Fotograf entdeckt vergessenes Hobby
Er macht aus Kafirahmdeckeli-Sammlungen Kunst

Es gibt kaum etwas Urschweizerischeres, als Kafirahmdeckeli zu sammeln. Fotograf Roger Eberhard dokumentiert ein fast vergessenes Hobby. Und erinnert uns daran, wie willkürlich es sein kann, was welchen Wert hat.
Publiziert: 10.02.2022 um 11:07 Uhr
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Aktualisiert: 11.02.2022 um 09:40 Uhr
Silvia Tschui

Es gab eine Zeit, da waren Kafirahmdeckeli weltberühmt – in der Schweiz. Ab Ende der 70er-Jahre begannen die ersten Schweizerinnen und Schweizer damit, diese zu sammeln, in den 1990er-Jahren wurde es zum Volkssport. Die Deckeli mit diversen Motiven erlebten einen veritablen Boom.

Das hat seine Gründe: In anderen Ländern wurden die Rahmdeckeli entweder nicht mit Serien von Motiven bedruckt, oder das Material ging beim Aufreissen kaputt. Hierzulande blühten hingegen ein reges Tauschwesen, Börsen und sogar Sammlervereine auf – um bald wieder zu verwelken.

Heute interessiert sich kaum mehr einer für die Kafirahmdeckeli-Sammlungen einstiger Liebhaber. Ausgewählte Sammlungen, die einst Tausende von Franken gekostet haben, sind auf Ricardo zu Spottpreisen zu haben. Eine kurze Suchanfrage auf Ricardo zeigt grundsätzlich die Faszination, die das Sammeln einst hatte: Da gibt es unter anderem sammelbare Motive zur Nasa, zu Designerschuhen oder zu Modellautos. Und häufig ist die Grafik, für die die Schweiz grundsätzlich berühmt ist, herausragend. Die Deckeli sind wirklich oftmals kleine Kunstwerke.

Fotograf und Künstler Roger Eberhard reist normalerweise weit für seine Bilder. Jetzt hat er sich pandemiebedingt einem urschweizerischen Phänomen gewidmet.
Foto: Roger Eberhard
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Sammelserie über Sammelstücke

Wer sich in der Pandemie plötzlich wieder auf Kafirahmdeckeli besinnt hat, ist der Zürcher Fotograf Roger Eberhard (37). Normalerweise entstehen seine Arbeiten auf weiten Reisen – covidbedingt wurde seine Arbeit verunmöglicht. Aber auch die Motive auf Kafirahmdeckeli weisen in die Welt.

Eberhard hat in einer cleveren Reflexion über das Sammeln an und für sich eine Serie von Fotografien der besagten Kafirahmdeckeli erstellt – und zwar allesamt mit Motiven, die ebenfalls eine Sammlertätigkeit abbilden. Ob das nun Kunstwerke, Möbel, Geldnoten, Briefmarken oder gar Pilze sind. «KRD», die Sammler-Abkürzung für Kafirahmdeckeli, nennt er seine Arbeit, die aus 50 Fotografien besteht, die als Print zu kaufen sind – oder als NFT.

Diese Kafirahmdeckeli sind hypermodern

Um NFTs, also sogenannte «non fungible tokens», ist in letzter Zeit ein regelrechter Hype ausgebrochen. Auch wenn niemand so recht versteht, worum's eigentlich geht. «Non fungible» heisst jedenfalls ungefähr «nicht austauschbar», und ein «token» ist eine Wertmarke oder ein Zeichen. NFTs sind also eine Art digitaler Kunstwerke, die man mit Kryptowährungen kaufen kann, um sich das Eigentumsrecht zu sichern.

Sehen können die digitalen Kunstwerke online alle. So hat etwa Justin Bieber gerade 1,29 Millionen Dollar für die Illustration eines traurig aussehenden Affen ausgegeben. Eberhards NFT-Serie «KRD» wirft grundsätzliche Fragen zum Sinn und Unsinn des Sammelns auf – und dazu, wie die Menschheit kollektiv dazu kommt, gewissen Dingen einen Wert zuzumessen und diesen nach einer Weile wieder zu verwerfen.

Der Homo sapiens war schon immer ein Sammler

«Sammeln ist tief im Menschen drin», sagt denn auch Eberhard, «nicht umsonst nennen wir eine frühe Version des Homo sapiens auch «Jäger und Sammler». Tatsächlich: Sobald die Witterungsbedingungen in Gebieten nicht so waren, dass einem rund ums Jahr das Essen sozusagen in den Mund wuchs, wurden Sammler- und Aufbewahrungsstrategien überlebenswichtig. Heute ist Sammeln oftmals nicht mehr notwendig, blieb aber als Verhaltensweise erhalten.

«Solange genug Einzelpersonen etwas Zufälligem einen Wert beimessen, hat dieses Objekt diesen Wert auch», sagt Eberhard – «und irgendwann halt nicht mehr. So wie einst Tulpen, Kaffeerahmdeckel oder möglicherweise irgendwann NFTs». Ihn habe auch interessiert, wie ein Hype entsteht und wieder vergeht. Eberhard hat hierfür mit seinen Kafirahmdeckeli-Fotografien gleich drei Ebenen abgedeckt – und erst noch etwas Urschweizerisches dokumentiert.

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