Rare Audienz für Blick im französischen Jura
Zu Besuch bei der legendären Domaine Macle

Die historische Domaine Macle im französischen Château-Chalon keltert einzigartige Weissweine auf höchstem Niveau. Wie die raren Weine entstehen und weshalb sie so einmalig sind, erfährst du hier.
Publiziert: 05.02.2024 um 14:13 Uhr
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Aktualisiert: 05.04.2024 um 10:47 Uhr
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Nicolas GreinacherRedaktor Wein DipWSET

Trotz strömendem Regen, grauem Himmel und frischen fünf Grad entfaltet dieser Freitagnachmittag im französischen Jura seine ganz eigene Magie. Der Grund ist ein Besuch auf dem legendären Weingut Domaine Macle im malerischen Dörfchen Château-Chalon. Der Besitzer und Winzer Laurent Macle gewährt Blick eine exklusive Audienz und öffnet die Türen zu seinen historischen Kellern.

Macle bewirtschaftet in der fünften Generation rund zehn Hektar Rebflächen, wovon sieben mit Chardonnay und der Rest mit Savagnin bestockt sind. Einige wenige Reben sind mit den dunklen Sorten Trousseau und Poulsard bepflanzt, doch die daraus entstehenden Weine keltert Macle nur für den Eigengebrauch. Die berühmteste Jura-Spezialität von Macle ist der sogenannte Vin Jaune, ein Weisswein aus der Rebsorte Savagnin, der mehrere Jahre unter einer Hefeschicht reift und dadurch an Komplexität gewinnt.

Vin Jaune als Aushängeschild

Macle führt mich hinab in sein verwinkeltes Kellersystem, wo zahlreiche alte Weinfässer aneinander gestapelt sind. «Dieses ist unser ältestes Fass, 150 Jahre ist es alt und immer noch in Gebrauch.» An vielen Fässern befinden sich kleine Zapfhähne, durch welche Fassproben entnommen werden können. Dies deshalb, weil die Fässer der für Vin Jaune selektierten Weine während mehrerer Jahre weder geöffnet noch aufgefüllt werden dürfen.

Starwinzer Laurent Macle empfängt Blick auf seinem Familienweingut im französischen Jura.
Foto: Nicolas Greinacher
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Im Fall von Château-Chalon sind es bei Macle mindestens sieben Jahre, in denen die Weine in den verschlossenen Fässern unter einer hauchdünnen Hefeschicht reifen. Der Hefe-Schleier bildet sich normalerweise im ersten Sommer nach der Gärung, wenn die Temperatur im Keller saisonbedingt etwas ansteigt. Im Winter gehen die Temperaturen jeweils auf rund acht Grad zurück. Diese Temperaturschwankungen sind entscheidend für den Aufbau und Erhalt der kleinen Hefeschicht auf der Oberfläche des Weins im Holzfass.

Darüber hinaus verdunstet bei dieser Weinbereitungsart Jahr für Jahr durch die kleinen Fassporen ein Anteil Wein, etwa sechs Prozent, wie mir Macle erklärt. «Von einem Liter Wein sind nach sieben Jahren nur noch etwas mehr als 60 Zentiliter übrig. Das ist auch der Grund, weshalb Vin Jaune in den traditionellen 62-Zentiliter, den sogenannten Clavelin-Flaschen abgefüllt wird.»

Immenses Alterungspotenzial

Macle, übrigens seit dem Jahr 2015 biozertifiziert, füllt einen Teil seiner Weine auch schon etwas früher ab, wie zum Beispiel den Côtes du Jura Sous Voile, der für rund zwei Jahre unter der Hefeschicht reift. Das Ergebnis beim kürzlich erschienenen Jahrgang 2018 ist ein äusserst charaktervoller Chardonnay mit Noten von getrocknetem Apfel, Ingwer, Zitronenschale, Brotkruste und Mandeln. Auch der mit rund 20 Prozent Savagnin veredelte Côtes du Jura Tradition 2018 präsentiert sich blendend. «Beide Weine passen übrigens perfekt zu Jakobsmuscheln», verrät Macle.

Anschliessend kredenzt Macle die beiden neuesten Château-Chalon-Jahrgänge. Eine komplexe Meisterleistung ist der 2015er aus einem wärmeren und sonnigeren Jahrgang. Getrocknete Alpenkräuter verweben sich mit Blüten, Brotkruste, Ingwer und etwas Curry. Im Gaumen mit viel Druck und einem schier endlos langen Abgang dürfte der 2015er mindestens ein halbes Jahrhundert lang Trinkspass auf höchstem Niveau bereiten. Der etwas frischere und weniger breitschultrige 2016er überzeugte ebenfalls auf ganzer Linie. Von beiden Jahrgängen werden nur 4000 Flaschen erhältlich sein.

Dass die unter der Hefeschicht gereiften Macle-Weine sehr lange altern können, zeigte die anschliessende Verkostung von historischen Jahrgängen. Der 1977er Château-Chalon duftet herrlich nach getrockneten Blüten, Äpfeln, Stroh, weissem Trüffel und Haselnüssen. Noch betörender präsentierte sich der 1983er Côtes du Jura. Wahnsinn, was hier alles aus dem Glas strömt: Weisser Pfeffer, getrocknete Blumen, Zitronenschale, orientalische Gewürze, Kräuter und ein Hauch von Mandarinenschale. Elegant und filigran tänzelt der Wein auf der Zunge und endet mit einem bezaubernden Abgang.

Blick in die Zukunft

Sich auf den wohlverdienten Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen, wäre für Macle viel zu langweilig. So keltert er jedes Jahr separat einen Naturwein ohne Schwefelzusatz. «Neugier ist ein Grund, ich trinke aber auch privat sehr gerne Naturweine, vor allem aus der Region Beaujolais», erzählt Macle. Ebenso experimentiert er mit Amphoren. Eine davon enthält Savagnin aus den Geburtsjahrgängen seiner drei Töchter, Carmen (2000), Athénaïs (2006) und Jeanne (2010).

Macles älteste Tochter Carmen absolvierte kürzlich ein Weinpraktikum in Neuseeland und schliesst bald ihr Önologiestudium am Lycée Viticole in Beaune ab. Anschliessend wird sie ihren Vater auf dem Familienweingut unterstützen und vermehrt auch ihre eigenen Ideen einbringen. Für frischen Wind ist also gesorgt. Und nach einem frostgeplagten 2021er Jahrgang mit rund 70 Prozent Ernteausfall freut sich die Familie Macle über zwei hochkarätige Ernten in den Jahren 2022 und 2023.

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