Rosset verteidigt Federer
«Es gibt nur Polemik, weil Roger zu ehrlich war»

Am Sonntag sorgte die Ankündigung, dass Roger Federer nicht im Achtelfinal von Roland Garros antreten wird, für grosses Aufsehen. Marc Rosset, Organisator des Genfer Turniers, hat Verständnis für die Entscheidung des Baselbieters.
Publiziert: 08.06.2021 um 08:38 Uhr
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Aktualisiert: 08.06.2021 um 13:50 Uhr
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Grégory Beaud

Am anderen Ende des Telefons ist die Stimme von Marc Rosset ruhig. Es ist, als wolle er keine Stellung beziehen. Auf die Frage, ob er die Entscheidung von Roger Federer versteht, sich aus dem Achtelfinal von Roland Garros zurückzuziehen, antwortet er mit einem klaren «Ja».

Und wenn Federer eine ähnliche Aktion bei Rossets Turnier in Genf gebracht hätte? Auch in der Rolle des Turnierdirektors sieht es Rosset genauso. «Ich bin sicher, dass Guy Forget (Direktor des Pariser Turniers, Anm. d. Red.) ein wenig enttäuscht ist, und das ist normal. Aber er ist ein ehemaliger Spieler und Sie können alle ehemaligen Spieler fragen. Die körperliche Belastung, die Federer seit Beginn des Turniers auf sich genommen hat, ist erheblich», sagt Rosset. «Der Allgemeinheit mag es nicht bewusst sein und es mag ihr seltsam erscheinen – aber nicht den Leuten, die auf diesem Niveau gespielt haben.»

Ehrlichkeit ist der Schlüssel

Für Marc Rosset hätte Roger Federer mit Leichtigkeit dafür sorgen können, dass es keine Kontroverse gegeben hätte. Rosset erklärt: «Er hätte am Montagmorgen aufwachen und zum Arzt gehen können und behaupten, er habe eine schmerzende Schulter, weil er am Samstagabend zu viel serviert habe. Nach zwei Manipulationen hätte er ‹aua, aua, aua› gesagt und das medizinische Forfait wäre ausgesprochen worden. Der Arzt hätte gar keine andere Wahl gehabt.»

Roger Federer qualifizierte sich Samstagnacht für die Achtelfinals der French Open – nur um am Sonntag dann Forfait zu geben.
Foto: DUKAS
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Doch der 39-Jährige wählte einen anderen Weg. Den richtigen, wie Rosset überzeugt ist. «Wenn es heute eine Polemik gibt, dann nur, weil Roger ehrlich war», sagt der Romand. «Ich möchte diesen Punkt wirklich betonen. Er hätte es wie eine Verletzung aussehen lassen können, hat er aber nicht. Er hat immer gesagt, dass die Turniere in Genf und bei den French Open eine Vorbereitung auf die Rasensaison sind.»

In Roland Garros erreichte Federer immerhin das Achtelfinale, was als positiv zu werten sei. Die Fortschritte zwischen Genf und den French Open seien ziemlich beeindruckend. «Gegen Andujar in Genf war es nicht so toll. Aber ich habe am Wochenende einige Trainingseinheiten mit Gaël Monfils gesehen und sein Niveau war schon viel besser.»

«Ich hatte selbst eine beschissene Karriere»

Anstatt also von einem Scheitern in Paris zu sprechen, möchte der Genfer, dass die Beobachter die Dinge ins rechte Licht rücken. «Ja, für einen Roger Federer mag es wie ein Flop erscheinen, da er 20 Grand Slams gewonnen hat. Aber es gibt Spieler, die eine ganze Karriere durchlaufen, ohne jemals diese Turnierphase zu erreichen. Wenn es also so beschissen ist, den Achtelfinal zu erreichen, gibt es Tausende von Spielern auf der Tour, die beschissen sind. Ich selbst habe mit meinen fünf Achtelfinalteilnahmen eine beschissene Karriere hinter mir.»

Die Leistungen von Federer in Paris haben Rosset beruhigt. «Wir dürfen nicht vergessen, dass er seit 15 Monaten kaum mehr gespielt hat und gerade von zwei Knieoperationen zurückkommt. Er ist fast 40 Jahre alt und liebt Tennis. Er möchte so lange wie möglich spielen. Und gleichzeitig weiss er, dass wenn er sich wieder verletzt, er erledigt ist. Alle seine Entscheidungen werden unter diesem Gesichtspunkt getroffen. Ich bewundere das Spiel, das er gegen Koepfer gespielt hat. Es war eine echte Schlacht, die um 1 Uhr morgens und in der Kälte endete. Aus all diesen Gründen gibt es für mich keinen Grund für eine Polemik.»

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