Rassistische Kommentare gegen Kindermodel
«Es erschüttert mich, dass das im Jahr 2024 immer noch Realität ist»

Die Facebook-Werbung einer Schweizer Kinderkleidermarke löste rassistische Kommentare aus. Geschäftsführer Franz Bittmann und die Mutter des betroffenen Mädchens fordern mehr Schutz vor Hassrede im Internet. Eine Expertin rät zu aktiver Gegenrede.
Publiziert: 28.09.2024 um 00:49 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2024 um 09:40 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Rassistische Kommentare unter Facebook-Werbung schockieren
  • CEO und Mutter des Kindermodels wehren sich
  • Studie zeigt: Gegenrede in sozialen Medien zeigt positive Wirkung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Ein Facebook-Post mit einem schwarzen Mädchen, das für Kinderkleidung wirbt, bekam unzählige rassistische Kommentare.
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Sara BelgeriRedaktorin

Eigentlich war es ein harmloser Facebook-Post. Ein Foto, das ein lächelndes Mädchen zeigt. Es steht in einem Wald und trägt eine weisse Jacke mit pinken Eulen darauf. Es wirbt für die Schweizer Kinderkleidermarke Namuk. Das Mädchen ist sieben Jahre alt. Und es ist schwarz. 

Namuk-Geschäftsführer Franz Bittmann (48) hat den Post mittlerweile gelöscht. Denn: Darunter wurden zahlreiche rassistische Kommentare geschrieben. Auch solche, die auf Sprüche aus der Zeit des Nationalsozialismus anspielen. «Es schockiert mich, dass das in der diversen Schweiz im Jahr 2024 immer noch Realität ist», sagt er zu Blick. Dabei hätte das Unternehmen sich bewusst für Diversität bei den Models entschieden, um die Gesellschaft besser abzubilden. «Es kann einfach nicht sein, dass Kinder solchen Äusserungen ausgesetzt sind», sagt Bittmann.

Hassrede weit verbreitet

Auch die Mutter des Mädchens ist geschockt. Um ihre Tochter und sich zu schützen, will sie anonym bleiben. Sie sagt: «Alltagsrassismus habe ich schon erlebt, aber so etwas Krasses noch nie.» Sie erzählt, wie viel Spass ihre Tochter am Tag des Fotoshootings hatte. «Dass sie daraufhin so angegriffen wird, macht mich traurig.» Aber sie will diese Angriffe nicht so stehen lassen. Sie will sich wehren. Und auch Bittmann will ein Zeichen gegen Rassismus setzen, indem er den Fall öffentlich macht.

Hassrede im Internet, insbesondere in den Kommentarspalten sozialer Medien, ist weit verbreitet. Expertin auf diesem Gebiet ist Sophie Achermann (31). Sie leitet das Projekt «Stop Hate Speech», das einen Algorithmus entwickelt hat, der Hassrede im Internet aufspürt (es besteht eine Zusammenarbeit mit Ringier Medien Schweiz, Anm. der Red.). Achermann definiert Hassrede als «Abwertung oder Diskriminierung gegenüber Menschen einer bestimmten Personengruppe», wobei insbesondere vulnerable Gruppen betroffen seien. 

Gegenrede wirkt

Laut eigenen Angaben geht Facebook mithilfe von künstlicher Intelligenz gegen Hassrede vor. Wie das Namuk-Beispiel zeigt, gelingt dies nicht in allen Fällen. Hinzu kommt laut Achermann, dass Plattformen wie Facebook Externen keinen Zugang zu seinen Inhalten gewährt. Deshalb sei ein externes automatisiertes Monitoring nicht möglich.

Trotzdem können Unternehmen Hassrede entgegentreten. Achermann rät ihnen, Expertinnen oder Experten hinzuzuziehen, die sich mit dem Thema auskennen. Sie empfiehlt, Kommentare entweder zu löschen oder Gegenrede zu halten. Denn diese hat nachweislich eine positive Wirkung. Das zeigt eine Studie aus dem Jahr 2021 der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit «Stop Hate Speech».

Zivilcourage ist gefragt

Gegenrede kann auch die Zivilgesellschaft betreiben. Am wirkungsvollsten sei sie dann, wenn sie empathisch formuliert sei, sagt Achermann. Ein Beispiel könnte im Fall von Namuk sein: «Kannst du dir vorstellen, dass solche Aussagen für schwarze Menschen extrem verletzend sein können?» 

Hassrede kann auch im Internet strafrechtlich relevant sein. Ob sie allerdings gegen die Diskriminierungsstrafnorm verstösst, müssen Staatsanwaltschaft und letztendlich das Gericht bestimmen. Klar ist: Würden wir alles zur Anzeige bringen, was online strafrechtlich relevant ist, wäre unser Rechtssystem wohl überfordert. Daher appelliert Achermann an die Gesellschaft: «Wir sollten online Zivilcourage zeigen und Betroffenen so signalisieren, dass wir solidarisch sind.» Genau das ist im Fall des Namuk-Posts passiert, wo sich viele Nutzer in den Kommentaren gegen die rassistischen Äusserungen gestellt haben.

Mutter fordert: Kinder sollten besser geschützt werden

Namuk-CEO Franz Bittmann wird ein Statement in den sozialen Medien veröffentlichen und in Absprache mit den Eltern mit Anwälten prüfen, ob sie Strafanzeige einreichen werden. Er sagt: «Wir hoffen, dass auch die sozialen Medien zukünftig mehr unternehmen, um das respektlose Verhalten einiger Menschen zu stoppen.»

Und die Mutter des betroffenen Mädchens betont, dass Kinder besonders geschützt werden müssen – vor allem in den sozialen Medien. Sie wünscht sich, dass die Gesellschaft erkennt: «Wir tolerieren diese Gewalt nicht. Menschen sollten für ihr rassistisches Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden.» Ihre Tochter weiss nichts von dem Vorfall. Es gilt, sie zu schützen.

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