Projekt «Klimaschutz auf dem Teller»
Gibt es in Zukunft mehr regionale und biologische Lebensmittel in Berghütten?

In den Berghütten gibt es das beste Essen der Welt – vermutlich nicht, aber es fühlt sich oft so an, weil man hungrig oben ankommt. Doch wie kommt das Essen eigentlich in die Hütte? Und woher stammt es?
Publiziert: 30.06.2020 um 10:56 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2020 um 14:49 Uhr
Barbara Ehrensperger

«Ja, das meiste Essen in den Berghütten wird dorthin mit dem Heli geflogen», sagt Benno Steiner (39), Fachleiter Landschafts- und Klimaschutz beim Zentralverband des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) zu BLICK. Der SAC ist aufgeteilt in 111 Sektionen und eben den Zentralverband. Die 153 Hütten gehören den einzelnen Sektionen und diese stellen die Hüttenwartinnen und Hüttenwarte an.

Da jede Hütte anders liegt, unterschiedlich viele Plätze und eben auch einen unabhängigen Chef hat, sieht das Menü in jeder Hütte anders aus. «In der Salbithütte kannst du ein frisch gezapftes Bier bekommen», ist dann so ein Tipp unter Bergsteigern.

Dass Bier und Essen nicht klimaneutral oben ankommen, ist den meisten Berggänger schon irgendwie klar. Doch was tun? Wie wäre es zum Beispiel damit, das Essen einmal für ein Wochenende gemeinsam hochzutragen?

Meist kommt das Essen per Helikopter in die Berghütten. Bei der Aktion «Klimaschutz auf dem Teller» jedoch nicht.
Foto: Hannes Kutza
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Gäste tragen alles Essen in die Hütte

«Klimaschutz auf dem Teller» nennt die Non-Profit-Organisation Protect Our Winters Schweiz (POW) ihre Aktion, bei der sie das Essen für ein Wochenende regional, biologisch und fleischlos einkauft und gemeinsam mit den Gästen in die Hütte trägt.

POW möchte die Outdoor-Gemeinschaft gegen den Klimawandel mobilisieren, um einen Wandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu bewirken. Den Schweizer Ableger der internationalen Organisation hat Nicholas Bornstein (42) im Sommer 2017 gegründet und bereits dreimal die Aktion «Klimaschutz auf dem Teller» durchgeführt.

«Wir haben in der Maighelshütte im Graubünden angefragt, ob wir für ein Wochenende Essen liefern dürfen und dafür die Gäste zum Thema Klimaschutz aufklären. Die Hüttenwarte fanden es eine spannende Idee», erzählt Bornstein.

Die Hüttenwartin Nora Honegger erzählt aus ihrer Sicht: «Ich habe alle Gäste angerufen, die für die Nacht reserviert hatten und ihnen das Projekt erklärt und erläutert, wie es ablaufen wird. Ich habe festgestellt, dass viele sehr offen für unsere Idee waren und sofort zugesagt haben, Essen zur Hütte zu tragen. Die Gäste fanden es sehr toll, die lokale Landwirtschaft zu unterstützen. Es war ein voller Erfolg und wir hoffen, ein weiteres solches Wochenende bei uns auf der Hütte ausrichten zu können.»

Kein Fleisch: Genug Energie für eine Bergtour?

Gibt es auch negative Kommentare? «Eher von Leuten, die nicht an der Aktion dabei waren. Meist geht es ums Fleisch: Fleisch gehört zum Essen, nur vom Gemüsezeug hat man nicht genug Energie für eine Bergtour. Oder solche, die sagen: Das bringt ja eh nichts», sagt Bornstein.

«Wir möchten den Wert von regionalem und biologischem Essen aufzeigen. Und zeigen, dass man eine grosse Bergtour oder Wanderung auch ohne Fleisch machen kann. Dass dies der Umwelt am meisten hilft, weil diese Nahrungsmittel nicht Tausende von Kilometer eingeflogen werden, sondern von der Alp nebenan oder einem Bauernhof aus dem nahe gelegenen Tal stammen und damit auch dem Bauern ein Einkommen generieren, der die Landschaft pflegt», sagt der heutige Geschäftsleiter von POW. Und dass es ihm ernst damit ist, zeigt sich an seinem Lebenslauf: Der Familienvater hat eine gut bezahlte Stelle in einer Kommunikationsagentur aufgegeben und ist seit ein paar Monaten Vollzeit für POW tätig.

SAC findet es gut

«Gut, dass POW das Thema Essen und Klimaschutz thematisiert», sagt Steiner vom SAC. «Wir freuen uns über jede Aufmerksamkeit, die das Thema erhält.» Der SAC selbst habe noch kein konkretes Projekt in dieser Richtung. Aber im Hüttenwart-Kurs kommt das Thema Klimaschutz zur Sprache. Zudem hätten sie sich überlegt, einen Vegi-Kochkurs für die Hüttenwarte anzubieten. So werden diese wichtigen Themen den Hüttenwarten näher gebracht – denn aktuell ist vegetarische oder gar vegane Verpflegung nicht bei allen Hüttenwarten beliebt.

Im Sommer im Tessin

Bisher konnte mit der Aktion «Klimaschutz auf dem Teller» rund 200 Hüttengäste direkt erreicht werden. «Dank dem Kurzfilm der Aktion und weiteren Berichten haben wir vermutlich 10'000 Menschen erreicht», freut sich Bornstein. Er ergänzt: «Das Projekt ist ständig am Wachsen.» Und ihr Ziel? «Bis 2030 die Hälfte der SAC-Hütten erreichen!» Aber noch seien sie auf der Suche nach einer Finanzierung des Projekts.

Klar ist aber, dass am 17. und 18. Juli 2020 das nächste Klimaschutz-Informationswochenende in der Tessinerhütte Capanna Adula UTOE stattfindet. Am Freitag, 17. Juli, ab 9 Uhr wird beim Parkplatz oberhalb des Staudamms Luzzone bei der Alpe della Bolla in der Nähe von Blenio ein Stand mit Esswaren bereitstehen. «Wer weiss, wenn wir genügend Leute sind, schaffen wir es vielleicht sogar, den Helitransport zu ersetzen.»

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