Sheila de Liz erklärt, was zum Vorspiel gehört
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Sheila de Liz – Frauenärztin, Bestsellerautorin
«Die Sexualität ist in erster Linie für einen selbst wichtig»

Ihr ist nichts peinlich – und das kommt an: Sheila de Liz ist Ärztin, schreibt Bestseller über Frauengesundheit und erreicht eine Million Menschen in den sozialen Medien. Im Interview spricht sie über Tabuthemen der Gynäkologie, ihre Superkraft und ihr neues Buch.
Publiziert: 17.03.2024 um 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2024 um 12:07 Uhr
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Frau de Liz, gibt es heute noch Tabuthemen in der Gynäkologie?
Sheila de Liz: Sexualität jenseits der 50 ist noch tabuisiert. Und über die Lust der Frau wird nach wie vor nicht gesprochen – jedenfalls bei Frauen ab 40.

Auch vonseiten der Frauen?
Manche Frauen entschuldigen sich, dass ihre Libido nachlässt. Sie kommen zu mir und sagen: «Wissen Sie, in einer Ehe wäre das wichtig.» Dabei ist Sexualität nicht nur für die Ehe wichtig, sondern auch für sich selbst.

Wie meinen Sie das?
Sexuelle Gesundheit ist auch Gesundheit. Man sollte sie ebenso ernst nehmen wie mentale und physische Gesundheit.

Wissen als Waffe: Buchautorin Sheila de Liz findet, jede Frau müsse über ihren Körper so gut Bescheid wissen wie sie selbst.
Foto: Gaby Gerster/laif
Sheila de Liz: Rockstar der Gynäkologie

Sheila de Liz (54) ist die bekannteste Gynäkologin im deutschsprachigen Raum. Die gebürtige US-Amerikanerin ist Bestsellerautorin («Unverschämt», «Woman on Fire»), erreicht auf sozialen Medien ein Millionenpublikum und ist immer wieder in Talkshows zu Gast. Die zweifache Mutter führt in Wiesbaden (D) eine eigene Praxis und eine Online-Hormone-Sprechstunde.

Sheila de Liz (54) ist die bekannteste Gynäkologin im deutschsprachigen Raum. Die gebürtige US-Amerikanerin ist Bestsellerautorin («Unverschämt», «Woman on Fire»), erreicht auf sozialen Medien ein Millionenpublikum und ist immer wieder in Talkshows zu Gast. Die zweifache Mutter führt in Wiesbaden (D) eine eigene Praxis und eine Online-Hormone-Sprechstunde.

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Tun Frauen das nicht?
Nein. Viele haben nicht gelernt, ihre sexuelle Gesundheit ernst zu nehmen. Da spielt das Tabu hinein.

Wie nimmt man die eigene sexuelle Gesundheit ernst?
Erstens: Man gesteht sich überhaupt eine eigene Libido zu, unabhängig von einem sexuellen Partner. Die Sexualität ist in erster Linie für einen selbst wichtig, für die eigene Entspannung, Entlastung, Einschlafmöglichkeit, was auch immer. Und wenn die Lust schwindet, darf man sich eingestehen: Ich hätte das gern wieder.

Wer in der Gynäkologie arbeite, könne die Sexualität nicht ausklammern, sagt Frauenärztin Sheila de Liz.
Foto: Gaby Gerster/laif

Und zweitens?
Wenn man über 40 ist, sollte man sich die Zeit nehmen für ein erwachsenes Gespräch mit seinem sexuellen Selbst: Ist mir etwas peinlich an mir, an meiner Sexualität? Gibt es Bereiche, die mich belasten? Ein unterschwelliger Ton von zu Hause in der Kindheit kann die sexuelle Entwicklung beeinflussen. Mitte 40 ist es an der Zeit, Dinge einfach mal loszulassen. Schamgefühle, Ängste, whatever.

Ein Beispiel?
Eine Frau hat mir eine Jugenderinnerung erzählt: Als sie in die Pubertät kam und Ausfluss hatte, habe ihre Mutter beim Wäschemachen ihre Unterhosen immer nur mit spitzen Fingern angefasst und dabei ein Gesicht gezogen. Das prägt.

Sie erreichen in den sozialen Medien gesamthaft eine Million Menschen. Sind Sie Influencerin in Sachen Frauengesundheit?
Der Begriff ist mir zu seicht. Der Ursprung meines Antriebs ist, dass Frauen genauso viel wissen sollen über ihren Körper wie ich.

Unmöglich: Sie sind Frauenärztin!
Ich war nicht die Beste in der Schule und auch nicht im Medizinstudium. Es ist nicht so schwierig. Ich finde, es gibt Dinge, die Frauen wissen müssen. Es ist an der Zeit, dass wir Frauen als Patienten aufhören, uns wie Kinder behandeln zu lassen.

