Gefährlicher Tiktok-Trend
Fake News verursachen Sonnenbrand

Sonnencreme schützt die Haut – auch wenn Influencer das Gegenteil behaupten. Gesundheitsfachleute warnen bereits vor einer Lügenkampagne im Internet. Und die Krebsliga sucht das Gespräch mit jungen Menschen.
Publiziert: 16.06.2024 um 18:31 Uhr
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Peter AeschlimannRedaktor

Auf die Frage: «Wer von euch hatte schon mal einen Sonnenbrand?» gehen fast alle Hände hoch – sie gehören angehenden Automechanikern, die in Winterthur die Berufsbildungsschule besuchen. Im Turnunterricht steht heute das Thema Hautkrebs auf dem Programm.

Was man denn gegen die schädliche Sonnenstrahlung unternehmen könne, fragt jetzt Monika Burkhalter. «Schatten, Kleider, Sonnencreme!» Die Antworten kommen wie aus der Pistole geschossen – nicht nur, weil sie auf dem roten T-Shirt zu lesen sind, das die Präventionsfachfrau der Krebsliga Zürich trägt.

Nächste Woche steigen die Temperaturen: Das Risiko, sich einen Sonnenbrand zu holen, steigt.
Foto: Shutterstock
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Spitzenplatz in Sachen Hautkrebs

Am Wissen fehlt es also nicht. Trotzdem sind die Zahlen ernüchternd: Jährlich werden hierzulande rund 20'000 bis 25'000 neue Fälle von weissem Hautkrebs diagnostiziert, beim lebensgefährlichen schwarzen Hautkrebs sind es um die 3200. Damit belegt die Schweiz im internationalen Vergleich einen traurigen Spitzenplatz.

Weshalb dem so ist, ist nicht restlos geklärt. Schweizerinnen und Schweizer bewegen sich gerne im Freien, gerade auch an erhöhten Lagen, wo die Sonne besonders intensiv brennt. Auch der Wohlstand wird häufig als Grund genannt: Man hat genügend Geld und Zeit, um den Winter in wärmeren Regionen zu verbringen.

Junge Haut ist empfindlich

Dass die Krebsliga Zürich mit ihrer Kampagne «Ja nicht rot werden» im Juni Aufklärung an Berufsschulen betreibt, hat einen einfachen Grund: Junge Haut ist enorm empfindlich, und junge Menschen lieben es, draussen zu sein. Auch der Lernende Timot Kunszt (16) kennt den Spruch, dass die Haut nie vergisst. Dennoch holte er sich letzten Sommer in der Badi einen üblen Sonnenbrand: «Ich hatte mich halt nicht eingecremt.»

Was Fachpersonen beunruhigt: Viele seiner Altersgenossinnen und -genossen verzichten bewusst auf Sonnencreme. In den sozialen Medien gehen derzeit Videos viral, in denen Influencerinnen und Influencer Nivea und Co. abschwören. Auf Tiktok wurden Clips mit dem Hashtag #NoSunscreen mehr als 12 Millionen Mal aufgerufen.

Kokosöl als Sonnenschutz?

In einem der Videos steht ein braungebrannter Surferboy hüfttief in den Wellen und predigt seinen Followern: «Ich werde in diesem Sommer keine Sonnencreme auftragen – und ihr solltet das auch nicht tun.» Eine andere Influencerin empfiehlt Kokosöl als Sonnenschutz. Der Tenor dieser Filmchen: Chemikalien, die in den Produkten verarbeitet sind, schaden dem Körper. Sonnenlicht hingegen aktiviere Selbstheilungskräfte, die sogar gegen Krankheiten wie Krebs wirksam seien. Zu den Vertreterinnen der Anti-Sonnencreme-Bewegung zählen auch Promis wie die Schauspielerin Kristin Cavallari (37), bekannt aus der Serie «Laguna Beach».

