Alleinerziehende Mutter erzählt
«Am Monatsende bleibt nie etwas übrig»

Einelternfamilien gelten generell schon als armutsgefährdet. Höhere Mietkosten und steigende Preise treffen sie besonders hart.
Publiziert: 14.03.2024 um 00:13 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2024 um 11:43 Uhr
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Eveline Sahli (50) ist immer gepflegt und gut gekleidet. «Meine finanzielle Situation sieht man mir nicht an. Genauso wenig wie allen anderen, denen es so geht wie mir», sagt sie. Gerade deshalb ist es ihr wichtig, dem Thema ein Gesicht zu geben.

Das Familienbarometer von Pro Familia zeigt: Finanzielle Themen prägen das Leben von Familien deutlich stärker als im Vorjahr. Alleinerziehende wie Eveline Sahli gelten generell schon als armutsgefährdet. Die stark steigenden Lebenskosten bedrohen ihre Existenz. «Ich komme gerade so über die Runden, aber am Monatsende bleibt nie etwas übrig», sagt sie. Da ihr Ex-Mann ausgesteuert ist, ist sie allein für den Lebensunterhalt von sich und ihrem Sohn Max (13) verantwortlich.

Einelternfamilie in Luzern: Eveline Sahli lebt mit ihrem Sohn Max.
Foto: Linda Käsbohrer
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Nach Krebserkrankung nicht voll leistungsfähig

Ursprünglich lernte sie Damenschneiderin, bildete sich an der Textilfachschule weiter, arbeitete im Verkauf. Nach einer überstandenen Brustkrebserkrankung arbeitet sie seit einem Jahr zu 80 Prozent als Kurierfahrerin für ein Labor, transportiert Blutproben durch die halbe Schweiz.

Netto verdient sie damit 3500 Franken im Monat – und damit mehr als im Verkauf. Auf 100 Prozent aufzustocken, ist für sie aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. «Ich bin bei der Arbeit neun Stunden auf der Strasse, das ist kopflastig und anstrengend», sagt sie. Nach ihrer Erkrankung ist sie nicht mehr so leistungsfähig wie vorher.

Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation hat sie Anrecht auf die volle Prämienverbilligung und bezahlt nichts für die Grundversicherung.

100 Franken Mehrkosten sind entscheidend

Seit 20 Jahren lebt sie in derselben Wohnung in der Stadt Luzern. Letztes Jahr wurde die Miete um 100 Franken erhöht. 1400 Franken kosten die viereinhalb Zimmer in einem Block an den Bahngleisen jetzt. «100 Franken im Portemonnaie zu haben oder nicht, ist entscheidend», sagt sie. Denn auch für Lebensmittel geht mehr Geld weg: Der Sirup zum Beispiel koste jetzt 3.50 Franken; einen Franken mehr.

Gut 300 Franken spart Eveline Sahli im Monat, weil sie einige Lebensmittel gratis bekommt. Der Discounter bei ihr um die Ecke deponiere jeweils Ware, die nicht mehr verkauft werden könne, in einem Container im Hinterhof, sagt sie. «Dort finde ich oft Gemüse oder Früchte, Käse, der einen Tag abgelaufen ist, oder auch mal eine Schachtel Pralinen.» Sie sei nicht die Einzige, die vorbeikommt. «Die Angestellten kennen mich und stellen manchmal einen Korb mit den Waren auf den Container.»

Kleider für sich und ihren Sohn kauft sie aus zweiter Hand. «So kann ich Max Wünsche erfüllen, zum Beispiel nach Markenkleidung.»

Ihr Umfeld weiss über ihre finanzielle Situation Bescheid. Man trifft sich zum Schwimmen, Kaffeetrinken oder geht gemeinsam auf den Flohmarkt. In die Zukunft blickt Eveline Sahli wenig optimistisch: «Ich konnte nie sparen, nie etwas einzahlen. Ich chrampfe bis 65, und es bleibt nichts übrig.»

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