«Beim Stillen empfehle ich gute Pflege und Silberhütchen»
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Leiterin Hebammenpraxis Zürich:«Beim Stillen empfehle ich gute Pflege und Silberhütchen»

Hebamme gibt Tipps
Zwei Drittel der Mütter haben Probleme beim Stillen

In der Schweiz klappt das Stillen nur bei jeder dritten Frau problemlos. Elke Bispinghoff ist Stillberaterin und Hebamme und gibt Tipps rund um die Laktation. Sie verrät auch, welche beiden Fragen frischgebackene Eltern nicht mehr hören wollen.
Publiziert: 28.10.2023 um 17:23 Uhr
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Lea ErnstRedaktorin Gesellschaft

Es ist früher Morgen in der Hebammenpraxis Zürich. Elke Bispinghoff sitzt im Sprechzimmer im Zürcher Quartier Leimbach. Seit 34 Jahren ist sie Hebamme, seit 2013 zertifizierte Stillberaterin. Vor ihr auf dem Tisch steht ein Holzfigürchen: Eine schwangere Frau mit herausnehmbarem Baby.

Frau Bispinghoff, wie geht es Schweizer Eltern beim Stillen?
Elke Bispinghoff: Etwa ein Drittel sind Naturtalente, bei denen alles reibungslos abläuft. Beim zweiten Drittel ist es schon schwieriger, da braucht es Geduld und professionelle Unterstützung, bis es klappt. Und bei Frauen aus dem letzten Drittel klappt es nicht gut, so dass sie entweder sehr früh abstillen oder sich wirklich durch etwas durchkämpfen müssen. 

Was sind die häufigsten Probleme?
Die Frauen haben zu viel oder zu wenig Milch, es kommt zu Milchstaus, Schmerzen und Entzündung der Brustwarzen. Manchmal trinken die Babys nicht richtig oder sie sind unruhig, es kommt zu Gewichtsproblemen der Kinder. Die Probleme sind entweder rein körperlich oder werden durch zu viel Stress oder Druck verursacht. 

Wie schnell nach der Geburt merkt man, ob es klappt?
Das Stillen braucht Zeit, um sich einzuspielen. Zuerst muss man als Mutter herausfinden, wie bereit man ist, sich hinzugeben. Stillen bedeutet ja auch sehr viel Nähe. Nach drei bis vier Wochen pendelt sich das in der Regel ein. 

Hebamme und Stillberaterin Elke Bispinghoff in ihrem Sprechzimmer in Zürich.
Foto: Lea Ernst
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Raten Sie auch mal zum Abstillen?
Klar, zum Beispiel dann, wenn der psychische Druck zu gross ist oder eine Frau schon mehrere Entzündungen hatte. Stillen ist wichtig, aber nicht um jeden Preis. Es kann viel besser sein, liebevoll ein Fläschchen zu geben, als verzweifelt jeden Tropfen aus der Brust zu pressen. 

Trotzdem: Viele Eltern haben hohe Erwartungen ans Stillen.
Wichtig ist, dass man sich darauf einstellt, dass es ein Prozess ist und nicht gleich klappen muss. Und dass man diesen Prozess schon vor der Geburt gut vorbereitet.

Wenn es nicht klappt, ist die Enttäuschung gross.
Genau, die Eltern sind dann verzweifelt. Ich empfehle manchmal, nicht komplett abzustillen, sondern teilweise zuzufüttern. So kann man auch mit wenig Milch schöne Stillerlebnisse teilen. 

Welche Ratschläge geben Sie noch?
Die Situation nach einer Geburt ist für alle Beteiligten eine grosse Umstellung. Deshalb ist es uns Hebammen wichtig, so weit wie möglich Druck rauszunehmen und Ruhe in die Familie zu bringen. Der längere Vaterschaftsurlaub entlastet die Mutter bereits enorm. Aber auch das Umfeld sollte früh genug miteinbezogen werden: Verwandte oder Freunde könnten Essen vorbeibringen, mit dem Baby spazieren gehen oder mal den Haushalt übernehmen. Von vielen frischgebackenen Eltern höre ich, dass sie sich das viel eher wünschen würden als teure Geschenke. 

Wie kann man frische Eltern sonst noch unterstützen?
Viele Paare beklagen sich über die beiden Standardfragen: Schläft das Kind schon durch und klappt das Stillen? Diese Fragen suggerieren gleich, man sei eine schlechte Mutter, wenn man sie mit Nein beantworten muss. Stattdessen könnte man fragen: Wie geht es dir? Kann ich dich unterstützen?

Der bezahlte Mutterschaftsurlaub beträgt in der Schweiz 14 Wochen. Die WHO empfiehlt jedoch, Säuglinge sechs Monate lang ausschliesslich zu stillen. Wie geht das zusammen?
Je nach Stellenprozent hat man Anspruch auf bezahlte Stillzeit oder Zeit zum Abpumpen. Man kann die Milch nicht acht Stunden in den Brüsten lassen. Das ist sehr unangenehm, es kommt zu Milchstaus und die Milchproduktion nimmt ab. Doch haben noch lange nicht alle Unternehmen einen Raum, in dem stillende Mütter abpumpen können. Es kann wirklich nicht sein, dass sie dafür immer aufs WC müssen. 

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