Wissenschaft klärt Streit unter Fleischtigern
Vorher salzen oder nicht – es ist völlig egal!

Beim Fleischbraten gibt es eine grosse Frage: Salzt man das Steak vorher oder nachher?
Publiziert: 24.05.2023 um 14:30 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2023 um 14:37 Uhr
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Fabien Goubet

Soll man Steak vor oder nach dem Braten salzen? Eine Frage, bei der selbst berühmte Köche gespalten sind. Manche, wie der französische Sternekoch Jean-François Piège, sind der Meinung, dass das Salz die Fleischfasern vor dem Braten zart macht. Für andere, unter anderem Joël Robuchon, ebenfalls Sternekoch, ist das Ketzerei, da es das Fleisch austrockne. Was stimmt nun?

Im Grunde hat niemand recht. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die Wissenschaft.

Der Geschmacksforscher Hervé This führte in den 2000er-Jahren Experimente durch, bei denen er Fleischstreifen unter dem Rasterelektronenmikroskop betrachtete. Sein Fazit: «Wir haben weder in einem vor dem Braten gesalzenen Entrecôte noch in einem ungesalzenen Entrecôte mehr Salz gesehen.»

Salzt man das Steak vorher oder nachher?
Foto: Shutterstock
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Die russische Puppe

Um zu verstehen, was in der Bratpfanne passiert, muss man sich anschauen, wie der Muskel aufgebaut ist: Er besteht aus einer Reihe Faserbündeln, die von einer Hülle aus Proteingewebe, genannt Kollagen, umgeben sind. Diese halbdurchlässige Membran schränkt das Eindringen von Salz ins Fleisch stark ein.

Ein Muskel im Querschnitt mit der Organisation einer Babuschka: Fibrillen, die zu Fasern und dann zu Bündeln zusammengefasst werden.
Foto: Thierry Astruc / HAL Archives ouvertes

Bei einem Rindskotelett dringt Salz dann in die Fasern ein, wenn sie quer geschnitten werden. Bei einem Flanksteak, wo die Fasern intakt sind, funktioniert dies wiederum nicht. Kurz gesagt: Die Sache mit dem Salz hängt auch davon ab, was man braten will.

Laut Autor Arthur Le Caisne braucht Salz zwischen 60 und 90 Minuten, um in einen Millimeter Fleisch einzudringen, bei dem die Fasern intakt sind. Bei Fleisch mit schräg geschnittenen Fasern dauert es zwischen 30 und 60 Minuten. Salzen einige Minuten vor dem Braten hat dagegen keine Wirkung: Das Salz bleibt hauptsächlich an der Oberfläche, in den kleinen Rissen der Kruste, aber es dringt nicht in das Fleisch ein. Dann kann man es auch gleich auf dem Teller salzen.

Ein weiteres Argument dagegen ist, dass Salz das Wasser aus dem Fleisch herauszieht. Das wird als Osmose bezeichnet und dient dazu, die Salzkonzentrationen zwischen dem Inneren und Äusseren der Muskelfasern auszugleichen. Das so entzogene Wasser neigt dazu, das Salz während des Garens aufzulösen – all das landet verdampft in der Pfanne oder in der Glut des Grills.

Lasst euch Zeit

Ganz verbannen sollte man den Salzstreuer trotzdem nicht, denn es gibt Ausnahmen. Zartes Fleisch und Fisch haben sehr wenig Kollagen, sodass die Bündel nicht so gut zusammenhalten und beim Kochen auseinanderfallen und Risse entstehen. Wenn man unter diesen Umständen vor dem Braten salzt, kann die Salzlösung, die man erzeugt hat, durch Kapillarwirkung wieder in den Kern des Fleischs gelangen.

Trotzdem ist es durchaus möglich, eine Wirkung vor dem Kochen zu erzielen, wenn man dem Salz Zeit gibt, vom Fleisch aufgenommen zu werden.

Für ein Rindskotelett braucht es etwa 1 Prozent des Fleischgewichts an feinem Salz. Bestreut und massiert das Fleischstück und lasst es 24 Stunden an einem kühlen Ort ruhen, indem ihr es (unverpackt) auf einem Rost über eine Platte oder einen Teller legen. Das ist wichtig, damit das Fleisch nicht im eigenen Saft liegt.

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