Die Verkehrsregel im Detail
Wann darf man rechts vorbei?

Seit 2021 ist in der Schweiz Rechtsvorbeifahren erlaubt. Aber Achtung: Rechtsüberholen bleibt verboten! Die Abgrenzung jedoch erweist sich als heikel. BLICK klärt auf.
Publiziert: 15.05.2021 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2023 um 17:19 Uhr
Timothy Pfannkuchen

Zahlreiche neue Verkehrsregeln traten 2021 in Kraft (hier alle neuen Regeln in der Übersicht). Mit die wichtigsten sind die Reissverschluss-Pflicht – und das Rechtsvorbeifahren. Hier wird an sich nur endlich legalisiert, was in der Rushhour längst Alltag ist – aber die neue Regelung wirft auch Fragen auf.

Zur Neuregelung führte eine Verzeigung ohne Augenmass: Als die Mittelspur langsamer wurde, bremste ein Lenker auf der A1 bei Bern nicht ab, sondern fuhr mit seinen 90 km/h rechts an zwei Autos auf der Mittelspur vorbei. Die Folge: 3100 Franken bedingt, 1550 unbedingt. Der Protest des Lenkers vor dem Bundesgericht hatte 2016 Erfolg. Es brauchte also eine neue Regel.

Rechts vorbei im Wortlaut

In der Verkersregelnverordnung (VRV) heisst es ab 1.1.2021 in Artikel 36/5 neu zu Autobahnen und Autostrassen: «Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist untersagt. Der Fahrzeugführer darf jedoch mit der gebotenen Vorsicht in folgenden Fällen rechts an andern Fahrzeugen vorbeifahren: a. bei Kolonnenverkehr auf dem linken oder mittleren Fahrstreifen; b. auf Einspurstrecken, sofern für die einzelnen Fahrstreifen unterschiedliche Fahrziele signalisiert sind; c. sofern der links liegende Fahrstreifen mit einer Sicherheitslinie oder bei Doppellinien-Markierung mit einer linksseitig angebrachten Sicherheitslinie abgegrenzt ist, bis zum Ende der entsprechenden Markierung, insbesondere auf dem Beschleunigungsstreifen von Einfahrten; d. auf dem Verzögerungsstreifen von Ausfahrten.»

In der Verkersregelnverordnung (VRV) heisst es ab 1.1.2021 in Artikel 36/5 neu zu Autobahnen und Autostrassen: «Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist untersagt. Der Fahrzeugführer darf jedoch mit der gebotenen Vorsicht in folgenden Fällen rechts an andern Fahrzeugen vorbeifahren: a. bei Kolonnenverkehr auf dem linken oder mittleren Fahrstreifen; b. auf Einspurstrecken, sofern für die einzelnen Fahrstreifen unterschiedliche Fahrziele signalisiert sind; c. sofern der links liegende Fahrstreifen mit einer Sicherheitslinie oder bei Doppellinien-Markierung mit einer linksseitig angebrachten Sicherheitslinie abgegrenzt ist, bis zum Ende der entsprechenden Markierung, insbesondere auf dem Beschleunigungsstreifen von Einfahrten; d. auf dem Verzögerungsstreifen von Ausfahrten.»

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Eine Kolonne ist genug

Schon bisher durfte man auf Autobahnen und mehrspurigen Autostrassen zum Beispiel rechts vorbei, wenn alle Spuren in Kolonnen fahren. Neu gilt: Es reicht, wenn nur die mittlere und/oder linke Spur in Kolonne fährt, aber rechts frei ist. Dann darf man jetzt rechts vorbei. Aber Achtung: Nur das Rechtsvorbeifahren ist erlaubt – nicht Rechtsüberholen. Wer extra nach rechts und/oder dann wieder nach links geht, begeht also weiter illegales Rechtsüberholen. Der neue Bussensatz dafür: 250 Franken.

Ohne eine Kolonnenbildung auf linker und/oder mittlerer Spur (wie hier links) darf man wie gehabt weiter stets nur links überholen.
Foto: Thomas Meier
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Aber was bloss heisst das? Darf man gar nie mehr nach links? Wann wird aus gleichmässig hintereinander fahrenden Autos eine Kolonne? Das Hin und Her der Politik, Behörden und Experten hat eine klare Definition verhindert. Schade. Andererseits ist das meist so: Weil kein Gesetzestext alle Einzelfälle regeln kann, zeigt erst die Alltags- und Rechtspraxis, wie das auszulegen ist.

Die Regel im Detail

Blick versucht anhand Expertengesprächen zu interpretieren – ohne Gewähr! Ein Auto oder zwei? Keine Kolonne. Sechs? Wohl ja. Drei bis fünf? Das bleibt abzuwarten. Klar ist: Wer offensichtlich extra nach rechts wechselt, um vorbeizufahren, ist eher ein Rechtsüberholer. Wer rechts nach drei oder vier Kilometern auf Langsamere aufläuft und nach links geht, eher nicht. Wer es schon nach 500 Metern tut, eher ja. Woran also halten?

Tipp: Nur rechts vorbei, wenn es links einen «Propf» gibt und man eh rechts ist. Dann nur zurückhaltend wieder nach links. Rechtsvorbeifahren ist dazu da, im dichten Verkehr den Fluss zu fördern. Bei langsamerer Fahrt und voller Mittel- und/oder Linksspur also. Es ist nicht dazu da, im schnellen Verkehr einzelne Mittel- und Linksschleicher zu «erziehen» – die überholt man weiter links. Erst, wenn diese eine Kolonne verursachen, fährt man rechts vorbei.

Verzeigung weiter möglich

Viel dürfte vom Fahrstil abhängen: Wer einfach im Fluss bleibt, macht es richtig. Wer offensichtlich nur vertuschtes Rechtsüberholen betreibt, um schneller voranzukommen, zahlt. Generell gilt die 250-Franken-Busse. Aber: Wer gefährdet – dazu reicht schnell «abstraktes», also nur theoretisches Gefährden –, kann weiter Verzeigung und allfälliges Fahrverbot kassieren.

Übrigens: Warum zahlt der Links- oder Mittelspur-Blocker nur 60 Franken? Weil er «nur» passiv behindert, aber nicht aktiv gefährdet: Das Rechtsüberholen ist der gefährlichere, schwerere und so rechtlich stärker und vordringlich zu büssende Verstoss. Augenmass von allen ist gefragt: Weiterfahren ja, Überholslalom nein.

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