In den USA bleibt das nicht ohne Folgen. In einer vor wenige Wochen publizierten Umfrage kam die Amerikanische Akademie für Dermatologie zum Schluss, dass 28 Prozent der 18- bis 26-Jährigen nicht glauben, dass Sonnenbrand Hautkrebs verursacht. In einer anderen Studie gaben 14 Prozent der Befragten unter 35 Jahren an, dass sie Sonnencreme gefährlicher finden als ungeschütztes Sonnenbaden.

Gefährlicher Unfug

Auch in der Schweiz gehören soziale Medien und Videoplattformen wie Youtube zu den primären Informationsquellen junger Menschen. Obwohl sich die Generation Z durchaus kritisch mit Inhalten auf Tiktok auseinandersetzt, müsse man Unwahrheiten dort entschieden entgegentreten, sagt die Dermatologin Anne-Katharina Sonntag von der Universität Basel zu Blick. Die Kaderärztin hält Trends wie die Anti-Sonnencreme-Bewegung für gefährlich. Den Mythos, dass Sonnenschutz die Aufnahme von Vitamin D blockiere, habe die Wissenschaft längst entkräftet.

Hoffnung macht der Dermatologin ein Gegentrend: Junge Menschen, die alles unternehmen, um der Faltenbildung vorzubeugen. Da UV-Strahlung die Haut schneller altern lässt, suchten vor allem junge Frauen immer öfter freiwillig den Schatten. Anne-Katharina Sonntag: «Über diesen Dreh kriege ich sie immer.»

Überraschendes Experiment

In der Berufsschule Winterthur positionieren sich die Jugendlichen nun vor einer UV-Kamera. Wer bislang noch nicht völlig überzeugt war, dass Sonnencreme einen positiven Effekt hat, ist es spätestens nach diesem Experiment: Die unsichtbare Schutzschicht auf der blassen Haut zeigt sich auf dem Bildschirm wie eine dunkle Kriegsbemalung, die vor der potenziell tödlichen Sonnenstrahlung schützt.

Mitte nächster Woche sollen die Temperaturen vielerorts auf über 25 Grad steigen. Zu Beginn des Sommers, wenn die Haut noch blass ist, ist die Gefahr eines Sonnenbrands besonders hoch. Man geht raus, will sich nach den Regentagen etwas Gutes tun. Dabei gerieten die Schutzmassnahmen oft in Vergessenheit, sagt Monika Burkhalter von der Krebsliga.

Deshalb erinnere man immer wieder an den Dreiklang: Schatten, Kleider, Sonnencreme! «Wenn jeder, der hier rausläuft, diese drei Punkte verinnerlicht hat, ist schon viel gewonnen.»

So schützt du dich

1. Von 11 bis 15 Uhr in den Schatten! Rund zwei Drittel aller UV-Strahlen treffen zwischen 11 und 15 Uhr auf die Erdoberfläche.

2. Kleider, Hut und Sonnenbrille! Mit Kleidern bedeckte Körperstellen bleiben den ganzen Tag konstant geschützt. Auch die Augen benötigen Schutz: Achte beim Kauf auf das CE-Zeichen und den Vermerk «100 Prozent UV».

3. Sonnencreme auftragen! Richtig angewendet, schützt man sich so vor UV-Strahlen. Vorsicht: Auch Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor ist kein Freipass für unbeschränkten Aufenthalt an der Sonne.

www.janichtrotwerden.ch

1. Von 11 bis 15 Uhr in den Schatten! Rund zwei Drittel aller UV-Strahlen treffen zwischen 11 und 15 Uhr auf die Erdoberfläche.

2. Kleider, Hut und Sonnenbrille! Mit Kleidern bedeckte Körperstellen bleiben den ganzen Tag konstant geschützt. Auch die Augen benötigen Schutz: Achte beim Kauf auf das CE-Zeichen und den Vermerk «100 Prozent UV».

3. Sonnencreme auftragen! Richtig angewendet, schützt man sich so vor UV-Strahlen. Vorsicht: Auch Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor ist kein Freipass für unbeschränkten Aufenthalt an der Sonne.

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