BYD, Great Wall, Nio und weitere kommen nach Europa
Überrollen China-Marken Europas Autoindustrie?

Am Pariser Auto Salon trumpfen chinesische Marken erstmals in Europa gross auf. Renaults CEO Luca de Meo nimmt die neue Konkurrenz gelassen, aber Stellantis-Boss Carlos Tavares ist alarmiert.
Publiziert: 19.10.2022 um 20:15 Uhr
Andreas Faust

Wer in diesem Jahr über den Pariser Autosalon (noch bis 23. Oktober) geht, reibt sich verwundert die Augen. Statt den französischen Marken machen sich zwei chinesische Konzerne besonders breit in den Messehallen. Built Your Dreams (BYD) und Great Wall Motors (GWM) mit der Marke Ora und dem Luxus-Ableger Wey. Vorbei sind die Zeiten, als Chinas Autobauer bloss mit Kopien beliebter West-Modelle, mieser Verarbeitung oder heiklem Crashverhalten auffielen. Der globale Schwenk zum Elektroantrieb macht fast 130 Jahre Verbrenner-Expertise der etablierten Marken zum Muster ohne Wert – E-Autos auf globalem Qualitätsniveau kann heute fast jeder Tech-affine Konzern bauen.

Entsprechend rasant sind die neuen Marken aus China unterwegs in Richtung Europa – so rasant, dass europäischen Marken Angst und Bange werden könnte. Norwegen mit seinem E-Auto-Boom gilt als Startpunkt, danach sollen aber auch die fetten Automärkte wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien erobert werden. BYD startet noch dieses Jahr in Dänemark, Deutschland, Israel, Niederlande und Schweden. Mit einem noch unbekannten Partner in der Schweiz wird bereits verhandelt – bei uns könnte es 2023 losgehen. Blick konnte in den ersten drei Modellen Han, Tang und Atto 3 schon eine Runde drehen – da erinnert nichts mehr an die Billig-Autos von einst.

Wer ist BYD?

Build Your Dreams (BYD) – sozusagen vom Tellerwäscher zum Millionär: Der chinesische Konzern startete 1995 als Bastelbude für wiederaufladbare Batterien – heute ist er der weltweit zweitgrösste Batterieproduzent hinter CATL. Zusätzlich zur Autobranche ist er auch in den Bereichen Elektronik, neue Energien und Eisenbahnen tätig. Im vergangenen Jahr hat BYD Tesla als weltweit führenden Elektroautobauer abgelöst. Auf dem Heimmarkt China hat die Marke längst Volkswagen abgehängt.

Die Fertigung von Verbrennungsmotoren hat BYD im März 2022 schon eingestellt und setzt nur noch auf E-Autos mit der hauseigenen sogenannten Blade-Batterie, die ohne giftiges Kobalt auskommt und 15 Prozent weniger Gewicht und 20 Prozent weniger Volumen als vergleichbare Akkus aufweist. Rund 70'000 Ingenieure arbeiten derzeit für BYD.

Build Your Dreams (BYD) – sozusagen vom Tellerwäscher zum Millionär: Der chinesische Konzern startete 1995 als Bastelbude für wiederaufladbare Batterien – heute ist er der weltweit zweitgrösste Batterieproduzent hinter CATL. Zusätzlich zur Autobranche ist er auch in den Bereichen Elektronik, neue Energien und Eisenbahnen tätig. Im vergangenen Jahr hat BYD Tesla als weltweit führenden Elektroautobauer abgelöst. Auf dem Heimmarkt China hat die Marke längst Volkswagen abgehängt.

Die Fertigung von Verbrennungsmotoren hat BYD im März 2022 schon eingestellt und setzt nur noch auf E-Autos mit der hauseigenen sogenannten Blade-Batterie, die ohne giftiges Kobalt auskommt und 15 Prozent weniger Gewicht und 20 Prozent weniger Volumen als vergleichbare Akkus aufweist. Rund 70'000 Ingenieure arbeiten derzeit für BYD.

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Emil Frey ist dran

Bei GWM ist schon ein Schweizer Unternehmen mit im Boot: Die Emil-Frey-Gruppe – in der Schweiz der zweitgrösste Importeur, aber vor allem grösster Auto-Handelskonzern Europas – wird in Europa den Vertrieb der Marken Wey und Ora übernehmen. Los gehts mit dem Edel-SUV Wey Coffee 01 und dem Kleinwagen Ora Funky Cat – beide natürlich elektrisch. «In Deutschland lancieren wir Wey noch dieses Jahr mit einem Agenturmodell», sagt Europa-Marketingchef Thiemo Jahnke. Heisst: Den Kaufvertrag macht der Kunde direkt mit dem Hersteller; die geplanten 60 Stützpunkte kümmern sich um Probefahrten, Fahrzeugübergabe und den Service.

Am Pariser Autosalon machen chinesische Autobauer wie Build Your Dreams (BYD) mehr Eindruck als die heimischen französischen Hersteller.
Foto: BYD
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Erste Coffee 01 sollen aber erst 2023 auf die Strasse rollen. «Beim Ora Funky Cat gehts schneller», sagt Jahnke – Ende Jahr solls schon losgehen mit 200 Händlern in Deutschland. Und in der Schweiz? Die Gespräche mit dem Importeur – Blick würde sich wundern, wenn es nicht die Emil Frey AG wäre – hätten gerade erst begonnen; noch sei nichts entschieden, erklärt Jahnke.

