Repräsentative Studie zur Wunsch-Schule in der Schweiz
Zmittag in der Schule statt bei Mami oder Papi

Drei Viertel der Erwachsenen in der Schweiz finden, dass Schulen flächendeckend Tagesstrukturen samt Mittagstisch anbieten sollten. Davon ist die Schweizer Schullandschaft noch weit entfernt.
Publiziert: 21.06.2023 um 10:41 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2023 um 11:52 Uhr
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Fürs Zmittag gehen Schulkinder in der Schweiz traditionellerweise nach Hause. Dies wird jedoch immer mehr zum alten Zopf, wie eine repräsentative Studie mit 7000 Teilnehmenden vom Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Mercator Stiftung Schweiz zeigt: Knapp drei Viertel der Befragten wünschen sich Tagesstrukturen an Schulen im ganzen Land.

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Die Zustimmung für flächendeckende Tagesstrukturen ist breit: Sie reicht von urbanen und linken Kreisen (73 respektive 86 Prozent) bis ins rechte Parteienspektrum (67 Prozent), und auch in ländlichen Gebieten sind es 66 Prozent, die Ja oder eher Ja sagen.

Eltern im Vereinbarkeitsstress

Die hohe Zustimmung dürfte mit der Realität vieler Familien zusammenhängen. Wenn beide Eltern arbeiten, wird das Schweizer Schulsystem zur Herausforderung. Funktioniert das Jonglieren von Kinderbetreuung und Job nicht, brauchen sie Unterstützung. Laut Bundesamt für Statistik werden 64 Prozent der Kinder zwischen vier und zwölf Jahren familienergänzend betreut, sei dies durch die Grosseltern (36 Prozent), in einer Kita oder anderen schulergänzenden Betreuung (34 Prozent) oder durch andere Personen.

Über 70 Prozent der Befragten möchten Tagestrukturen für Kinder in der Schweiz.
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Auch ein Themenpapier des Schweizerischen Städteverbands von 2021 benennt diesen Faktor: Es gehe bei der Schaffung von Tagesschulen um Vereinbarkeit von Familie und Schule, nicht um eine andere Schule.

So komme die Initiative für die Weiterentwicklung von Tagesstrukturen und Tagesschulen stärker aus Politik, Verwaltung und Elternschaft als aus den Schulen selbst. «Die Schaffung von Tagesschulen ist in der Schweiz grundsätzlich gesellschaftspolitisch und nicht pädagogisch motiviert, auch wenn bei ihrer Ausgestaltung schul- und sozialpädagogische Überlegungen wichtig sind», heisst es im Themenpapier.

Amanda Wildi (62) von Bildung und Betreuung, dem Schweizerischen Verband für schulische Tagesbetreuung, findet, dass das Thema Tagesstrukturen nicht ausschliesslich mit der Vereinbarkeit verknüpft werden sollte. Sie sagt: «Mit Blick auf Chancengleichheit sind qualitativ gut geführte Tagesschulen das Beste für das Kind, da sie das Kind gesamtheitlich fördern und begleiten können.»

Allerdings: Was Privatschulen längst anbieten, ist an der Volksschule noch keine Selbstverständlichkeit. Laut Pro Familia gibt es in der Schweiz erst etwa zehn Tagesschulen, bei denen Schule und Betreuungsangebot als Einheit mit gemeinsamem pädagogischen Konzept geführt werden. An der Tagesschule dauern die Blockzeiten für alle Kinder von etwa 8 bis 16 Uhr. Der Mittwochnachmittag ist häufig frei, und zu den Randzeiten gibt es zusätzliche freiwillige Angebote.

Hohe Kosten für ein Zmittag

Doch auch Schulen mit sogenannten Tagesstrukturen (beispielsweise Betreuung vor oder nach der Schule, Mittagstisch oder Hausaufgabenhilfe) sind in manchen Kantonen noch rar. Amanda Wildi sagt, in Kantonen, die keine starken Städte haben, decke das Angebot erst etwa 20 bis 30 Prozent der Nachfrage. In anderen Kantonen liege dieser Wert bei 80 Prozent, etwa in Bern, Genf, Basel oder im Tessin.

Der Bedarf sei klar da, sagt Amanda Wildi, doch es sei eine Frage des Preises. Ein Beispiel: In der Stadt Bern bezahlen Eltern je nach Einkommen 2 bis 3 Franken für ein Mittagessen, im Kanton Aargau hingegen vielerorts bis zu 25 Franken. «Manche Gemeinden wälzen die Vollkosten für Essen, Personal und Infrastruktur auf die Familien ab», sagt Amanda Wildi. Ein solches System sei wenig familienfreundlich, auch wenn das Angebot bereitgestellt wird.

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