Wenn die Masche nicht klappt, drohen sie mit FBI und Interpol
Betrüger wollen Tutti-Inserenten abzocken

BLICK-Leser Eugen T. (73) inseriert auf dem Online-Marktplatz Tutti.ch. Interessenten melden sich. Die gleichlautenden SMS machen ihn zum Glück stutzig. Denn geht man auf die Angebote der Betrüger ein, kann es wüste Drohungen hageln. BLICK erklärt die fiese Masche.
Publiziert: 17.06.2020 um 13:29 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2020 um 11:26 Uhr
Lorenz Keller

Ein Minidisc-Player von Sony und zwei kleine Lautsprecher hat BLICK-Leser Eugen T.* (73) zu verkaufen. Erste Wahl für solche Kleininserate ist die Plattform Tutti.ch. Bild aufschalten, Text eintippen, persönliche Angaben machen – und schon ist das Inserat online.

Kurz darauf kommt ein erstes SMS. Mohamed schreibt: «I just view your ad on tutti do you still have your Musical Instrument for sale?» Eugen T. soll ihn per Mail kontaktieren. Zwar ist der Minidisc-Player in der Kategorie Musik inseriert, aber kein Instrument. Das und der englische Text machen Eugen T. ein wenig misstrauisch. Er wartet mit der Kontaktaufnahme noch ab.

Zum Glück. Denn wenige Stunden später kommt ein zweites SMS, ebenfalls auf Englisch. Ein Jack Tayler schreibt praktisch identisch, dass er das Inserat auf Tutti gesehen hat und ob das Musikinstrument noch verfügbar ist. Er solle auf «jacktaylor1313101@gmail.com» antworten. Fast identischer Text, merkwürdige Email-Adressen: Nun ist der Eugen T. total misstrauisch geworden.

BLICK-Leser Eugen T. hat kurz nach der Veröffentlichung eines Inserates auf Tutti diese Nachrichten erhalten.
Foto: Zvg
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BLICK fragt bei Tutti nach: Ist das ein Betrugsversuch? «Das beschriebene Vorgehen ist uns bekannt», sagt Patrizia Negri von Tutti. Es gibt sogar einen eigenen Artikel auf der Plattform unter den Sicherheitstipps, der sich diesem Vorgehen widmet. Und wer das liest merkt schnell, dass Eugen T. Glück gehabt hat.

Ware ins Ausland, Geld fliesst nie

Das Vorgehen ist immer ähnlich: Vermeintliche Interessenten kontaktieren die Verkäufer per SMS oder WhatsApp und fragen, ob die Ware noch verfügbar ist. Dabei geht es oft um Smartphones, Technik, Möbel, Designer-Accessoires, Antikes oder Hochzeitskleider. Also alles, was man gut weiterverkaufen kann.

Die Kommunikation soll danach per Mail weitergeführt werden. Reagiert man auf diese Anfrage, dann folgen Nachrichten mit sehr ähnlichen Textbausteinen. Entweder in schlechtem, wohl automatisch übersetztem Deutsch oder direkt auf Englisch.

Das Produkt müsse ins Ausland verschickt werden – und zwar nach Grossbritannien, Kanada, Nigeria oder in die USA. Transport werde auch übernommen. Geht man darauf ein, erfolgt umgehend eine Bestätigung einer Bank, dass das Geld sei einbezahlt worden und werde übertragen, sobald die Ware verschickt wurde.

Die Nachricht der Bank ist natürlich gefälscht. Wer jetzt etwas verschickt, der hat verloren. Die Ware ist weg, das Geld wird nie eintreffen. Wer misstrauisch wird und nachfragt, wird innert kurzer Zeit massiv bedroht. Die Betrüger drohen, Interpol und FBI einzuschalten, Man werde verhaftet und zur Rechenschaft gezogen. Mit extremen Warnungen sollen die Verkäufer aus der Schweiz eingeschüchtert werden. Und laut Tutti hat das auch mehrmals funktioniert.

In einer anderen Variante des Betrugs versuchen die Täter, an Informationen und Daten von Nutzern zu kommen. Etwa Fotos von Quittungen oder Garantiescheinen oder Kopien von Identitätskarten und Ausweisen. Diese werden dann für weitere Online-Gaunereien missbraucht.

Wer misstrauisch wird, unbedingt beim Kundendienst melden

Was kann Tutti gegen solche Betrügereien machen? «Wir investieren viel in die Sicherheit unserer Plattform», sagt Patrizia Negri. Die Inserate würde täglich manuell und auch über automatisierte Systeme geprüft. Laut Tutti sind nur vereinzelte Personen pro Monat betroffen. 0,16 Prozent aller Inserate würden wegen betrügerischer Absichten gelöscht.

«Wir arbeiten seit mehreren Jahren eng mit den Abteilungen Cybercrime und Prävention der Kantonspolizei Zürich zusammen», sagt Negri. Der Bereich Prävention und Nutzeraufklärung soll weiter ausgebaut werden.

Negri betont, dass es wichtig sei, bei jedem Verdacht sofort mit dem Tutti-Kundendienst Kontakt aufzunehmen oder die Sicherheitshinweise auf der Webseite zu konsultieren. Dort sind verschiedene Fälle, die regelmässig vorkommen, genau beschrieben.

Der beschriebene Fall lässt sich aber kaum verhindern, da die Kommunikation nach dem Erstkontakt ausserhalb der Plattform stattfindet. Sobald das der Fall ist, müsse man speziell vorsichtig sein, rät Tutti. Und auch sonst lohnt es sich, die unten im Kasten beschriebenen Tipps und Tricks zu beachten, wenn man etwas auf der Plattform inserieren will oder sich für ein Produkt interessiert.

