CEO der App äussert sich zum drohenden Totalverbot in den USA
Wie geht es jetzt weiter mit Tiktok?

Ultimatum für Tiktok: Die chinesische App muss amerikanisch werden, oder es droht ein Totalverbot. Auch in Europa gibt es weiteres Ungemach.
Publiziert: 25.04.2024 um 11:51 Uhr
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Tobias BolzernRedaktor Digital

Was ist passiert?

Die Uhr tickt: Der US-Senat hat in der Nacht auf Mittwoch mit einer Mehrheit von 79 zu 18 Stimmen ein neues Gesetz verabschiedet. Es verbietet generell Apps von Betreibern, die als Gegner eingestuft werden. Nun fehlt nur noch die Zustimmung von US-Präsident Joe Biden. Dieser hatte aber bereits im Vorfeld seine Unterschrift angekündigt. Das neue Gesetz soll einen Besitzerwechsel der bei jungen Personen sehr beliebten Kurzvideo-App Tiktok erzwingen.

Was passiert nun?

Zunächst einmal nichts. Der Beschluss gibt dem chinesischem Konzern Bytedance erst mal neun Monate Zeit, Tiktok an einen von den USA akzeptierten Investor zu verkaufen. US-Präsident Joe Biden (81) kann diese Frist um weitere drei Monate verlängern, wenn er Fortschritte bei den Verkaufsverhandlungen sieht. Der Preis könnte mehrere Dutzend Milliarden Dollar betragen. Der ehemalige Finanzminister der USA, Steven Mnuchin (61) hat angekündigt, Investoren zu organisieren. Wer dazu gehört, ist unklar.

Was sagt Tiktok?

Bytedance hat bereits mitgeteilt, dass sie nun vor Gericht ziehen und dort alle rechtlichen Mittel ausschöpfen wollen. Als Erstes dürfte das Unternehmen eine einstweilige Verfügung anstreben, die den Countdown aussetzt. «Das ist nicht nur ein Verbot einer App, sondern auch ein Verbot eurer Stimme», sagt Tiktok-CEO Shou Chew in einem Video, das er als Reaktion auf die Senatsentscheidung veröffentlichte. Tiktok sei ein Sprachrohr für 170 Millionen amerikanische Nutzerinnen und Nutzer. Tiktok kritisierte das Gesetz als Verstoss gegen die in der US-Verfassung verankerte Redefreiheit. Tiktok argumentiert, dass Bytedance ein internationales Unternehmen sei: 60 Prozent der Firma gehören institutionellen Investoren aus der ganzen Welt. Tiktok selbst ist in China nicht erhältlich. Dort gibt es nur die chinesische Version der App, Douyin.

«Das ist nicht nur ein Verbot einer App, sondern auch ein Verbot eurer Stimme», sagt Tiktok-CEO Shou Chew.
Foto: AFP
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Warum überhaupt ein Verkauf?

Befürworter eines Eigentümerwechsels verweisen auf zwei Risiken: Chinesische Behörden könnten Zugang zu Informationen der Nutzer in den USA erhalten – und China könnte die Plattform zudem missbrauchen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Tiktok hat dem stets entgegengehalten, es habe nie derartige Anfragen von Behörden erhalten und wäre diesen auch nicht nachgekommen.

Gibt es dafür Beweise?

Zumindest keine öffentlich zugänglichen. Einige Mitglieder des US-Kongresses haben sich nach vertraulichen Gesprächen mit dem FBI und den Geheimdiensten schockiert über Chinas Möglichkeiten geäussert, Tiktok zur Datensammlung und Propaganda zu nutzen. Details wurden jedoch nicht bekannt. Die Tiktok-App wurde 2023 auch vom Nationalen Testinstitut für Cybersicherheit (NTC) untersucht. Dies, nachdem die EU-Kommission die Nutzung von Tiktok auf Diensthandys verboten hatte. Die Sicherheitsanalyse ergab keine Hinweise auf Schwachstellen oder eine Überwachung der Benutzer.

Könnte die Schweiz bei einem Verbot mitziehen?

Der Fall in den USA dient als Vorbild für andere Länder, die Tiktok einschränken wollen. Auch die Schweiz und Europa? Manuel P. Nappo, Leiter des Instituts für Digital Business an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), hält das für unwahrscheinlich. «Europa ist interessanterweise weniger besorgt als Amerika», sagt er. Interessant sei aber, dass die Tech-Welt nicht mehr unantastbar sei. Lange Zeit war die Entwicklung neuer Technologien ungebremst. Doch in den letzten Jahren sind immer mehr politische Schranken gefallen, an die sich Unternehmen halten müssen.

Sind die USA das erste Land, in dem Tiktok das Aus droht?

Indien hat Tiktok zusammen mit 58 anderen chinesischen Apps im Jahr 2020 verboten. Indien war mit mehr als 200 Millionen Nutzerinnen und Nutzern der grösste Markt für Tiktok. Das Verbot von Tiktok wurde beschlossen, nachdem ein schwelender Konflikt zwischen Indien und China in Gewalt umgeschlagen war.

Was bedeutet das für mich?

Ein Verbot von Tiktok aus App-Stores in Europa steht zwar nicht bevor. Aber das Gesetz in den USA könnte die App für alle verändern. Das Erfolgsrezept von Tiktok ist der Algorithmus, der entscheidet, welcher Clip als Nächstes gezeigt wird. Das ist ein gut gehütetes Geheimnis. Die chinesische Regierung, die an Bytedance beteiligt ist, hat den Empfehlungsalgorithmus der App als sensible Technologie eingestuft, deren Export genehmigungspflichtig ist. Sie dürfte die App ohnehin nicht verkaufen wollen. In den USA gibt es daher Bestrebungen, den Algorithmus durch heimische Technologie zu ersetzen. Das könnte die App grundlegend verändern.

Wird Tiktok nicht auch in der EU untersucht?

Ja, aber das ist ein weiteres Problem für Bytedance. Die EU-Kommission hat sich daran gestört, dass der Dienst in Frankreich und Spanien ohne Risikobewertung eine App namens Tiktok Lite auf den Markt gebracht hat, mit der Nutzer Punkte für das Ansehen von Videos sammeln konnten. Diese konnten gegen Gutscheine, zum Beispiel von Amazon, eingetauscht werden. Die Behörde befürchtete eine Suchtgefahr. Tiktok stellte die Funktion daraufhin ein. Wegen der China-Risiken wies die Kommission ihre Mitarbeiter bereits im vergangenen Jahr an, die App auf Diensthandys zu löschen.

Wie geht Tiktok mit Nutzerdaten um?

Der Dienst versicherte stets, dass die Daten amerikanischer Nutzer nur in den USA und in Singapur gespeichert würden. Um Vertrauen zu schaffen, setzte Tiktok auf das sogenannte Project Texas. Neben der Datenspeicherung nur in den USA wurde auch der Quellcode der App von Experten des US-Konzerns Oracle überprüft. Das hat die US-Politik nicht überzeugt. In Europa laufen ähnliche Massnahmen mit dem Project Clover in Irland.

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. 

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