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Die 21 besten Bücher von 2021

Von den Höhen des Hügels in die Tiefen des Ozeans: Dorthin führen die besten Belletristik- und Sachbücher des Jahres 2021.
Publiziert: 12.12.2021 um 20:39 Uhr
Amanda Gormans Gedicht «The Hill We Climb» ist das literarische Ereignis des Jahres 2021.
Foto: Bloomberg via Getty Images
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Daniel Arnet

GESPROCHEN Sie ist das Kulturereignis des Jahres: Die ganze Welt schaut gebannt auf Amanda Gorman (23), als sie am 20. Januar 2021 an der Inauguration von US-Präsident Joe Biden (79) in Washington auftritt. Mit ihrem leuchtend gelben Mantel, knallroten Haarreif und strahlenden Lächeln fällt die junge Afroamerikanerin auf. Aber noch wichtiger ist, was sie sagt: Mit ihrem vorgetragenen Gedicht «The Hill We Climb» (Den Hügel hinauf) bilanziert sie brillant die aktuelle Situation der USA und beweist bei der Amtseinführung des einflussreichsten Mannes der Welt kurz mal die Macht der Poesie.

Amanda Gorman, «The Hill We Climb», Hoffmann und Campe

Gorman war die Überfliegerin des Jahres – und hier 20 weitere Toptitel von 2021 in alphabetischer Reihenfolge:

GELEBT Ai Weiwei (64) ist weltweit der wohl bekannteste Künstler Chinas. Doch in seiner Heimat eckt Ai immer wieder an – wie einst sein Vater, der Maler und Dichter Ai Qing (1910–1996). Wie sie gemeinsam in der Verbannung leben mussten, darüber und über anderes berichtet der Sohn bewegend in seiner Biografie.

Ai Weiwei, «1000 Jahre Freud und Leid», Penguin

GEREIST Der Brite Julian Barnes (75) ist ein begnadeter Erzähler. In seinem neuesten Werk schildert er die wahre Geschichte des französischen Gynäkologen und Dandys Jean Samuel Pozzi (1846–1918) und schafft wie nebenbei ein Porträt des Fin de siècle und ein Plädoyer für ein geeintes Europa nach dem Brexit.

Julian Barnes, «Der Mann im roten Rock», Kiepenheuer & Witsch

GEWONNEN Die Schwyzer Autorin Marina Clavadetscher (42) gewann den diesjährigen Schweizer Buchpreis. Zu Recht! Mit ihrem lyrischen Roman wandelt sie auf den Spuren von Mary Shelley (1797–1851) und erweckt Puppen zu Leben – wie einst der Wissenschaftler sein Monster in Shelleys Roman «Frankenstein».

Martina Clavadetscher, «Die Erfindung des Ungehorsams», Unionsverlag

GESTORBEN Wann erinnert sich die Welt 700 Jahre später noch an einen Toten? Wenn es der italienische Nationaldichter Dante Alighieri (1265–1321) ist, der die «Göttliche Komödie» schrieb und damit die Landessprache schuf – jetzt zumindest inhaltlich in dieser perfekt auf Deutsch übersetzten Jubiläumsausgabe nachzulesen.

Dante Alighieri, «Göttliche Komödie», Manesse

GESCHLECHT Mann, Frau, divers: Die Genderdiskussion bestimmt die Gegenwart. Doch bereits im 18. Jahrhundert nimmt sich ein Franzose die Freiheit heraus, eine Frau zu sein: Chevalier d’Éon (1728–1810). Die US-Autorin Irene Dische (69) hat aus diesem historischen Stoff einen hinreissenden Roman geschrieben.

Irene Dische, «Die militante Madonna», Hoffmann & Campe

GEMEINDE Nach den Lamberts in «Die Korrekturen» folgen nun die Hildebrandts: Mit «Crossroads» legt der amerikanische Autor Jonathan Franzen (62) wiederum eine Familiensaga vor. Russ Hildebrandt ist Pfarrer einer evangelischen Gemeinde im Mittleren Westen, verheiratet und hat vier Kinder. Doch hier ist wenig heil(ig).

Jonathan Franzen, «Crossroads», Rowohlt

GESCHRIEBEN Der Schweizer Krimiautor Friedrich Glauser (1896–1938) ist häufig interniert, so dass er nur per Brief mit der Aussenwelt kommunizieren kann. Er macht aus der Not eine Tugend und schreibt mit tausend Zungen, wie dieser von Literaturwissenschaftlerin Christa Baumberger (46) mustergültig edierte Sammelband belegt.

Friedrich Glauser, «Jeder sucht sein Paradies …», Limmat

GEMALT Der Schweizer Schriftsteller Lukas Hartmann (77) ist ein Meister des historischen Romans. Dieses Mal hat er sich den Schweizer Art-brut-Maler Louis Soutter (1871–1942) vorgenommen und zeichnet dessen Leben minutiös in 33 Kapiteln nach. «Schattentanz» ist der zweite Teil einer Trilogie über 1942 verstorbene Prominente.

Lukas Hartmann, «Schattentanz», Diogenes

GEZEICHNET Nach dem letztjährigen Roman «Die Bagage», worin sie grandios über ihre Grossmutter schrieb, schildert die österreichische Schriftstellerin Monika Helfer (74) nun das Schicksal ihres Vaters: ein vom Krieg gezeichneter Kriegsrückkehrer, der sein Leben fortan den Büchern widmet und dabei zu Tode kommt.

