per Stecker geladen werden können – ob zu Hause oder am Arbeitsplatz.

Bei fast leerem Akku besteht zwar eine Stromreserve für klassischen Hybrid-Betrieb, aber wegen der deutlich schwereren Batterie steigt der Verbrauch markant an. Je mehr ein Plug-in rein elektrisch fährt, desto tiefer ist der Verbrauch und desto schneller der leicht höhere Preis amortisiert.

Die elektrische Zukunft

Heute stehen die Zeichen auf Elektro. Die meisten E-Autos (z.B. Tesla Model 3) «tanken» den Strom per heimische Wallbox oder öffentliche Ladesäule. Ihre reale Reichweite liegt heute zwischen 300 und 450 Kilometern. Es gibt aber auch schon in fast jeder Preisklasse Modelle, die 600 oder mehr Kilometer schaffen. Stromer sind nicht nur lokal CO2-neutral, sondern sparen auch Unterhaltskosten, weil es weniger Verschleissteile gibt. Im Gegenzug bieten sie flüsterleise Fahrfreude, weil ihr enormes Drehmoment schon ab dem Anlaufen des E-Motors zur Verfügung steht.

Ohne die heimische Lademöglichkeit geht es aber nicht – wegen der langen Ladezeit. Dabei sollte es eine Wallbox und nicht nur die herkömmliche Steckdose sein, sonst dauert der Ladevorgang Tage statt nur über Nacht. Mit Schnellladung genügen unterwegs 30 Minuten für 80 Prozent der Reichweite, die heimische Wallbox mit längerer Ladezeit ist aber schonender für Akku und Portemonnaie. Deshalb empfiehlt sich Schnellladung nur in Ausnahmefällen für längere Strecken.

Strom zum Tanken statt Laden

Bei den noch seltenen Wasserstofffahrzeugen (z.B. Hyundai Nexo) schliesslich wird der Strom an Bord per Brennstoffzelle generiert. Dabei reagiert der mitgeführte Wasserstoff (H2) mit Sauerstoff (O2) aus der Umgebungsluft. Es entsteht Strom und als Nebenprodukt Wasser (H2O), das als Wasserdampf ausgestossen wird. Für höheren Leistungsbedarf liefert eine Pufferbatterie den nötigen Strom fürs Anfahren oder Beschleunigen.

Eine Tankfüllung reicht für über 500 Kilometer; das Nachfüllen dauert drei bis vier Minuten. Mit erneuerbarem Strom lässt sich Wasserstoff CO2-neutral produzieren. Bislang gibt es allerdings nur sieben Wasserstoff-Tankstellen in der Schweiz, nächstes Jahr sollen acht weitere hinzukommen.

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