*Name geändert

Die wichtigsten Tipps für Online-Inserate

Inserat richtig erfassen: Möglichst wenige persönliche Dinge ins Inserat schreiben. Die Handynummer kann man auch ausblenden, so dass die erste Kontaktaufnahme übers Formular der Plattform gemacht werden muss.

Keine sensiblen Daten verschicken: Nie Kopien von Ausweisen, Belegen oder gar Kreditkarten verschicken.

Persönliche Übergabe: Tutti empfiehlt wenn immer möglich eine persönliche Übergabe von Geld und Ware. Natürlich unter Einhaltung der geltenden Corona-Regeln.

Zuerst Bezahlung, dann verschicken: Produkte sollten erst verschickt werden, wenn eine Bezahlung auf dem eigenen Konto eingegangen ist. Empfehlenswert kann auch der PayPal-Dienst sein, der gewissen Schutz für Käufer und Verkäufer bietet. Warnsignale sind bei uns ungewöhnliche Zahlungsmethoden wie etwa Western Union oder MoneyGram.

Nichts ins Ausland: Tutti rät davon ab, Waren oder Geld ins Ausland zu schicken. Man solle sich nicht unter Druck setzen lassen oder Ausreden akzeptieren. Auch Anzahlungen für eine Lieferung von Produkten sollte man nicht leisten.

Alle Angaben überprüfen: Wer eine Zahlungsquittung oder einen Tracking-Code erhält, soll genau die E-Mail-Adressen vergleichen. Stimmen Sie mit den Kontaktdaten überein, die man sonst erhalten hat. Tracking-Codes kann man zudem auf den Webseiten der Paketlieferdienste eingeben und überprüfen.

Achtung vor gefälschten E-Mails: Cyber-Kriminelle können ganz einfach Mails fälschen, so dass etwa der Eindruck entsteht, das Mail komme direkt von Tutti oder es gebe einen speziellen Schutz und man könne unbesorgt sofort zahlen oder die Ware verschicken.

Misstrauisch bleiben: Bei diesen Faktoren sollten die Warnglocken läuten: SMS mit der Aufforderung, ein Mail zu schreiben. Schlechtes, automatisch übersetztes Deutsch oder Englisch. Verschiedene Namen oder Sprachen in der Konversation. Angebote, die zu gut klingen, um wahr zu sein. Verkäufer oder Käufer im Ausland. Es wird mehr Geld für ein Produkt geboten, als im Inserat verlangt wird.

Kundendienst anrufen: Ist man unsicher, etwa weil der Name des Verkäufers nicht mit dem Kontoinhaber übereinstimmt, dann sollte man sich an den Kundendienst wenden. Die können User überprüfen und kennen auch die Tricks der Abzocker.

Inserat richtig erfassen: Möglichst wenige persönliche Dinge ins Inserat schreiben. Die Handynummer kann man auch ausblenden, so dass die erste Kontaktaufnahme übers Formular der Plattform gemacht werden muss.

Keine sensiblen Daten verschicken: Nie Kopien von Ausweisen, Belegen oder gar Kreditkarten verschicken.

Persönliche Übergabe: Tutti empfiehlt wenn immer möglich eine persönliche Übergabe von Geld und Ware. Natürlich unter Einhaltung der geltenden Corona-Regeln.

Zuerst Bezahlung, dann verschicken: Produkte sollten erst verschickt werden, wenn eine Bezahlung auf dem eigenen Konto eingegangen ist. Empfehlenswert kann auch der PayPal-Dienst sein, der gewissen Schutz für Käufer und Verkäufer bietet. Warnsignale sind bei uns ungewöhnliche Zahlungsmethoden wie etwa Western Union oder MoneyGram.

Nichts ins Ausland: Tutti rät davon ab, Waren oder Geld ins Ausland zu schicken. Man solle sich nicht unter Druck setzen lassen oder Ausreden akzeptieren. Auch Anzahlungen für eine Lieferung von Produkten sollte man nicht leisten.

Alle Angaben überprüfen: Wer eine Zahlungsquittung oder einen Tracking-Code erhält, soll genau die E-Mail-Adressen vergleichen. Stimmen Sie mit den Kontaktdaten überein, die man sonst erhalten hat. Tracking-Codes kann man zudem auf den Webseiten der Paketlieferdienste eingeben und überprüfen.

Achtung vor gefälschten E-Mails: Cyber-Kriminelle können ganz einfach Mails fälschen, so dass etwa der Eindruck entsteht, das Mail komme direkt von Tutti oder es gebe einen speziellen Schutz und man könne unbesorgt sofort zahlen oder die Ware verschicken.

Misstrauisch bleiben: Bei diesen Faktoren sollten die Warnglocken läuten: SMS mit der Aufforderung, ein Mail zu schreiben. Schlechtes, automatisch übersetztes Deutsch oder Englisch. Verschiedene Namen oder Sprachen in der Konversation. Angebote, die zu gut klingen, um wahr zu sein. Verkäufer oder Käufer im Ausland. Es wird mehr Geld für ein Produkt geboten, als im Inserat verlangt wird.

Kundendienst anrufen: Ist man unsicher, etwa weil der Name des Verkäufers nicht mit dem Kontoinhaber übereinstimmt, dann sollte man sich an den Kundendienst wenden. Die können User überprüfen und kennen auch die Tricks der Abzocker.

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