Tristesse am Pariser Autosalon
Trübe Aussichten für Europas Automarkt

Einst war der Pariser Autosalon eine der wichtigsten Automessen der Welt – nach vier Jahren Corona-Pause ist sie nicht mehr wiederzuerkennen. So trist die Stimmung in Paris, so schlecht sind die Aussichten für den europäischen Automarkt.
Publiziert: 17.10.2022 um 12:19 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 17:18 Uhr
Andreas Engel

Der Mondial de l'Automobile in Paris gehörte jahrzehntelang zu den wichtigsten Automessen der Welt – gleichbedeutend wie der Genfer Autosalon, die Frankfurter IAA oder die Detroit Motorshow. Der Pariser Salon im Herbst galt stets als eine Art Stimmungsbarometer fürs kommende Autojahr. «2022 fallen die Aussichten doppelt trist aus», schätzt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer (71) vom CAR-Center der Uni Duisburg (D) die Lage ein.

Zum einen ist es die Autoshow selbst, die noch bis Sonntag, 23. Oktober, für Messebesucherinnen und -besucher geöffnet ist. Nach dem coronabedingten Ausfall der alle zwei Jahre stattfindenden Messe 2020 sollte es dieses Jahr zum grossen Neustart kommen. Beim Blick auf die Ausstellerliste kann aber getrost von Fehlstart gesprochen werden. Einzig die französischen Marken Renault und die rumänische Tochter Dacia, die Stellantis-Marken Peugeot, DS und Jeep sowie die beiden China-Newcomer BYD und Great Wall sind in Paris vertreten. Die Liste der Abwesenden ist erdrückend: Ob Audi, BMW oder Mercedes. Ford, Hyundai-Kia, Toyota oder Volkswagen. Alfa Romeo, Fiat, Mazda, Opel, Suzuki oder Volvo. Nicht einmal Citroën ist beim Heimspiel in den Messehallen dabei. Es ist eine traurige Situation für die europäische Autobranche: Eine Automesse ohne Autobauer. «Damit dürften die Chancen, dass der Mondial auch nach dem Jahr 2022 weiterlebt, gegen null tendieren», sagt Dudenhöffer.

Dunkle Prognosen für Europa

Als Stimmungsbarometer taugt die Pariser Autoshow aber dennoch: Ausgehend von Prognosen des Internationalen Währungsfonds IWF wird das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP), das direkt mit den Autokäufen korreliert, in den kommenden Jahren besonders in Europa deutlich sinken – von 5,9 Prozent in diesem Jahr auf 2,1 Prozent 2023. 2024 soll es gar nur noch um 0,6 Prozent wachsen. Ähnlich schlecht, wenn auch nicht ganz so düster, sieht es aktuell nur für den einst wichtigsten Automarkt der Welt USA aus – dort soll das BIP-Wachstum 2024 immerhin 1,0 Prozent betragen. Konkret rechnet Dudenhöffer damit, dass die Zahl verkaufter Autos nächstes Jahr in Europa sogar sinken wird – von 11,0 Millionen 2022 auf dann 10,8 Millionen. Für Nordamerika zeigt die Prognose immerhin ein leichtes Plus von 16,1 Millionen 2022 auf 16,3 Millionen im nächsten Jahr.

Paris: Stadt der Liebe und der chronisch verstopften Strassen. Der alle zwei Jahre stattfindende Autosalon zählte bislang zu den wichtigsten Automessen der Welt.
Foto: Getty Images
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China ist die Lokomotive

Während die westlichen Automärkte in der Klemme stecken, nehmen jene in Fernost wieder Fahrt auf. Besonders Indiens BIP soll kräftig wachsen – 6,8 bzw. 6,1 Prozent in den kommenden zwei Jahren. «Doch die Lokomotiven-Funktion übernimmt erneut China», sagt Dudenhöffer. Mit seinen Konjunkturprogrammen kurbelt das bevölkerungsreichste Land der Welt seine Wirtschaft an – mit globalen Auswirkungen. Denn weil laut Dudenhöffer die Anzahl verkaufter Autos in China jährlich um rund eine Million steigen soll – von 21,1 Millionen 2021 auf knapp 24 Millionen 2024 –, wird sich damit auch der Welt-Automarkt wieder erholen und im Jahr 2024 über die Marke von 73 Millionen verkaufter Neuwagen klettern. Dieses Jahr werden hingegen wohl deutlich weniger als 70 Millionen neue PWs weltweit verkauft.

Renaissance der Rabatte

Für Kundinnen und Kunden in Europa haben die negativen Wachstumsaussichten aber auch etwas Positives – zumindest, wenn etwas Geld zum Investieren auf der Seite liegt. Denn weil die Hersteller in den letzten beiden Jahren wegen fehlender Halbleiter, Lockdowns und brüchigen Logistikketten weniger Autos bauen konnten, wurden die wenigen verfügbaren Neuwagen mit hohen Margen vermarktet. «In Deutschland zum Beispiel waren die Neuwagen-Rabatte in den letzten zehn Jahren nie so niedrig wie in den vergangenen Monaten», sagt Dudenhöffer. Das werde 2023 vorbei sein. «Inflation, hohe Energiepreise und Rezession verursachen Kaufblockaden für Neuwagen. Mit dem Jahr 2023 kommt die Renaissance der Autorabatte. Und die triste Autoshow in Paris gibt den Startschuss.»

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