Auf Instagram (@drsheiladeliz) und Tiktok (@doktorsex) spricht Frauenärztin Sheila de Liz ganz locker über alles rund um den Körper.

Tun wir das?
Das sehe ich durch die Bank weg: Frauen werden bei Therapieentscheidungen infantilisiert. Ihnen werden Entscheidungen abgenommen. Therapien verweigert. Ohne ausreichende Erklärung. Man nimmt ihnen die Möglichkeit, mitzuentscheiden. Frauen müssen sich mit Wissen bewaffnen. Das ist mein Ziel. Ich bin nicht Influencer, ich bin eher als Kreuzritter unterwegs.

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«Man kann nicht von oben herab aufklären.»
Sheila de Liz
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Ein sehr zugänglicher Kreuzritter: Sie begrüssen Ihre Follower mit: «Hallo Mädels!».
Man kann nicht von oben herab aufklären. Man kann Menschen nur auf Augenhöhe begegnen. Ich nutze eine lockere Sprache. Ich glaube, das ist so eine Superkraft von mir. Ich habe keine Probleme, über irgendwas Sexuelles oder Körperflüssigkeiten oder peinliche Momente im Bett zu sprechen. Wenn man sieht, dass jemand schamlos darüber spricht, hat das einen heilenden Effekt. Frauen sehen: «Ach guck, das betrifft auch andere. Ich bin ja gar nicht so abnormal.» Wenn sich Frauen offen miteinander unterhalten würden, bräuchte man mich vielleicht gar nicht so sehr.

Ihre Bücher vermitteln Wissen auf ebenso zugängliche Art. Ich kenne eine Gynäkologin, die Ihr Buch «Woman on Fire» über die Wechseljahre Patientinnen zur Lektüre empfiehlt.
Das freut mich. Und das war auch mein Ziel: Ich mache uns allen in der Ärzteschaft doch das Leben leichter, wenn die Frauen sich auskennen. Einige Kollegen sind aber auch ein bisschen böse, dass die Patientinnen jetzt zu ihnen kommen und mündig sind und Dinge verlangen.

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«Wir Frauen in dem Alter sehen, dass wir nicht so sind, wie unsere Mütter in unserem Alter waren.»
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Die Studien, die Hormone in ein schlechtes Licht rückten, sind 20 Jahre alt – und wurden widerlegt. Warum wollen viele Gynäkologen trotzdem nach wie vor nichts wissen von Hormonbehandlungen?
Die haben so lange den Patienten erzählt, Hormone seien schlecht, warum sollten sie nun umschwenken? Ich denke, jetzt muss erst mal eine Generation von Ärztinnen und Ärzten nachwachsen, die das einfach richtig verstanden hat. Dann werden diese Stimmen nach und nach verstummen. Viele Frauen fordern heute aber Hormone ein. In 10, 15 Jahren werden wir dann im Vergleich sehen, dass die Frauen heute im Altersdurchschnitt gesünder und vitaler sind als Frauen in den 2000er-Jahren. Dann werden Ärzte und die Bevölkerung einsehen: Bioidentische Hormone haben mehr Vorteile, wenn man mit der Behandlung rechtzeitig beginnt, als wenn man keine nimmt.

Das Buch «Woman on Fire» von Sheila de Liz über die Wechseljahre wurde zum Bestseller.
Foto: Jens Gyarmaty/laif

Das Thema stösst bei Frauen im Wechseljahre-Alter vermutlich auch auf derart grosses Interesse, weil es sich um eine Generation handelt, die beruflich eingebunden ist – und Lösungen braucht, um funktionieren zu können?
Das ist tatsächlich ein Grund. Frauen heute brauchen einfach diese Kraft. Wir Frauen in dem Alter sehen, dass wir nicht so sind, wie unsere Mütter in unserem Alter waren. Wir sind vitaler, wirken biologisch jünger. Viele sind daran interessiert, zu erfahren, was sie tun können, damit es so bleibt.

Sie haben als Erste in einem populärwissenschaftlichen Buch den Zusammenhang von psychischen Problemen und Hormonumstellungen hergestellt. Ein Augenöffner für viele Frauen.
Das war mir wichtig. Gleichzeitig wollte ich mit dem Buch nicht nur auf Probleme hinweisen, sondern auch auf Folgendes: Der Tenor ist Freude in Bezug auf das, was der Lebensabschnitt bringt.

