Warum diese Dermatologin nie an die Sonne geht
«Ich kann nicht UV-Schutz predigen und dann selber sündigen»

Ihre Haut ist so weiss wie die von Schneewittchen: Die Dermatologin Liv Krämer verzichtet konsequent aufs Sonnenbaden und erklärt, warum es wirklich jeden Tag einen UV-Schutz braucht – gerade jetzt.
Publiziert: 31.07.2024 um 20:37 Uhr
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Sie verzichtet konsequent aufs Sonnenbad und pflegt ihren Schneewittchen-Teint: Die Dermatologin Liv Kraemer (46) erklärt, wie man die Haut trainieren kann und warum es viel UV-Schutz, aber weniger Cremes braucht.

Blick: Sommer und Sonne: Wie schützt man seine Haut am besten?
Liv Kraemer:
Viele denken, dass sie sich nur im Sommer vor der Sonne schützen müssen, aber das stimmt leider nicht. Es geht nämlich nicht nur um das Verbrennen durch die UVB-Strahlung (B wie Brennen), sondern vorwiegend auch um die UVA-Strahlung (A wie Aging), die Rötungen, Pigmente und Falten verursacht. Die Haut muss also 365 Tage im Jahr mit einem UV-Schutz geschützt werden, sowohl mit UVB, das mit dem SPF Filter angegeben wird, wie auch UVA.

Auf Tiktok propagieren Clips mit dem Hashtag #NoSunscreen den Trend, auf Sonnencreme zu verzichten.
Da verdrehe ich meine Augen und muss sarkastisch antworten: Klar, wenn einem Hautkrebs egal ist und man gern dunkle Flecken, Falten und Rötungen haben möchte, könnte man auf diesen Trend hören und nie Geld für Anti-Falten Cremes ausgeben. Wer eine schöne Haut behalten möchte: UV-Schutz jeden einzelnen Tag.

Die Dermatologin Liv Kraemer verzichtet aufs Sonnenbad.
Foto: Zvg
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Auch im Winter und im Nebel?
Die Sonne scheint immer, sonst ist es Nacht. Also ja, auch wenn es regnet oder schneit, nebelig ist oder Wolken hat, selbst wenn ich zu Hause bleibe, denn UVA dringt durch Fenster.

Gehen Sie selber an die Sonne?
Wieso sollte ich? Ich mag meine vornehme Blässe mit einem ebenmässigen Schneewittchen-Hautton. Ich kann nicht UV-Schutz predigen und dann selber sündigen.

Die Haut ist unser grösstes Sinnesorgan, braucht sie nicht auch Luft und Licht?
Die Haut, also die Epidermis, sieht aus wie eine Mauer und fungiert auch als eine. Sie sorgt dafür, dass nichts Unerwünschtes von aussen eindringt und nichts Wertvolles von innen entweicht. Anders ausgedrückt: Die Haut isst und trinkt nicht. Licht brauchen wir Menschen zwar, aber wir müssen dafür nicht gleich unsere Haut schädigen. Tageslicht ist wichtig, aber mit UV-Schutz. Das Vitamin D kann der Körper auch über die Haut am Arm oder über die Haut am Bein produzieren, schliesslich will man keine Falten, Pigmente oder Rötungen im Gesicht. Der Sonnenschutz sollte also mindestens eine SPF 30 haben und einen hohen UVA-Schutz.

Wie kann man die Haut jung halten?
Die Haut ist ein Organ und kann mit sogenannten aktiven Inhaltsstoffen «trainiert» werden. Dazu gehören zum Beispiel Fruchtsäure (AHA) und für Fortgeschrittene auch Retinol.

Wie hat sich die Pflege verändert, was macht man heute anders als unsere Mütter und Grossmütter?
Die Kosmetik, die unsere Eltern kennen, stammt von Helena Rubinstein aus dem Jahr 1908. Sie hat als Unternehmerin – sie war weder Wissenschaftlerin noch Ärztin – ein System erfunden, das die Haut als trocken, ölig oder Mischhaut einstuft. Unsere Haut ist aber eben mit einer Backsteinmauer vergleichbar: Sie isst und trinkt nicht. Das Trockenheitsgefühl entsteht durch die verminderte Funktion des Zellumsatzes, das heisst, es kommt wegen der «toten Zellen» an der Hautoberfläche zustande. Statt diese mit einer fettigen Creme zuzukleben, sollte man die Produktion neuer Hautzellen anregen, beispielsweise mit leichten Fruchtsäure-Produkten.

Braucht es überhaupt so viele Produkte, sprich, reguliert sich die Haut nicht am besten selber?
Die Produktion neuer Hautzellen wird langsamer, und das schon nach dem 15. oder 16. Lebensjahr. Um dem entgegenzuwirken, braucht es keine 15-Step-Skincare-Routine mit 10 Seren und Cremes, sondern die richtigen Inhaltsstoffe. Sie sollten die Haut reinigen und schützen sowie die Produktion der Hautzellen anregen. Ob sich diese Inhaltsstoffe in einer Creme oder einem Serum befinden, spielt dabei weniger eine Rolle. Viel wichtiger ist also, welche Inhaltsstoffe in diesen Konsistenzen «schwimmen». Bei zu Pickeln oder Rötungen neigender Haut empfehle ich allerdings eine leichte Konsistenz, da sich der Hautzustand ansonsten verschlimmern könnte.

Gibt es etwas, das man sich ins Gesicht streichen kann, das jünger macht?
Viele wollen eigentlich gar nicht jünger aussehen, sondern das Beste aus sich herausholen. Ich liebe AHA, da es sich super für Anfänger eignet. Ich nenne das Level 1. Erst wenn man dieses Level gut «beherrscht», kann man weitere Inhaltsstoffe wie beispielsweise Retinol vorsichtig hinzuziehen. Retinol ist aber nichts für Anfänger.

Was für eine Rolle spielt die Ernährung?
Eine sehr grosse. Egal wie gut man die eigene Gesichtshaut auch pflegt, isst man schlecht, also viel Zucker und verarbeitete Lebensmittel, kommt man nicht weit. Wenn ich junge Mädels am Bahnhof mit einer Zigarette und einem Energy Drink sehe, denke ich immer: Alles, was sie an Geld für Skincare ausgeben, ist verschwendet.

Schon ganz junge Mädchen streichen sich Antiaging-Creme ins Gesicht, ist das schädlich?
Ja und nein. Die meisten Inhaltsstoffe wie AHA (Fruchtsäure) und Retinol stammen aus der Akne-Therapie. Da junge Damen oft Probleme mit Pickel haben, ist es also nicht schlimm, diese zu benutzen. Aber wahllos 15 Seren und Toner und Masken und Augencremes anzuwenden kann leider katastrophale Folgen haben, denn man hat den Sinn des Ganzen nicht verstanden. Skincare ist kein Hobby, Skincare ist Wissenschaft und auch da gilt: Weniger ist mehr.

Vor kurzem ist das Buch «Skin Logevity. Der Schlüssel zu gesunder und strahlender Haut», von Liv Kraemer erschienen. 


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