Der Basler -minu gratuliert den Luzernern zur «zweitschönsten Fasnacht» – heute geht sie los
«Ich habe mir das Fest an der Reuss schon als Junger reingepfiffen»

Der Basler Kolumnist Hans-Peter Hammel (76) alias -minu schreibt, weshalb die Basler Fasnacht die bessere als die Luzerner ist – und wofür die Bebbi die Innerschweizer dennoch beneiden.
Publiziert: 08.02.2024 um 00:08 Uhr
«Ein bisschen zweite Weihnacht»: Kolumnist -minu über die Basler Fasnacht.
Foto: keystone-sda.ch
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-minu

Nein. Nichts zu rütteln: Die Basler Fasnacht ist für uns Bebbi die Schönste. Die Beste. Ein bisschen zweite Weihnacht …

Gut. Die Luzerner haben ihre Guggemuusige (aber auch hier war es ein Basler, der nach dem Krieg bei den Luzernern den Ton angab).

Sie haben ihren Fritschi-Vater und die Fritschene mit einer Kindsmagd. Bei uns aber gibt man die Kinder in die Kita. Und das Wort «Magd» ist – seit das linke Basel den Majoren-Stock übernommen hat – ein politisches No-Go.

Natürlich habe ich mir dieses Fest an der Reuss schon als junger Journalist reingepfiffen. Man will schliesslich mitreden können. So stand ich mehrmals um fünf Uhr morgens auf diesem Kapellplatz. Und wurde nach dem Urknall mit Tonnen von «Fötzeln» bombardiert. Es waren Schnipsel aus Telefonbüchern. Und über mich hat es die Nummern aus Zürich-Höngg gehagelt. Ausgerechnet!

-minu

Der Basler Kolumnist und Koch -minu kommt 1947 als Hans-Peter Hammel in Basel zur Welt. Nach dem Realgymnasium und einer Journalistenschule schrieb er ab 1967 wöchentlich für die Basler «National-Zeitung», später für die «Basler Zeitung». Ab 2000 hatte er auf Telebasel die eigene Kochsendung «Kuchiklatsch», ab 2020 die TV-Serie «-minus Räschte». Seit 1968 lebt er mit seinem Lebenspartner in Basel, im Elsass (F) und in Italien.

Der Basler Kolumnist und Koch -minu kommt 1947 als Hans-Peter Hammel in Basel zur Welt. Nach dem Realgymnasium und einer Journalistenschule schrieb er ab 1967 wöchentlich für die Basler «National-Zeitung», später für die «Basler Zeitung». Ab 2000 hatte er auf Telebasel die eigene Kochsendung «Kuchiklatsch», ab 2020 die TV-Serie «-minus Räschte». Seit 1968 lebt er mit seinem Lebenspartner in Basel, im Elsass (F) und in Italien.

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Meine Luzerner Freunde wollten mich mit einem Chneublätz besänftigen. Chneublätz – schon das Wort ist vollfett krass. Und nie so fein wie das Basler «Fasnachtskiechli». In diesen 16 Buchstaben tönt das Subtile unserer Fasnacht mit – das Zarte, Zerbrechliche, Poetische. Etwas, das man in Luzern nur bei den vielen verspielten und stummen Einzelmasken ahnt (Übrigens: Ein Stück Luzerner Fasnacht, um welches die Bebbi die «Lozärner» beneiden).

Wir wollen hier nicht angeben – dafür liegen wir zu weit von Zürich entfernt. Aber unsere Fasnacht ist uralt. Sie verändert sich jedes Jahr aufs Neue – und lässt für drei Tage lang den Zeitgeist durch die Gassen ziehen.

Politische Aussagen sind wichtig. Gallig böse Verse ebenso – und über allem schwebt diese gewisse Traurigkeit der Piccolorufe und der donnernden Trommeln, die daran erinnern, dass man (jawohl: Mann!) mit eben diesen Melodien vor Jahrhunderten als Söldner in den Krieg gezogen ist. In den Tod.

Deshalb: kein Humbahumba! Sondern immer ein melancholischer Tanz am Abgrund. Das Gerippe mit der Sense wiegt sich bis zum Ändstraich zu den Melodien der Kriegsmärsche. Dieser makabre Tanz auf dem Vulkan widerspiegelt unserer Welt, unser Leben …

Und eben dieses Gemisch aus manchmal hysterischer Ausgelassenheit und melancholischer Trauer macht für mich die Basler Fasnacht einzigartig.

Die Bebbi haben sich immer von den übrigen Fasnachtsreigen in unserm Land abgesetzt. Sie demonstrieren ihre Eigenart (und im Zelebrieren ihres Andersseins sind sie schon immer gross gewesen), indem sie erst eine Woche nach dem Güdis-Mäntig auf die Gassen rufen – es ist die letzte grosse Fasnacht in der Schweiz. Aber nicht das Letzte – das sagen nur die, welche sie nicht verstehen.

Während in Luzern der «Huerenaff» eine Ehrenbezeugung ist, haben sexuelle Anspielungen in Basel während der Fasnacht Pause.

Anmache oder gar Aggressiveres ist verpönt. Es wird kein Gramm Fleisch gezeigt. Man vermummt sich bis zum letzten Leberfleck.

Sex findet nicht statt – sogar das diesjährige Plaketten-Sujet lässt solches anklingen: «vogelfrei!»

Den Sex sparen sich die Fasnächtler übrigens für den Donnerstag danach auf. Entsprechend wird er in Kennerkreisen auch «dr styff Donnschtig» genannt.

Was die Basler Fasnacht ebenfalls speziell macht: Das sozial bunt durchmischte Cliquenleben war stets toleranter als das Zunftleben. So ist auch heute noch die beliebteste weibliche Fasnachtsfigur «die alte Tante». Doch jede dritte Tante ist ein Onkel – aber hallo!

Das war schon lange, bevor der Ausdruck queer den Traditionalisten zünftig in die Quere kam. Und ein Jahrhundert, bevor der Genderstern am Himmel aufging.

Fasnacht: Von der Basler Toleranz können sich alle anderen Fasnachts-Geister in diesem Land ein Scheiblein abschneiden. Selbst die Zürcher gehören während der drei «scheenschte Dääg» zur tolerierten Spezies und müssen politisch korrekt behandelt werden.

So – die angeborene Bescheidenheit der Menschen am Rheinknie verbittet es mir, noch weiter die Trommel für die beste aller Fasnachts-Städte zu rühren. (Ach so: Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass die Basler Fasnacht von der Unesco zum Kulturerbe ausgerufen wurde? Hab‘ ich nicht? Typisches Basler Understatement!)

Und nun müsst ihr mich entschuldigen. Hurtig ein Schluss-Ausrufezeichen. Ich muss den Zug nach Luzern erwischen … diese bizarren Momente an der zweitschönsten Fasnacht mit ihren versponnenen Einzelmasken lasse ich mir nämlich nie entgehen!

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