Schweizer Neuwagenmarkt
Stürzt BMW Leader VW vom Thron?

Noch vor zehn Jahren verkaufte VW in der Schweiz fast doppelt so viele Neuwagen wie BMW. Inzwischen liegen die beiden Marken praktisch gleich auf und VW droht erstmals seine Leaderposition in der Schweiz zu verlieren. Wie konnte es so weit kommen?
Publiziert: 24.06.2024 um 06:58 Uhr
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Aktualisiert: 24.06.2024 um 16:17 Uhr
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Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Wer ist die Nummer 1 auf dem Schweizer Neuwagenmarkt? Bislang lautete die Antwort stets: VW. Seit mittlerweile 25 Jahren verkauft Volkswagen mit seinen populären Modellen Golf, Tiguan oder Polo am meisten Neuwagen in der Schweiz. Noch vor zehn Jahren lag VW in der Schweizer Neuwagen-Verkaufshitparade mit 40’838 Neuzulassungen und 13,3 Prozent Marktanteil mit grossem Abstand vor BMW mit 21’468 neu zugelassenen Autos und einem Marktanteil von sieben Prozent an der Spitze.

Dann wurde 2015 der VW-Dieselskandal publik – und in der Folge schmolzen in der Schweiz die VW-Absatzzahlen wie der Schnee auf unseren Gletschern. Kam VW 2016 in der Schweiz noch auf 42’743 Neuzulassungen (13,3 Prozent Marktanteil), waren es zwei Jahre später nur noch 33’398 (11,0 Prozent). Also fast 10’000 Autos oder knapp ein Viertel weniger. Derweil hielt BMW seine Absatzzahlen und Marktanteile während dieser Zeit bei jährlich rund 24’000 Neuzulassungen stabil.

CH-Neuwagenzulassungen VW und BMW von 2014 bis 2023

Jahr VW-Neuwagen Marktanteil BMW-Neuwagen Marktanteil
201440'83813,3 %21'4687,0 %
201543'13213,1 %24'4417,4 %
201642'74313,3 %25'0857,8 %
201736'48011,5 %25'1427,9 %
201833'39811,0 %24'3798,1 %
201935'05011,1 %24'8987,9 %
202026'81111,2 %21'4568,9 %
202126'41010,8 %21'1238,7 %
202226'24211,4 %19'8918,6 %
202329'22211,3 %21'5368,3 %
Quelle: GFB



Eine nächste Zäsur bei den VW-Neuzulassungszahlen brachte das Coronajahr 2020. Zwar verkaufte auch BMW in dieser Periode knapp 3500 Neufahrzeuge weniger (21’456), der Absatz bei VW reduzierte sich allerdings um über 8000 Fahrzeuge auf noch 26’811 Neuwagen. In den letzten zwei Jahren 2022 und 2023 vermochte VW im Gegensatz zu Rivale BMW zwar wieder einige Marktanteilsprozente zuzulegen, doch in diesem Jahr läufts bei VW in der Schweiz gar nicht mehr geschmiert.

25 Jahre lang stand VW in der Schweiz ununterbrochen an der Spitze der Neuwagen-Verkaufshitparade.
Foto: Christoph Boerrieswww.christophboerries.de
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2024: BMW top, VW schlapp

Nehmen wir die aktuellen Zahlen der ersten fünf Monate dieses Jahres genauer unter die Lupe (siehe Tabelle unten), so liegt VW in der offiziellen Schweizer Neuwagen-Zulassungsstatistik (inklusive Direktimporte) nur noch hauchdünn mit 41 Neufahrzeugen und einem Marktanteilsvorsprung von 0,1 Prozent vor BMW. Setzt sich der Trend in den kommenden Monaten im selben Stil fort (VW –7,7 Prozent Marktanteil, BMW +15,6 Prozent), wird VW bis Ende Jahr erstmals seit 1999 seine Leaderposition auf dem Schweizer Neuwagenmarkt verlieren.

CH-Neuwagenzulassungen VW & BMW: Januar bis Mai 2024

Monat VW-Neuwagen Marktanteil BMW-Neuwagen Marktanteil
Januar13588,6 %15489,8 %
Februar15328,1 %15858,4 %
März242110,0 %21288,8 %
April19899,9 %19439,7 %
Mai218110,3 %223610,6 %
Jan.–Mai94819,5 %94409,4 %
Quelle: GFB



Bei BMW Schweiz freut man sich. «Wir wollen bis Ende Jahr die Leaderposition im Premium-Segment behaupten und die strengen CO₂-Vorgaben des Bundes aus eigener Kraft erfüllen», erklärt BMW-Kommunikationsdirektor Sven Grützmacher. BMW sei der einzige Premium-Volumenhersteller, dem dies in der Schweiz seit 2016 kontinuierlich gelungen sei.

VW-Chef Gregorini nimmt Stellung

Aber warum schwächelt VW im bisherigen Jahresverlauf? Das wollten wir vom Schweizer VW-Markenchef Claude Gregorini wissen. «Es stimmt, dass wir per Ende Mai im Vergleich zum Vorjahr neun Prozent weniger Fahrzeuge an Kunden in der Schweiz ausgeliefert haben. Schuld daran ist der fast gleichzeitige Modellwechsel beim VW Tiguan, Passat und T-Cross. Diese wichtigen Modelle trafen erst ab März bis Juni bei uns ein. Und der neue Golf wird auch erst ab Juli bei uns eingeführt.» Als zusätzliche Herausforderung nennt Gregorini den Umstand, dass die stark gefragten Plug-in-Hybrid-Modelle alle erst in der zweiten Jahreshälfte lieferbar sein werden.

Der VW-Chef zeigt sich denn ob der kleinen Baisse auch nicht gross beunruhigt: «Ab Juli treten wir mit einer rundum erneuerten Modellpalette an. Deshalb rechnen wir dann mit hohen Verkaufszahlen, welche die Anfang Jahr nicht realisierten Verkäufe mehr als kompensieren werden.» Gregorini hat deshalb auch keine Angst, mit VW Ende Jahr nicht mehr die Nummer 1 zu sein. «Falls nichts Unvorhergesehenes passiert, wird VW auch Ende 2024 an der Spitze der Schweizer Verkaufsstatistik stehen», ist er überzeugt.

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