Monika Helfer, «Vati», Hanser

GEPRÄGT Wenn Kabarettist Franz Hohler (78) Liedermacher Mani Matter (1936–1972) porträtiert und Pädagogin sowie Poetin Patti Basler (45) über «Heidi»-Autorin Johanna Spyri (1827–1901) schreibt – dann reden heutige Stimmen aus der Schweiz über ihre Vorbilder und die Wegbereiter eines offenen und sozial engagierten Landes.

Stefan Howald (Hrsg.), «Projekt Schweiz», Unionsverlag

GESCHICHTE Nach seinem Bestseller «1913» liegt der Fokus vom diesjährigen Buch des deutschen Kunsthistorikers Florian Illies (50) auf 1933. Wie die Liebe der Machtergreifung der Nazis trotzt, zeigt er episodenhaft anhand berühmter Paare. Illies macht aus nüchterner Geschichte spannende Geschichten.

Florian Illies, «Liebe in Zeiten des Hasses», S. Fischer

GELIEBT Es ist ihre letzte Reise ins Tessin: Die deutsch-amerikanische Publizistin Hannah Arendt (1906–1975) kommt 1975 in ihrem geliebten Ferienort Tegna an und lässt das Leben Revue passieren. Die Schweizer Literaturwissenschaftlerin Hildegard E. Keller (61) brilliert in ihrem ersten Roman mit einem vielschichtigen Frauenporträt.

Hildegard E. Keller, «Was wir scheinen», Eichborn

GESELLSCHAFT Dieses Buch belegt, wie der Online-Händler Amazon die Gesellschaft verändert. Der frühere «Washington Post»-Reporter Alec MacGillis hat dafür über zehn Jahre recherchiert und rechnet vor, wie Amazon doppelt so viele Arbeitsplätze bei unabhängigen Händlern vernichtete, wie die Firma selber schuf.

Alec MacGillis, «Ausgeliefert – Amerika im Griff von Amazon», S. Fischer

GENDERSTREIT Der Doyen der Schweizer Literatur, Adolf Muschg (87), veröffentlichte dieses Jahr einen grossen Altersroman. Er blickt darin aber nicht verklärt auf die Vergangenheit, sondern zeigt sich auf der Höhe der Zeit und schreibt über Genderstreit, Transmenschen, Klimakatastrophe und ein Virus, das die Welt bedroht.

Adolf Muschg, «Aberleben», C. H. Beck

GERECHNET Mit den 26 Buchstaben des lateinischen Alphabets können wir alles beschreiben. Aber noch genialer mutet es an, dass wir mit zehn arabischen Zahlen alles berechnen können. Der deutsche Wissenschaftsjournalist Thomas de Padova (56) hat darüber ein faszinierendes Buch geschrieben.

Thomas de Padova, «Alles wird Zahl», Hanser

GEIMPFT Zwei Deutsche erkennen die drohende Pandemie vor allen anderen: Die türkischstämmige Ärztin Özlem Türeci (54) und ihr Mann, der in der Türkei geborene Krebsforscher Ugur Sahin (56), entwickeln den ersten Impfstoff gegen Corona. Das Buch liest sich wie ein Wissenschaftskrimi.

Joe Miller mit Özlem Türeci und Ugur Sahin, «Projekt Lightspeed», Rowohlt

GEDANKEN Wie eine verkleinerte Hirnhälfte präsentiert sich einem dieser Tage der Inhalt einer geknackten Walnuss – als könnte der Nussbaum denken. Die Aargauer Sprachkünstlerin Karin Richner (40) wagt das Gedankenexperiment und inszeniert fast 500 Jahre Menschheitsgeschichte um einen Baumstamm herum.

Karin Richner, «Der Traum des Walnussbaums», Bilger

GEISTLICH Die Frau drinnen am Herd, der Mann draussen bei der Herde: Diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist ein Konzept, das ein deutscher evangelischer Geistlicher um 1800 in die Welt setzte. Die deutsche Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes (46) schreibt gekonnt gegen diese Erfindung an.

Evke Rulffes, «Die Erfindung der Hausfrau», HarperCollins

GETAUCHT Ein Buch über küstenferne Futtersuchgebiete der Haie («White Shark Cafés») und Finnwale in nahrungsreichen Tiefseewolken heisser Quellen («Wolkenbuffets»): Die deutsche Meeresbiologin Julia Schnetzer (36) taucht mit der Leserschaft in unbekannte Gegenden der Ozeane und ruft zu deren Rettung auf.

Julia Schnetzer, «Wenn Haie leuchten», Hanser blau

GEHEIMNIS Alles beginnt mit einer harmlosen Frage: «Was hast du damals zum Onkel Karl gesagt?» Das ist der Kern, aus dem ein verzweigter Familienroman über mehrere Generationen erwächst. Die Schweizer Autorin und SonntagsBlick-Journalistin Silvia Tschui (47) zeigt eindrücklich auf, was passiert, wenn ein Geheimnis unter Verwandten wie eine Wunde aufbricht.

Silvia Tschui, «Der Wod», Rowohlt

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