Ihr viertes Buch ist der Endometriose gewidmet. Warum braucht diese Krankheit ein De-Liz-Buch?
Erstens betrifft Endometriose mindestens jede zehnte Frau. Der Krankheit wird aber mit viel Unwissen und Unverständnis begegnet. Zweitens haben Betroffene bis jetzt entweder sehr grosse Bücher oder sehr kleine Bücher zum Thema zur Verfügung. Mein Buch will alle Fragen gut verständlich beantworten. Der dritte ist aber der wichtigste Grund.

Nämlich?
Endometriose wird total oft fehldiagnostiziert. Deswegen müssen die Betroffenen sozusagen selbst zum eigenen Arzt werden und für sich einstehen. Man kann sich nicht mehr allein auf die Medizin und die Ärzte verlassen, dass die das diagnostizieren. Endometriose ist eine sehr vielfältige Erkrankung mit vielen verschiedenen Erscheinungsformen. Viele Ärzte sind nicht darauf spezialisiert und werden die Diagnose nicht stellen.

Das ist ja ungeheuerlich: Die Frau muss sich selbst diagnostizieren? Sie muss aufgeklärt sein, damit sie die Hilfe bekommt, die ihr zusteht? Es gibt wohl kein anderes medizinisches Fachgebiet, wo man erwarten würde, dass die Patientin selbst schon mit der Diagnose kommt?
Natürlich ist das hochproblematisch. Es ist tragisch, dass es so ist. Aber es nützt nichts, das Thema einfach unter den Teppich zu kehren. Natürlich ist es unfair, zu sagen, die Patientin müsse das selbst diagnostizieren.

Das vierte Buch von Sheila de Liz

Die Symptome der Endometriose sind vielfältig und betreffen die verschiedensten Organe. Mit ihrem vierten Buch verspricht Gynäkologin Sheila de Liz einen Lichtblick für Endometriose-Betroffene. Der Ratgeber der passionierten Frauen-Aufklärerin ist fundiert recherchiert und zugänglich geschrieben.

Dr. med. Sheila de Liz: «Endometriose. Alles, was du wirklich wissen musst», Rowohlt

Die Symptome der Endometriose sind vielfältig und betreffen die verschiedensten Organe. Mit ihrem vierten Buch verspricht Gynäkologin Sheila de Liz einen Lichtblick für Endometriose-Betroffene. Der Ratgeber der passionierten Frauen-Aufklärerin ist fundiert recherchiert und zugänglich geschrieben.

Dr. med. Sheila de Liz: «Endometriose. Alles, was du wirklich wissen musst», Rowohlt

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Aber?
Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Nach Jahren der Quälerei machen sich Frauen selbst auf die Suche nach einer Lösung und finden dann heraus: Es muss Endometriose sein.

Warum ist die Diagnose so schwierig?
Viele Symptome sind nicht in der Gynäkologie angesiedelt. Wenn ein Hausarzt eine Patientin sieht, die merkwürdige Unterbauchschmerzen hat, die sowohl während der Periode als auch ausserhalb der Periode auftreten, der nimmt nicht den Telefonhörer in die Hand und ruft ihren Frauenarzt an. Sondern der macht seine eigene Diagnose, verschreibt irgendwas, und dann ist schon die nächste Patientin dran.

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«Man hat den Frauenkörper in vielen Dingen nie berücksichtigt»
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Sind Frauen medizinisch unterversorgt?
Ja, absolut. Man hat den Frauenkörper in vielen Dingen nie berücksichtigt. Bei Medikamenten angefangen, wo zum Beispiel ein Cholesterin-Medikament bei Frauen gar nicht so gut wirkt und trotzdem häufig verordnet wird. Normwerte bei Blutwerten werden oft an Männern gemessen, nicht an Frauen. Und so fort. In Bezug auf die Endometriose belächeln viele die Schmerzen. Ich denke, wenn Männer jeden Monat solche Schmerzen hätten, beispielsweise in ihren Hoden, dass sie in Ohnmacht fallen, hätte die Endometriose deutlich mehr Aufmerksamkeit und bessere Chancen, erforscht zu werden.

Frau de Liz, danke für das Gespräch! Wollten Sie noch etwas anfügen?
Ja. Es gibt da so eine Sache, die ich allen Frauen erzählen will ab Mitte 40.

Bitte.
Wenn sie Probleme haben mit der vaginalen Gesundheit, sollen sich alle Östrogencreme für die Vagina besorgen. Die kann und soll jede Frau benutzen, wenn sie die Funktion ihrer Vagina und Harnblase und ihre Kontinenz behalten will. Am besten fragt man den Frauenarzt; der sieht den Gewebeschwund in Vagina und Vulva, bevor die Frau das spürt. Symptome sind leichtes Brennen nach oder beim Geschlechtsverkehr oder häufige Harnwegsinfekte. Also: Hormoncreme für die Vagina! Das werde ich immer und immer wieder sagen, bis ich 120 Jahre alt bin.

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