Wer ist Great Wall Motors?

Seinen Namen hat Great Wall von der global bekanntesten Attraktion Chinas – der Chinesischen Mauer, von der sich eine Mauerecke auch im Logo findet. Im Jahr 1984 gegründet, war das Unternehmen der erste private Autobauer im sonst noch kommunistisch geprägten Wirtschaftssystem Chinas. Die inzwischen zahlreichen Modelle werden unter den Marken Haval (Volumenmodelle), Ora (Elektroautos) und Tank (Geländewagen) verkauft; das Nobelsegment bedient Wey. Rund 82'500 Mitarbeitende erwirtschafteten 2023 einen Umsatz von umgerechnet rund 21 Mrd. Franken.

Seinen Namen hat Great Wall von der global bekanntesten Attraktion Chinas – der Chinesischen Mauer, von der sich eine Mauerecke auch im Logo findet. Im Jahr 1984 gegründet, war das Unternehmen der erste private Autobauer im sonst noch kommunistisch geprägten Wirtschaftssystem Chinas. Die inzwischen zahlreichen Modelle werden unter den Marken Haval (Volumenmodelle), Ora (Elektroautos) und Tank (Geländewagen) verkauft; das Nobelsegment bedient Wey. Rund 82'500 Mitarbeitende erwirtschafteten 2023 einen Umsatz von umgerechnet rund 21 Mrd. Franken.

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Und wie reagieren die Europäer auf die erste ernsthafte Konkurrenz aus China? Renault-Boss Luca de Meo (55) bleibt gelassen: «Erst die Japaner, dann die Koreaner – und jetzt drängen eben die Chinesen in unsere Märkte.» Er habe das schon vor fünf, sechs Jahren kommen sehen: «Und es werden weitere folgen; auch aus Indien oder der Türkei.» Kein Grund zur Panik: Im Kern gehe es immer um Wettbewerb – ob zwischen europäischen Marken oder im globalen Massstab. Entscheidend sei, dass man gute Produkte dagegen setzen könne.

Stellantis-CEO ist besorgt

Ganz anders siehts Carlos Tavares (64), Chef des 14-Marken-Konzerns Stellantis (u.a. Alfa Romeo, Citroën, DS, Fiat, Jeep, Opel und Peugeot). Er vergleicht den Konkurrenzkampf mit den chinesischen Wettbewerbern mit jenem in der Luftfahrt: «Chinesische Marken sind wie Billig-Airlines: Zuerst haben die mit 150-Euro-Flügen nach Mallorca die Etablierten aus dem Markt gedrückt – jetzt können sie die Preise hochtreiben aufs drei- und vierfache.»

Europäische Marken könnten wegen ihrer hohen Kosten derzeit keine Elektroautos auf dem Preisniveau mancher China-Marke anbieten – wenn Rohstoff- und Energiepreise im Zuge des Ukraine-Kriegs weiter steigen würden, könne sich bald die gesellschaftliche Mittelklasse kein E-Auto aus Europa mehr leisten. «Dann werden die günstigen chinesischen Marken massiv Marktanteile gewinnen – und heimische Marken verdrängen und danach die Preise diktieren.»

Jobs auf der Kippe?

Am meisten nervt Tavares, dass die Europäische Union (EU) den chinesischen Herstellern den Markt komplett öffne: «In China haben wir mit Beschränkungen und staatlichen Regulierungen zu kämpfen, in Europa dürfen die chinesischen Marken alles – das ist kein fairer Wettbewerb!» Aber: Einige Stellantis-Marken haben den China-Boom der letzten zehn Jahre auch völlig verschlafen – die Konkurrenz von BMW über Mercedes bis zum VW-Konzern ist in China massiv besser unterwegs. Stellantis denkt deshalb gar über einen Rückzug aus China nach.

Tavares fordert Marktbegrenzungen und die Verteidigung der europäischen Autoindustrie durch die EU – springe sie nicht in Bresche, solle sich die EU später nicht beschweren, wenn Hundertausende Jobs gestrichen werden müssten. Eine Strategie, mit der sich Renault-CEO Luca de Meo so garnicht anfreunden kann: «Protektionismus zerstört die Märkte und die Entwicklungsmöglichkeiten – das habe ich schon im ersten Semester an der Universität gelernt.»

Aber die nächsten Newcomer stehen schon bereit: Noch europäischer als die Konkurrenz aus China tritt der vietnamesische Autobauer Vinfast auf. Seit diesem Jahr in Deutschland vertreten, zeigt er zu den Modellen VF8 und VF9 in Paris den neuen VF7. Noch dieses Jahr solls auch in Frankreich und den Niederlanden mit dem Verkauf losgehen; die Schweiz folgt später in einer zweiten Welle. Und am Design der Vinfast-Modelle lässt sich schon ablesen, von welcher Marke man unter anderem gerne Kunden gewinnen würde: Renault.

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